KIEW/MOSKAU (dpa) — Nach Berich­ten aus den USA über eine mögli­che Liefe­rung des Patri­ot-Flugab­wehr­sys­tems an die Ukrai­ne warnt Russland vor «zusätz­li­chen Risiken für die globa­le Sicher­heit». Die News im Überblick.

Die Ukrai­ne hofft in ihrem Kampf gegen russi­sche Drohnen- und Raketen­an­grif­fe auf die baldi­ge Liefe­rung moder­ner und effek­ti­ver Flugab­wehr­sys­te­me aus dem Westen. «Diese Woche haben wir einen bedeu­ten­den Fortschritt in der Frage der Flugab­wehr gemacht», sagte Selen­skyj in seiner in Kiew verbrei­te­ten Video­bot­schaft. Details nannte er nicht.

Die US-Regie­rung erwägt Medien­be­rich­ten zufol­ge eine Liefe­rung des Patri­ot-Flugab­wehr­sys­tems an die Ukrai­ne. Russland warnte hinge­gen vor neuen Gefah­ren für die globa­le Sicher­heit, sollte die Ukrai­ne die Syste­me erhalten.

Die Ukrai­ne baue ihre Luftver­tei­di­gung immer weiter aus, beton­te Selen­skyj. Er sagte, dass an Verein­ba­run­gen zur Stärkung der Vertei­di­gungs­fä­hig­keit des Landes gearbei­tet werde. «Und wir tun alles, um mehr moder­ne und effek­ti­ve­re Syste­me für die Ukrai­ne zu bekom­men.» Russlands Streit­kräf­te hatten die Ukrai­ne zuvor einmal mehr mit Drohnen beschos­sen. Selen­skyj berich­te­te, am Mittwoch­mor­gen seien 13 russi­sche Drohnen abgeschos­sen worden. «Das bedeu­tet 13 verschon­te Infra­struk­tur-Objek­te, das sind geret­te­te Leben.»

Russi­sche Botschaft warnt vor «provo­ka­ti­vem Schritt» der USA

Die Patri­ot-Pläne müssten noch von US-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Lloyd Austin geneh­migt werden, berich­te­ten mehre­re US-Medien unter Berufung auf nicht nament­lich genann­te Regie­rungs­quel­len. Das Luftver­tei­di­gungs­sys­tem Patri­ot würde in der von Russland angegrif­fe­nen Ukrai­ne einen Teil der militä­ri­schen Karten neu mischen. Es kann Flugzeu­ge, Marsch­flug­kör­per, Drohnen und Raketen auch aus größe­rer Entfer­nung abwehren.

Sollten sich die Berich­te über die Liefe­rung bewahr­hei­ten, dann zeuge dies von einem neuen «provo­ka­ti­ven Schritt der Adminis­tra­ti­on (des US-Präsi­den­ten Joe Biden), der zu unvor­her­seh­ba­ren Folgen führen kann», teilte die russi­sche Botschaft in Washing­ton mit. «Solch eine Linie Washing­tons fügt nicht nur den russisch-ameri­ka­ni­schen Bezie­hun­gen einen kolos­sa­len Schaden zu, sondern schafft auch zusätz­li­che Risiken für die globa­le Sicher­heit», hieß es. Russland hatte seine Invasi­on in die Ukrai­ne am 24. Febru­ar begon­nen — und betrach­tet die USA und andere westli­che Staaten wegen der Waffen­lie­fe­run­gen an das Land als Kriegspartei.

Russlands Raketen- und Drohnen­grif­fe richten sich vor allem auch gegen die Energie-Infra­struk­tur des Nachbar­lan­des. Nach einem Gespräch mit UN-General­se­kre­tär António Guter­res sagte Selen­skyj, dass die Verein­ten Natio­nen und die Ukrai­ne gemein­sam an einer Missi­on zur Besich­ti­gung der Energie­an­la­gen arbei­te­ten. Selen­skyj beklag­te, dass Russland nur auf Zerstö­rung aus sei und alles in Schutt und Asche legen wolle. «Es gibt keine Ruhe an der Front.» Zugleich berich­te­te der Präsi­dent, es seien abermals 64 ukrai­ni­sche Offizie­re und Solda­ten aus russi­scher Gefan­gen­schaft entlas­sen worden.

