KIEW (dpa) — Während der ukrai­ni­sche Staats­chef vor neuen russi­schen Angrif­fen warnt, bietet der Kreml­chef erneut Verhand­lun­gen an — zu seinen Bedin­gun­gen. Die News im Überblick

Die letzten Tage in diesem Jahr könnten nach den Befürch­tun­gen des ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj neue russi­sche Angrif­fe mit Raketen und Drohnen bringen. Die Bevöl­ke­rung solle sich auf alle Szena­ri­en vorbe­rei­ten. Kreml­chef Wladi­mir Putin sieht Russland unter­des­sen auf einem guten Weg.

Selen­skyj: Auf alle Szena­ri­en vorbereiten

Nur noch wenige Tage bis Jahres­en­de: «Wir müssen uns bewusst sein, dass unser Feind versu­chen wird, diese Zeit für uns dunkel und schwie­rig zu machen», sagte Selen­skyj gestern Abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Russland habe in diesem Jahr alles verlo­ren, was es verlie­ren konnte. «Aber es versucht, seine Verlus­te mit der List seiner Propa­gan­dis­ten, nach den Raketen­an­grif­fen auf unser Land, auf unseren Energie­sek­tor, auszugleichen.»

«Ich weiß, dass die Dunkel­heit uns nicht daran hindern wird, die Besat­zer zu ihren neuen Nieder­la­gen zu führen», sagte Selen­skyj weiter. «Aber wir müssen auf jedes Szena­rio vorbe­rei­tet sein.»

Selen­skyj richte­te schar­fe Worte an die russi­schen Militärs, die am Samstag in Cherson im Süden des Landes mit Artil­le­rie­an­grif­fen mindes­tens 16 Menschen getötet und weite­re 64 verletzt hatten. «Unmen­schen», sagte er. «Wir werden jeden Mörder finden.»

Putin sieht Russland auf richti­gem Weg

Zehn Monate nach Beginn seines Krieges gegen die Ukrai­ne sieht Kreml­chef Putin Russland trotz der wachsen­den Spannun­gen mit dem Westen auf dem richti­gen Kurs. «Ich denke, dass wir uns in die richti­ge Richtung bewegen, wir schüt­zen unsere natio­na­len Inter­es­sen, die Inter­es­sen unserer Bürger, unserer Menschen», sagte der 70-Jähri­ge in einem gestern vom russi­schen Staats­fern­se­hen veröf­fent­lich­ten Kurzinterview.

Darin beton­te der Präsi­dent erneut, dass Russland bereit sei zu Verhand­lun­gen für eine Lösung des Konflikts um die Ukrai­ne. «Wir sind bereit, uns mit allen Betei­lig­ten des Prozes­ses auf irgend­wel­che annehm­ba­ren Lösun­gen zu einigen. Aber das ist deren Sache. Nicht wir lehnen Verhand­lun­gen ab, sondern sie», sagte Putin. Er hatte den Krieg vor zehn Monaten am 24. Febru­ar begonnen.

Selen­sky­js Berater: Putin will sicher nicht verhandeln

Kiew hält nichts von den Worten des Kreml­chefs. «Russland will keine Verhand­lun­gen und versucht, sich der Verant­wor­tung (für den Krieg) zu entzie­hen», twitter­te Selen­sky­js Berater Mycha­j­lo Podol­jak. «Daher ist es offen­sicht­lich, dass wir uns zu einem Tribu­nal bewegen.» Nach den Vorstel­lun­gen Kiews soll sich die politi­sche und militä­ri­sche Führung Russlands wegen des Angriffs­kriegs vor einem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof nach dem Vorbild des Nürnber­ger Tribu­nals verantworten.

«Das Subjekt Putin sollte zur Reali­tät zurück­keh­ren: Russland allein hat die Ukrai­ne angegrif­fen und tötet ihre Bürger», schrieb Podol­jak weiter. Andere «Seiten, Motive oder Geopo­li­tik» gebe es nicht.

Kreml­chef Putin hat in den vergan­ge­nen Tagen mehrfach Verhand­lungs­be­reit­schaft angedeu­tet, ohne jedoch auf die von Kiew gestell­ten Vorbe­din­gun­gen einzu­ge­hen. Während Moskau auf Basis des heuti­gen Front­ver­laufs verhan­deln würde, fordert Kiew zunächst den vollstän­di­gen Abzug der russi­schen Truppen aus der Ukrai­ne, inklu­si­ve der Krim, sowie Reparationszahlungen.

