KIEW (dpa) — Die Ukrai­ne meldet nach Russlands Raketen­an­grif­fen Erfol­ge bei der Wieder­her­stel­lung der Strom­ver­sor­gung. Trotz­dem sieht Kiew den Westen in der Verant­wor­tung für besse­ren Schutz. Die News im Überblick.

Nach den schwers­ten russi­schen Raketen­an­grif­fen seit Wochen arbei­tet die Ukrai­ne bei Regen und Kälte weiter an der Wieder­her­stel­lung der Strom- und Wasser­ver­sor­gung. Für fast sechs Millio­nen Menschen sei nach den Attacken gegen die Energie­infra­struk­tur die Strom­ver­sor­gung wieder­her­ge­stellt, sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in seiner in Kiew allabend­lich verbrei­te­ten Video­bot­schaft. «Die Repara­tur­ar­bei­ten gehen weiter», sagte Selen­skyj mit Blick auf den «Terror­an­griff» vom Freitag. Russland hatte mehr als 70 Raketen auf das Land abgefeuert.

Selen­skyj forder­te die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft angesichts der schwe­ren Schäden auf, der Ukrai­ne die Mittel für den Schutz ihres Luftraums zu geben. Gemeint ist ein effek­ti­ves Flugab­wehr­sys­tem. «Ihr könnt das tun. Ihr könnt unseren Menschen Schutz geben — 100 Prozent Schutz gegen diese terro­ris­ti­schen russi­schen Schlä­ge», sagte Selen­skyj. Demnach wartet die Ukrai­ne auf letzte Zustim­mun­gen zur Liefe­rung der Waffen. Selen­skyj hofft etwa auf die US-Patri­ot-Flugab­wehr­sys­te­me. So sollen Schäden an der Infra­struk­tur künftig verhin­dert werden.

«Proble­me mit der Heizung, große Proble­me mit der Wasser­ver­sor­gung bleiben weiter bestehen», sagte Selen­skyj. Demnach sind noch immer Millio­nen Menschen von Strom­aus­fäl­len und anderen Einschrän­kun­gen betrof­fen. Am schwie­rigs­ten ist die Situa­ti­on in der Stadt Kiew und in der Region, aber auch in Winnyz­ja und Umgebung und in Lwiw (Lemberg). Auch in anderen Regio­nen wie in Odessa, Polta­wa und Dnipro­pe­trowsk gebe es weiter­hin Stromausfälle.

Wasser­ver­sor­gung in Kiew wiederhergestellt

Die Ukrai­ne hatte am Freitag von mehr als 70 Raketen­an­grif­fen gespro­chen, von denen die meisten durch die Flugab­wehr abgefan­gen worden seien. Durch die Treffer und Schäden fiel erneut in vielen Regio­nen die Strom- und Wasser­ver­sor­gung aus. Unter anderem in der Haupt­stadt Kiew und in der Region Charkiw berich­te­ten die Behör­den von Fortschrit­ten bei der Wieder­her­stel­lung der Versor­gung. Im Kiewer Gebiet hieß es, dass noch 50 Prozent der Haushal­te keinen Strom hätten.

Kiews Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko hatte zuvor mitteilt, die Wasser­ver­sor­gung in der Millio­nen­me­tro­po­le sei wieder­her­ge­stellt. In drei Vierteln der Haushal­te gehe auch die Heizung wieder. Bei der Strom­ver­sor­gung gab es aber weiter Probleme.

Baerbock: Keine Hoffnung auf baldi­ge Waffenruhe

Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) hat keine Hoffnung auf eine baldi­ge Waffen­ru­he in der Ukrai­ne. «Niemand außer (Wladi­mir) Putin hat diesen Krieg begon­nen, und wenn Putin es will, dann ist der Krieg morgen vorbei», sagte sie der «Bild am Sonntag». Der russi­sche Präsi­dent müsse seinen Solda­ten nur den Befehl zum Abzug geben. «Aber leider gibt es dazu alles andere als ehrli­che Anzei­chen.» Sie wandte sich auch gegen eine Waffen­ru­he zu russi­schen Kondi­tio­nen: Eine solche würde den «Schre­cken» für die Menschen in der Ukrai­ne nicht beenden, «im Gegenteil».

