KIEW (dpa) — Die Lage in Odessa ist im wahrs­ten Sinne des Wortes düster: Kein Strom, und das mögli­cher­wei­se monate­lang. Präsi­dent Selen­skyj richtet sich mit besänf­ti­gen­den Worten an sein Volk. Die News im Überblick.

Nach den geziel­ten russi­schen Angrif­fen auf das ukrai­ni­sche Strom­netz ist die Lage in der Hafen­stadt Odessa sowie auch in anderen Regio­nen nach Einschät­zung von Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj schwie­rig. Trotz fortwäh­rend schwe­rer Kämpfe bleibt der Front­ver­lauf unver­än­dert. Dies soll nach den Worten des ukrai­ni­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­ters mit einer Gegen­of­fen­si­ve geändert werden, sobald der Boden gefro­ren genug ist, um Rad- und Ketten­fahr­zeu­ge zu tragen.

Selen­skyj: Tun alles, um Lage zu entspannen

Die Bemühun­gen, das schwer beschä­dig­te Strom­netz in und um Odessa zu reparie­ren, dauern an. Teilwei­se gebe es wieder eine Versor­gung. «Im Moment ist es in Odessa und in anderen Städten und Regio­nen des Gebiets gelun­gen, teils die Liefe­run­gen wieder aufzu­neh­men. Wir tun alles, um unter diesen Bedin­gun­gen nach den russi­schen Treffern das Maximum heraus­zu­ho­len», sagte Selen­skyj. «Aber im Moment ist die Region Odessa noch weiter unter den Gebie­ten, in denen es die meisten Abschal­tun­gen gibt.»

Russi­sche Truppen hatten Odessa in der Nacht zum Samstag mit einer Welle irani­scher Kampf­droh­nen angegrif­fen und dabei für einen Ausfall der Strom­ver­sor­gung der Stadt sowie des gesam­ten Umlan­des gesorgt. Der Strom­aus­fall, der mehre­re Hundert­tau­send Menschen betrifft, kann nach offizi­el­ler Darstel­lung nur mühsam behoben werden. Der regio­na­le Strom­ver­sor­ger teilte mit, dass die Repara­tu­ren zwei bis drei Monate dauern könnten.

«Kiew und Umgebung, Oblast Lemberg, Oblast Winnyz­ja, Oblast Terno­pil, Oblast Tscher­no­wyz und die Oblast Trans­kar­pa­ti­en, Oblast Sumy, Oblast Dnipro­pe­trowsk — die Situa­ti­on bleibt sehr schwie­rig», sagte Selen­skyj. Es werde jedoch alles versucht, «die Situa­ti­on zu entspan­nen» und die Menschen mit Strom zu versorgen.

Die russi­schen Militärs greifen seit einigen Wochen gezielt die Energie-Infra­struk­tur an und sorgen damit für massi­ve Ausfäl­le in der Strom- und Wasser­ver­sor­gung. Mit dieser Taktik soll die Bevöl­ke­rung vor allem zur kalten Winter­zeit unter Druck gesetzt werden.

Ukrai­ni­scher Vertei­di­gungs­mi­nis­ter kündigt Gegen­of­fen­si­ven an

Die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te werden nach den Worten ihres Vertei­di­gungs­mi­nis­ters bei günsti­gen Witte­rungs­be­din­gun­gen ihre Gegen­of­fen­si­ve gegen die russi­schen Besat­zer wieder aufneh­men. Der aktuel­le Übergang «vom trocke­nen Herbst zum noch nicht frosti­gen Winter» biete weder für Rad- noch Ketten­fahr­zeu­ge günsti­ge Einsatz­be­din­gun­gen», sagte Minis­ter Olexij Resni­kow gestern bei einem Treffen mit seinem schwe­di­schen Kolle­gen Pål Jonson in Odessa. «Ich denke, der (gegen­wär­ti­ge) Rückgang von Aktivi­tät an der Front ist auf das Wetter zurückzuführen.»

«Aber die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te denken nicht ans Aufhö­ren», sagte Resni­kow. Vielmehr wollten sie den Moment nutzen, wenn der Boden durch Frost fester wird, um ihre Gegen­an­grif­fe fortzu­set­zen. Der Plan der Ukrai­ne dabei sei «sehr einfach», beton­te Resni­kow. Ziel sei die Befrei­ung aller vorüber­ge­hend besetz­ten Gebie­te und die Wieder­her­stel­lung der nach der Unabhän­gig­keit 1991 inter­na­tio­nal anerkann­ten Grenzen.

