KIEW (dpa) — Russi­sche Raketen können ukrai­ni­schen Willen nicht brechen, lässt Präsi­dent Selen­skyj die «Raketen-Anbeter» in Moskau wissen. Die EU erhöht derweil den Druck auf Moskau. Die News im Überblick.

Die Vertei­di­gungs­be­reit­schaft der Ukrai­ner bleibt nach den Worten von Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj auch nach den jüngs­ten Raketen­an­grif­fen ungebro­chen. Doch sorgte die neues­te russi­sche Raketen­wel­le wieder einmal für den Ausfall von Strom, Fernwär­me und Wasser in weiten Teilen des Landes. Die Europäi­sche Union verab­schie­de­te gestern ein neues Sankti­ons­pa­ket gegen Moskau.

Selen­skyj: «Raketen-Anbeter» in Moskau haben falsche Hoffnungen

«Was auch immer sich die Raketen-Anbeter in Moskau erhof­fen, an den Kräfte­ver­hält­nis­sen in diesem Krieg wird es nichts ändern», sagte Selen­skyj gestern Abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Zwar habe Russland immer noch genug Raketen für weite­re massi­ven Angrif­fe. «Wir aber haben genug Entschlos­sen­heit und Selbst­ver­trau­en, um nach diesen Schlä­gen unsere eigenen auszuteilen.»

Selen­skyj hob die effek­ti­ve Arbeit der ukrai­ni­schen Luftab­wehr hervor, die am Vormit­tag einen Großteil der einflie­gen­den Marsch­flug­kör­per und Raketen abgeschos­sen habe. «Aber leider gab es auch Treffer», sagte er. «Terro­ris­ten brauchen eine solche Masse an Raketen­an­grif­fen, dass zumin­dest ein Teil ihrer “Produk­te” ihre anvisier­ten Ziele erreicht.» Nach dem Krieg werde die Bedeu­tung des Wortes «Terror» vermut­lich von den meisten Menschen der Welt «mit den verrück­ten Aktio­nen Russlands» in Verbin­dung gebracht.

Bei dem russi­schen Raketen­schlag fing die ukrai­ni­sche Flugab­wehr nach eigenen Angaben knapp 80 Prozent vom 76 Projek­ti­len ab. Von den 72 Marsch­flug­kör­pern und vier Lenkra­ke­ten seien 60 abgeschos­sen worden. Nach Angaben der Militär­ver­wal­tung von Kiew zufol­ge galt der Haupt­schlag der Haupt­stadt. Von 40 Raketen seien 37 über der Dreimil­lio­nen­stadt abgefan­gen worden.

Die ukrai­ni­sche Regie­rung wirft Russland wegen dieser Angrif­fe auf die Energie­ver­sor­gung des Landes «Terror» vor — mit dem Ziel, das Land in Dunkel­heit und Kälte zu stürzen.

EU-Außen­be­auf­trag­ter nennt russi­sche Raketen­an­grif­fe Kriegsverbrechen

Der EU-Außen­be­auf­trag­te Josep Borrell bezeich­ne­te die neuen massi­ven Raketen­an­grif­fe Russlands auf die Ukrai­ne als barba­ri­sche Kriegs­ver­bre­chen. «Diese grausa­men, menschen­ver­ach­ten­den Angrif­fe zielen darauf ab, das mensch­li­che Leid zu erhöhen», sagte er gestern.

Der Bevöl­ke­rung, aber auch Kranken­häu­ser, Rettungs­diens­te und andere unver­zicht­ba­re Diens­te sollten durch sie die Versor­gung mit Elektri­zi­tät, Wärme und Wasser verlie­ren. «Diese Bombar­die­run­gen stellen Kriegs­ver­bre­chen dar und sind barba­risch», sagte Borrell.

Klitsch­ko: Wasser läuft wieder in Kiew — aber wenig Strom

Nach Russlands Raketen­an­grif­fen auf die Energie-Infra­struk­tur der Ukrai­ne ist die Wasser­ver­sor­gung für alle Einwoh­ner der Haupt­stadt Kiew nach Angaben von Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko wieder­her­ge­stellt. Die Hälfte der Bürger habe auch wieder Heizung, teilte Klitsch­ko in seinem Kanal im Nachrich­ten­dienst Telegram mit. «Wir arbei­ten daran, die Heizung für alle Bürger der Stadt wieder­her­zu­stel­len», sagte er. Zwei Drittel der Bewoh­ner hätten auch wieder Strom. Trotz­dem gebe es weiter Notfall­ab­schal­tun­gen, weil das Strom­de­fi­zit bedeu­tend sei. Die Menschen wurden zudem zum Energie­spa­ren aufgerufen.

