WASHINGTON/KIEW/LONDON (dpa) — London und Washing­ton warnen vor neuen Waffen­lie­fe­run­gen aus dem Iran für Russland. Damit drohen der Ukrai­ne weite­re Drohnen­an­grif­fe auf ihre Infra­struk­tur. Ein Überblick zum Geschehen.

Die USA und Großbri­tan­ni­en haben überein­stim­mend vor neuen Waffen­lie­fe­run­gen aus dem Iran an Russland gewarnt.

Washing­ton kündig­te umgehend neue Sanktio­nen gegen Moskau an. Neben ballis­ti­schen Raketen soll Russland auch Drohnen aus dem Iran erhal­ten — mit Drohnen dieser Art war zuletzt die energe­ti­sche Infra­struk­tur in der Ukrai­ne angegrif­fen und schwer beschä­digt worden. Die Ukrai­ner müssen sich wegen dieser Schäden schon jetzt auf einen harten Winter mit vielen Strom­ab­schal­tun­gen einstellen.

USA warnen vor irani­scher Militär­hil­fe für Moskau

Die US-Regie­rung warnt vor einer zuneh­men­den irani­schen Unter­stüt­zung für das russi­sche Militär und kündigt deshalb neue Sanktio­nen an. «Wir erlegen den Akteu­ren, die an der Weiter­ga­be irani­scher Drohnen an Russland für den Einsatz in der Ukrai­ne betei­ligt waren, Kosten auf», sagte der Kommu­ni­ka­ti­ons­di­rek­tor des Natio­na­len Sicher­heits­rats, John Kirby, am Freitag. Die Sanktio­nen richten sich der US-Regie­rung zufol­ge gegen die russi­schen Luft- und Weltraum­kräf­te, ein staat­li­ches Zentrum für unbemann­te Luftfahrt und das Komman­do der militä­ri­schen Trans­port­luft­fahrt. Der Iran hatte zuvor überein­stim­men­den Berich­ten zufol­ge bereits im August Drohnen nach Russland geschickt, die zum Beispiel für Angrif­fe auf militä­ri­sche Objek­te wie Radar­an­la­gen und Artil­le­rie benutzt werden können.

London: Russland will mehr Waffen vom Iran kaufen

«Russland versucht nun, mehr Waffen zu beschaf­fen, darun­ter Hunder­te ballis­ti­sche Raketen. Im Gegen­zug bietet Russland dem Iran ein beispiel­lo­ses Maß an militä­ri­scher und techni­scher Unter­stüt­zung an», erklär­te die briti­sche UN-Botschaf­te­rin Barba­ra Woodward am Freitag in New York. Der briti­sche Außen­mi­nis­ter James Clever­ly sagte in London, der Iran sei jetzt einer der größten militä­ri­schen Unter­stüt­zer Russlands. «Durch diese schmut­zi­gen Deals hat das irani­sche Regime Hunder­te von Drohnen nach Russland geschickt, die einge­setzt wurden, um die kriti­sche Infra­struk­tur der Ukrai­ne anzugrei­fen und Zivilis­ten zu töten.» Moskau wieder­um biete dem Regime in Teheran militä­ri­sche und techni­sche Unter­stüt­zung an.

Selen­skyj: Russland hat «Hölle» in die Ukrai­ne gebracht

Die russi­sche Armee hat mit ihrer Invasi­on in die Ukrai­ne nach den Worten von Staats­chefs Wolodym­yr Selen­skyj «die Hölle unter russi­scher Flagge» ins Land gebracht. Vor allem in den Front­ge­bie­ten des Donbass im Osten der Ukrai­ne sei die Lage «sehr schwie­rig», sagte Selen­skyj am Freitag­abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Er zählte dabei die Brenn­punk­te Bachmut, Soledar oder Kremni­na auf. In diesen Berei­chen gebe es «schon seit langem keinen Lebens­raum mehr, der nicht durch Grana­ten beschä­digt wurde».

Daneben sei die Stadt Bachmut von den Besat­zern zerstört worden. «Eine weite­re Donbass-Stadt, die die russi­sche Armee in eine verbrann­te Ruine verwan­del­te», sagte Selen­skyj. Zuvor schon hatte sein Berater Mycha­j­lo Podol­jak die Lage rund um Bachmut aus ukrai­ni­scher Sicht als «die Hölle auf Erden» beschrieben.