Kiew bestä­tigt Luftan­grif­fe auf russisch besetz­te Gebiete

Der ukrai­ni­sche General­stab bestä­tig­te gestern eine Reihe von Luftan­grif­fen gegen Ziele in den russisch besetz­ten Gebie­ten des Landes. Daneben seien seit Samstag­abend eine Reihe von Komman­do­stel­len, Unter­künf­ten und Nachschub­la­gern mit Rohr- und Raketen­ar­til­le­rie beschos­sen worden, heißt es in der Mittei­lung der Militär­füh­rung. Die genau­en Ziele wurden jedoch nicht genannt. Aber auch die russi­sche Luftwaf­fe habe gestern Angrif­fe geflogen.

Ukrai­ni­scher Außen­mi­nis­ter: Bislang keine Zusage für Panzerlieferung

Nach Angaben des ukrai­ni­schen Außen­mi­nis­ters Dmytro Kuleba gibt es derzeit keine deutschen Zusagen für Panzer­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne. «Eine solche Entschei­dung ist noch nicht gefal­len. Es gibt da keine Zusagen. Aber wir arbei­ten daran, ganz offen», sagte Kuleba gestern in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» laut Überset­zung. Die Ukrai­ne verste­he nicht, warum Deutsch­land Artil­le­rie liefe­re, aber keine Panzer.

«Mit Stand jetzt gibt es Projek­te aus Deutsch­land, das ist die Liefe­rung der Iris-T-Syste­me, das sind Flugab­wehr­waf­fen.» Auch die Gepard-Panzer seien Flugab­wehr­waf­fen. «Aber zum derzei­ti­gen Moment sind nach meiner Kennt­nis Panzer nicht in dieser Liste enthal­ten. Das ist sehr schade.»

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz hat die Liefe­rung von Leopard-2-Panzern bislang mit der Begrün­dung abgelehnt, dass noch kein anderes Nato-Land solche Panzer zur Verfü­gung stellt. Die USA signa­li­sier­ten am Freitag, dass sie darin kein Hinder­nis sehen.

Biden sichert Selen­skyj weite­re Unter­stüt­zung zu

US-Präsi­dent Joe Biden hat der Ukrai­ne weite­re Unter­stüt­zung zugesi­chert. In einem Telefo­nat mit Selen­skyj habe Biden verspro­chen, dass die USA dem angegrif­fe­nen Land bei der Vertei­di­gung gegen den russi­schen Aggres­sor weiter­hin Hilfe leisten würden. Das teilte das Weiße Haus gestern Abend (Ortszeit) in Washing­ton mit.

Macron spricht Unter­stüt­zung für ukrai­ni­schen Friedens­plan aus

Frank­reichs Staats­chef Emmanu­el Macron sprach seine volle Unter­stüt­zung für die ukrai­ni­schen Friedens­vor­stel­lun­gen aus. In einem Telefo­nat mit Selen­skyj begrüß­te Macron gestern dessen Friedens­plan, wie der Élysé­e­pa­last mitteilte.

Selen­skyj hatte mehrfach einen Friedens­plan unter­brei­tet, der unter anderem den vollstän­di­gen Abzug der russi­schen Truppen aus der Ukrai­ne vorsieht. Auch von der seit 2014 annek­tier­ten Schwarz­meer­halb­in­sel Krim sollen sich die Truppen zurück­zie­hen. Hinzu kommen Repara­ti­ons­zah­lun­gen, die juris­ti­sche Aufar­bei­tung von Kriegs­ver­bre­chen sowie Sicher­heits­ga­ran­tien des Westens für die Ukraine.

Das wird heute wichtig

Die Außen­mi­nis­ter der EU-Staaten beraten heute (13.00 Uhr) in Brüssel über die jüngs­ten Entwick­lun­gen im Iran und in Russlands Krieg gegen die Ukrai­ne. Zeitwei­se soll dafür auch der ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba per Video­kon­fe­renz zugeschal­tet werden. Ursprüng­lich sollte bei dem Treffen auch ein weite­res Paket mit Sanktio­nen gegen Russland beschlos­sen werden.

Da die Beratun­gen über Details zuletzt noch nicht abgeschlos­sen waren, wird die forma­le Entschei­dung nun aber voraus­sicht­lich erst nach dem Außen­mi­nis­ter­tref­fen gefällt.