Nobel­preis­trä­ge­rin: Kriegs­ver­bre­cher-Tribu­nal kann Leben retten

Die Einrich­tung eines Tribu­nals für russi­sche Kriegs­ver­bre­chen kann nach Einschät­zung der ukrai­ni­schen Friedens­no­bel­preis­trä­ge­rin Olexan­dra Matwijt­schuk bereits kurzfris­tig Einfluss auf das Vorge­hen der russi­schen Armee in ihrem Land haben. «Schon wenn wir die ersten Schrit­te zu einem inter­na­tio­na­len Tribu­nal gehen, sendet das ein Signal an die Täter, dass sie zur Rechen­schaft gezogen werden», sagte die Juris­tin dem «Tages­spie­gel» (Sonntag). «Das kann mögli­cher­wei­se Leben retten.» Gemein­sam mit Partnern und Zeugen habe man 27 000 Fälle von Kriegs­ver­bre­chen dokumen­tiert. «Das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Staats­chef Selen­skyj hatte schon im Septem­ber vor der UN-Vollver­samm­lung für ein Sonder­tri­bu­nal gewor­ben. Matwijt­schuk hatte für das von ihr gelei­te­te «Zentrum für bürger­li­che Freihei­ten» den Friedens­no­bel­preis entgegengenommen.

Wladi­mir Klitsch­ko bei «Ein Herz für Kinder» ausgezeichnet

Wladi­mir Klitsch­ko — Bruder von Kiews Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko — wurde bei der Spenden­ga­la «Ein Herz für Kinder» ausge­zeich­net. Er nahm am Samstag­abend in Berlin das Golde­ne Herz entge­gen, stell­ver­tre­tend für alle Helfe­rin­nen und Helfer der vom Krieg betrof­fe­nen Kinder in der Ukrai­ne. EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen erinner­te in ihrer Lauda­tio an die Menschen in dem Land.

«Wenn es in diesem Moment, wo immer auf dieser Welt, passiert, dass ein Kind geboren wird, dann braucht es neben ganz viel Liebe zwei Dinge. Schutz und Gebor­gen­heit. Für viele Kinder in der Ukrai­ne ist das unerreich­bar», sagte von der Leyen (64) im ZDF. «Das erste Licht ist für viele Neuge­bo­re­ne der Schein einer Taschen­lam­pe, weil der Strom im Kreiß­saal fehlt. Über die Kranken­haus­flu­re kriecht die Kälte. Es mangelt an heißem Wasser. Säuglin­ge kommen unter Raketen­be­schuss zur Welt.»

Unschul­di­ge Kinder, Frauen und Männer seien seit zehn Monaten gefan­gen im Alptraum eines bruta­len russi­schen Angriffs­krie­ges. «Hunder­te Kinder sind bereits in diesem Krieg gestor­ben. Millio­nen erfah­ren täglich Ängste, die kein Kind durch­le­ben sollte.» Manch­mal fielen die russi­schen Bomben auch auf Spiel­plät­ze und Geburts­kli­ni­ken. Die Strom‑, Gas- und Wasser­ver­sor­gung in der Ukrai­ne sei zu großen Teilen zerstört. Zehntau­sen­de Gebäu­de seien unbewohn­bar. Mancher­orts werde das Essen knapp.

Wladi­mir Klitsch­ko bedank­te sich in der Sendung. Er wolle nicht nur denen Danke sagen, die direkt hinter der Front­li­nie die Kinder versorg­ten. Er erwähn­te auch die Menschen im Studio und in Deutsch­land, jeden, der finan­zi­ell unter­stüt­ze oder Flücht­lin­ge aufge­nom­men habe.

Was am Sonntag wichtig wird

Die Kämpfe in der Ostukrai­ne gehen weiter. Die russi­schen Truppen setzen nach Angaben des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums in Moskau ihre Angrif­fe im Gebiet Donezk in der Ostukrai­ne von günsti­ge­ren Positio­nen aus fort. Das ukrai­ni­sche Militär versucht, Durch­brü­che an der Vertei­di­gungs­li­nie zu verhin­dern. Die Behör­den in Kiew ringen nach den jüngs­ten russi­schen Raketen­an­grif­fen weiter um die Versor­gung der Bürger mit Wärme und Strom.