Ombuds­mann wirft Russland Folter Minder­jäh­ri­ger vor

Der Ombuds­mann des ukrai­ni­schen Parla­ments, Dmytro Lubinez, hat den russi­schen Besat­zern in der Süd- und Ostukrai­ne Folter von Minder­jäh­ri­gen vorge­wor­fen. Im Gebiet Cherson habe man zehn Folter­kam­mern entdeckt. In einer davon habe es einen getrenn­ten Raum gegeben, in dem Minder­jäh­ri­ge festge­hal­ten worden seien. «Wir haben nicht nur Folter dokumen­tiert. Es ist dokumen­tiert, dass den Kindern jeden zweiten Tag Wasser gegeben wurde, sie bekamen praktisch kein Essen», sagte Lubinez auf einer Presse­kon­fe­renz am Mittwoch. Den Minder­jäh­ri­gen sei vorge­wor­fen worden, die ukrai­ni­sche Armee zu unter­stüt­zen. Unter den Festge­hal­te­nen sei ein 14-Jähri­ger gewesen, der zerstör­te russi­sche Technik fotogra­fiert habe.

Selen­skyj spricht mit IOC-Chef: Russland komplett isolieren

Nach einem Gespräch mit IOC-Chef Thomas Bach forder­te Selen­skyj einen dauer­haf­ten Ausschluss Russlands von inter­na­tio­na­len Sport­er­eig­nis­sen. «Eine faire Antwort für einen Terror­staat kann nur seine völli­ge Isola­ti­on in der inter­na­tio­na­len Arena sein», teilte Selen­skyj gestern nach dem Telefo­nat mit Bach mit. Die Prinzi­pi­en der Olympi­schen Bewegung seien nicht verein­bar mit denen eines «Terror­staats». Es dürfe nicht zugelas­sen werden, dass Russland Sport­er­eig­nis­se für seine Propa­gan­da­zwe­cke benutze.

Seit Kriegs­be­ginn seien 184 Athle­ten durch russi­sche Handlun­gen getötet worden, sagte Selen­skyj. Für russi­sche Reprä­sen­tan­ten dürfe es daher keinen Weg zurück in den Weltsport geben. Das Schwei­gen der Athle­ten, Trainer und Sport­funk­tio­nä­re in Russland begüns­ti­ge die Aggres­si­on, begrün­de­te Selen­skyj seine Forde­rung. Die russi­sche Führung hinge­gen betont immer wieder, dass Sport und Politik getrennt vonein­an­der sein sollten. Dabei verlässt sich das Riesen­reich darauf, dass Verbün­de­te in Asien, Indien und Latein­ame­ri­ka den Krieg nicht laut verur­tei­len und auch die westli­chen Sanktio­nen nicht mittragen.

EU-Asean-Gipfel endet ohne gemein­sa­me Verur­tei­lung Russlands

Der Europäi­schen Union gelang es unter­des­sen nicht, den Verband südost­asia­ti­scher Natio­nen (Asean) zu einer gemein­sa­men Verur­tei­lung von Russlands Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne zu bewegen. In der Abschluss­erklä­rung des ersten großen Gipfel­tref­fens der beiden Organi­sa­tio­nen in Brüssel wurde gestern ledig­lich festge­hal­ten, dass die meisten Teilneh­mer­staa­ten die Aggres­si­on Russlands gegen die Ukrai­ne auf das Schärfs­te verurteilen.

Als Grund nannten Diplo­ma­ten die Positi­on von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich auch bei der letzten großen Abstim­mung über eine kriti­sche UN-Resolu­ti­on zu Russlands Krieg enthalten.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) sagte zu dem Thema am Abend bei einer Presse­kon­fe­renz, man wisse, dass auch Länder, die die Resolu­ti­on nicht unter­stützt hätten, den Krieg als ungerecht empfän­den. Dies sei ein guter Ausgangs­punkt für das, was man sich vorge­nom­men habe. «Kein Staat hat das Recht, einen anderen zu überfal­len, und nuklea­re Drohun­gen sind nicht akzep­ta­bel», bekräf­tig­te er.

Was heute wichtig wird

Die Staats- und Regie­rungs­chefs der EU-Staaten beraten in Brüssel beim letzten regulä­ren Gipfel des Jahres über weite­re militä­ri­sche und humani­tä­re Hilfe für die Ukrai­ne. Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin will sich bei einer Video­kon­fe­renz mit Funktio­nä­ren angesichts des Drucks durch Sanktio­nen einmal mehr mit der strate­gi­schen Entwick­lung des Landes auch im Techno­lo­gie­be­reich befas­sen, wie der Kreml mitteilte.