Kiew: Russi­scher Stab bei Offiziers­be­spre­chung getroffen

Die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te haben nach eigener Darstel­lung bei einem Angriff in der Region Cherson im Süden des Landes eine russi­sche Komman­do­stel­le außer Gefecht gesetzt. Der Stab in der Ortschaft Sabary­ne sei während einer Offiziers­be­spre­chung angegrif­fen worden, teilte der General­stab der ukrai­ni­schen Armee gestern in Kiew mit. Dabei seien mindes­tens 70 Solda­ten verwun­det worden, die Zahl der Toten stehe zunächst nicht fest. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhän­gig überprüft werden.

Im Verlauf des Kriegs haben die ukrai­ni­schen Vertei­di­ger wieder­holt russi­sche Komman­do­zen­tra­len und Befehls­stel­len angegrif­fen. Diese waren entwe­der durch Überwa­chung des Funkver­kehrs oder auch des Mobil­funk­net­zes lokali­siert worden. Dabei wurden bereits mehre­re rangho­he russi­sche Offizie­re getötet.

Tote nach Drohnen­an­griff auf Militär­flug­platz in Südrussland

Bei einer Drohnen­at­ta­cke auf den Militär­flug­platz Engels in Südruss­land, Hunder­te Kilome­ter von der ukrai­ni­schen Grenze entfernt, sind nach russi­schen Angaben drei Solda­ten ums Leben gekom­men. «Am 26. Dezem­ber um 1:35 Uhr Moskau­er Zeit hat die russi­sche Flugab­wehr eine ukrai­ni­sche Drohne in gerin­ger Höhe beim Anflug auf den Militär­flug­platz Engels im Gebiet Saratow abgeschos­sen», teilte das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um mit. Durch die herab­fal­len­den Split­ter seien drei Solda­ten getötet worden. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhän­gig überprüft werden.

Medien­be­rich­ten zufol­ge wurden zudem vier Perso­nen verletzt. «Die Flugzeug­tech­nik wurde nicht beschä­digt», beton­te die Militär­füh­rung. In Engels sind strate­gi­sche Bomber statio­niert, mit deren Raketen Russland die Energie-Infra­struk­tur der Ukrai­ne zerstört. Die Stadt an der Wolga liegt mehr als 500 Kilome­ter von der ukrai­ni­schen Grenze entfernt.

Schwe­re Kämpfe um Bachmut dauern an

Die russi­schen Invasi­ons­trup­pen haben ihre Angrif­fe gegen die Front­stadt Bachmut im Osten der Ukrai­ne fortge­setzt. Dabei seien den Angrei­fern «syste­ma­ti­sche schwe­re Verlus­te» zugefügt worden, sagte gestern Serhij Tscher­wat­ko, Sprecher der ukrai­ni­schen Heeres­grup­pe Ost. Allein seit Samstag seien mindes­tens 50 russi­sche Solda­ten getötet und weite­re 80 verwun­det worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhän­gig überprüfen.

Die Stadt Bachmut gilt als sogenann­ter Eckpfei­ler der Front im Osten der Ukrai­ne. Ein Durch­bruch an dieser Stelle würde den russi­schen Truppen ein Vordrin­gen tief ins Hinter­land der ukrai­ni­schen Linien ermög­li­chen. Die Stadt ist inzwi­schen von den Vertei­di­gern zur Festung ausge­baut worden.

«Wagner»-Chef beklagt fehlen­de Kriegs­hil­fe reicher Russen

Der Finan­zier der russi­schen Privat­ar­mee «Wagner», Jewge­ni Prigo­schin, beklag­te in einem Fernseh­in­ter­view ein fehlen­des Engage­ment von Oligar­chen und Reichen in Moskaus Krieg gegen die Ukrai­ne. «Sie haben Angst. Ihnen gefällt der Komfort. Sie wollen alle am Abend in ein warmes Schwimm­be­cken abtau­chen und sich vergnü­gen», sagte der 61-Jähri­ge am Samstag in einem Inter­view mit dem russi­schen staat­li­chen TV-Sender RT.

Er sprach sich dafür aus, diesen russi­schen Lands­leu­ten alles wegzu­neh­men. Dann wären auch sie aus seiner Sicht bereit, sich für die Front einzu­set­zen. Der Putin-Vertrau­te Prigo­schin ist wie viele reiche Russen mit Sanktio­nen des Westens belegt — wegen der Unter­stüt­zung für den Krieg in der Ukraine.