Abseits des Front­ge­sche­hens arbei­te die Ukrai­ne weiter daran, Russland eines Tages für die Invasi­on und deren Folgen juris­tisch zur Rechen­schaft zu ziehen. «Wir fühlen uns sowohl von Staaten als auch von inter­na­tio­na­len Organi­sa­tio­nen und Menschen­rechts­in­sti­tu­tio­nen unter­stützt», sagte Selen­skyj. Bei den Bemühun­gen um einen Sonder­ge­richts­hof nach dem Vorbild des Nürnber­ger Tribu­nals habe Kiew Großbri­tan­ni­en eine Führungs­rol­le angeboten.

Ukrai­ne: Alle Wärme- und Wasser­kraft­wer­ke beschädigt

Wegen der russi­schen Angrif­fe auf das ukrai­ni­sche Energie­netz müssen die Menschen den ganzen Winter über mit Strom­ab­schal­tun­gen rechnen. Das sagte Regie­rungs­chef Denys Schmyhal am Freitag bei einer Kabinetts­sit­zung in Kiew. Zwar sei die Lage gegen­wär­tig «unter Kontrol­le», doch gebe es durch die Schäden weiter Mängel bei der Strom­ver­sor­gung. «Alle Wärme- und Wasser­kraft­wer­ke des Landes wurden beschä­digt.» Dazu seien etwa 40 Prozent der Hochspan­nungs­netz­an­la­gen unter­schied­lich stark beschä­digt. «Daher sind in den meisten Region die Einschrän­kun­gen in der Strom­ver­sor­gung immer noch erheblich.»

«Seien wir ehrlich, dass wir diesen Winter ständig unter den Bedin­gun­gen eines begrenz­ten Strom­ver­brauchs leben werden», sagte er nach Angaben der Staats­agen­tur Unian. Die russi­schen Raketen­an­grif­fe der vergan­ge­nen Wochen haben die gesam­te Energie-Infra­struk­tur der Ukrai­ne ins Visier genom­men. Dadurch ist vor allem die Strom­ver­sor­gung in weiten Teilen des Landes zusam­men­ge­bro­chen. Inzwi­schen ist es gelun­gen, die Bevöl­ke­rung zumin­dest stunden­wei­se mit Strom zu versorgen.

USA stellen weite­re Militär­hil­fe in Millio­nen­hö­he bereit

Die US-Regie­rung stellt der Ukrai­ne weite­re Militär­hil­fen im Wert von 275 Millio­nen US-Dollar (knapp 261 Millio­nen Euro) zur Verfü­gung. In dem Paket enthal­ten seien US-Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer vom Typ Himars, Ausrüs­tung zur Bekämp­fung von Drohnen, medizi­ni­sche Ausrüs­tung und Genera­to­ren, kündig­te das Penta­gon am Freitag an. Die Unter­stüt­zung komme aus US-Bestän­den. Die militä­ri­sche Unter­stüt­zung für Kiew aus den USA belau­fe sich damit auf 20 Milli­ar­den Dollar seit Beginn der Amtszeit von US-Präsi­dent Joe Biden Anfang 2021.

Das wird heute wichtig

Bei einer Zeremo­nie im Rathaus der norwe­gi­schen Haupt­stadt Oslo (ab 13.00 Uhr) erhal­ten Menschen­recht­ler aus der Ukrai­ne, Russland und Belarus den Friedens­no­bel­preis. Das Zentrum für bürger­li­che Freihei­ten (Center for Civil Liber­ties) bekommt den Preis gemein­sam mit der russi­schen Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Memori­al und dem inhaf­tier­ten Menschen­rechts­an­walt Ales Bjaljaz­ki aus Belarus, dessen Preis seine Frau Natal­ja Pintschuk in Empfang nehmen wird. Mit Blick auf den russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne und die Lage in Belarus sahen Exper­ten darin auch ein Signal an Kreml­chef Wladi­mir Putin und weite­re Autokra­ten in der Welt.