Auch die Metro habe am Morgen ihren Betrieb wieder aufge­nom­men, teilte Klitsch­ko weiter mit. Russland hatte am Freitag Kiew und viele andere Regio­nen der Ukrai­ne mit neuen Raketen­an­grif­fen überzo­gen, die zu den schwers­ten seit Beginn dieser Attacken auf die Energie­an­la­gen des Landes am 10. Oktober gehör­ten. Die ukrai­ni­sche Luftver­tei­di­gung fing Dutzen­de Raketen ab. Um sich noch besser zu schüt­zen, fordert Kiew aller­dings noch moder­ne­re Flugab­wehr­sys­te­me vom Westen.

Wegen der massi­ven Zerstö­run­gen der Energie-Infra­struk­tur im ganzen Land gibt es vieler­orts Strom­aus­fäl­le, von denen Millio­nen Menschen betrof­fen sind.

Regie­rungs­chef: Ukrai­ne benötigt noch Tausen­de Generatoren

Angesichts der fortwäh­ren­den russi­schen Angrif­fe auf das Energie­netz und die dadurch beding­ten Strom­aus­fäl­le braucht die Ukrai­ne für diesen Winter noch rund 17.000 indus­tri­el­le oder größe­re Strom­ge­ne­ra­to­ren. Diese Zahl nannte Minis­ter­prä­si­dent Denys Schmyhal gestern bei einer Regie­rungs­sit­zung, wie die Staats­agen­tur Unian berichtete.

«Bisher haben kleine und mittle­re Unter­neh­men bereits rund 500.000 kleine­re Genera­to­ren impor­tiert», sagte er. «Aber um durch den Winter zu kommen, brauchen wir noch rund 17.000 größe­re oder indus­tri­el­le Generatoranlagen.»

Neue Russland-Sanktio­nen in Kraft

Das neunte EU-Paket mit Sanktio­nen gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukrai­ne ist in Kraft. Wie aus den gestern Abend im EU-Amtsblatt veröf­fent­li­chen Rechts­tex­ten hervor­geht, belegt die EU weite­re 141 Perso­nen und 49 Einrich­tun­gen mit Vermö­gens­sper­ren und Einrei­se­ver­bo­ten. Unter ihnen sind etwa mehre­re stell­ver­tre­ten­de russi­sche Minis­ter­prä­si­den­ten, Minis­ter sowie Unter­neh­men aus der Rüstungs- und Automobilindustrie.

Selen­skyj begrüß­te die neuen Sanktio­nen gegen Moskau. Dieses Paket sei das neunte, «aber offen­sicht­lich nicht das letzte», sagte er am Abend, wenige Stunden nach dem jüngs­ten russi­schen Raketen­an­griff auf das Energie­netz seines Landes. «Denn es ist offen­sicht­lich, dass der Druck erhöht werden muss.»

Elf Tote durch ukrai­ni­schen Beschuss von Luhansk

Bei einem Artil­le­rie­be­schuss der ukrai­ni­schen Streit­kräf­te auf die russi­sche kontrol­lier­te Region Luhansk im Osten der Ukrai­ne sind nach Angaben der örtli­chen Behör­den mindes­tens elf Menschen ums Leben gekom­men. Weite­re 20 Menschen seien bei dem Angriff auf die Ortschaft Lantra­tow­ka verletzt worden, das Schick­sal von 20 weite­ren Perso­nen sei ungewiss, berich­te­te die russi­sche Staats­agen­tur Tass unter Berufung auf regio­na­le Behörden.

Gestern war auch die benach­bar­te Region Donezk unter ukrai­ni­schen Artil­le­rie­be­schuss geraten. Dabei kam ein Mensch ums Leben, fünf weite­re Perso­nen wurden verletzt.

Die von Moskau unter­stütz­ten abtrün­ni­gen Regio­nen Donezk und Luhansk im Donbass hatten sich vor Jahren für unabhän­gig von Kiew erklärt. Inzwi­schen hat Russland die Regio­nen zusam­men mit den anderen besetz­ten Teilen der Ukrai­ne völker­rechts­wid­rig in sein Staats­ge­biet integriert. Die Ukrai­ne will diese Gebie­te — und die bereits 2014 von Moskau annek­tier­te Schwarz­meer-Halbin­sel Krim — wieder befreien.