KIEW (dpa) — Das Strom­netz der Ukrai­ne ist immer noch schwer angeschla­gen — und Präsi­dent Selen­skyj und sein Energie­mi­nis­ter befürch­ten weite­re russi­sche Angrif­fe auf die Infra­struk­tur. Die News im Überblick.

In der Ukrai­ne sind infol­ge der russi­schen Angrif­fe auf das Energie­netz immer noch rund neun Millio­nen Menschen ohne Strom­ver­sor­gung. Und in Kiew befürch­tet man schon bald neue Wellen von Marsch­flug­kör­pern und Raketen — mögli­cher­wei­se schon in der Neujahrs­nacht. Derweil wirft der russi­sche Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow der Ukrai­ne vor, die Nato tiefer in den Krieg hinein­zie­hen zu wollen.

Selen­skyj: Immer noch Defizi­te in der Stromversorgung

Trotz fieber­haf­ter Repara­tur­ar­bei­ten an dem schwer beschä­dig­ten Energie­netz sind in der Ukrai­ne noch immer rund neun Millio­nen Menschen ohne Strom­ver­sor­gung. «Aber die Anzahl und Dauer der Strom­aus­fäl­le nimmt stetig ab», sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj gestern Abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Es gebe aber noch viele Defizi­te in der Stromversorgung.

Zugleich warnte Selen­skyj vor mögli­chen neuen russi­schen Angrif­fen auf das Energie­netz. «Die Luftab­wehr berei­tet sich vor, der Staat berei­tet sich vor, und alle müssen sich vorbe­rei­ten», sagte er. Das russi­sche Militär greift das ukrai­ni­sche Energie­netz seit Wochen immer wieder mit Marsch­flug­kör­pern, Raketen und sogenann­ten Kamika­ze­droh­nen an. Ziel ist, die Bevöl­ke­rung mitten im Winter mit dem Ausfall der Strom- und Wasser­ver­sor­gung unter Druck zu setzen.

Der ukrai­ni­sche Energie­mi­nis­ter Herman Galuscht­schen­ko befürch­tet einen russi­schen Großan­griff mit Raketen und Marsch­flug­kör­pern in der Neujahrs­nacht. «Die Russen haben sich von Angrif­fen gegen unser Energie­netz nicht losge­sagt», sagte er gestern Abend im ukrai­ni­schen Fernse­hen. «Und da sie sich an bestimm­ten Daten orien­tie­ren, dürfte Neujahr eines dieser Daten sein, an denen sie versu­chen werden, unser Energie­netz zu beschädigen.»

Kämpfe um ostukrai­ni­sche Stadt Bachmut dauern an

Russi­sche Invasi­ons­trup­pen und ukrai­ni­sche Vertei­di­ger setzten die Gefech­te um die Front­stadt Bachmut im Osten der Ukrai­ne fort. Dabei seien erneut mehre­re Vorstö­ße russi­scher Einhei­ten abgeschla­gen worden, teilte der General­stab in Kiew mit.

Die Stadt Bachmut gilt als sogenann­ter Eckpfei­ler der Front im Osten der Ukrai­ne. Ein Durch­bruch an dieser Stelle würde den russi­schen Truppen ein Vordrin­gen tief ins Hinter­land der ukrai­ni­schen Linien ermög­li­chen. Die Stadt ist inzwi­schen von den Vertei­di­gern zur Festung ausge­baut worden.

Ukrai­ni­sche Artil­le­rie traf gestern eine Ansamm­lung russi­scher Truppen in der Ortschaft Polowin­ki­no in der Region Luhansk im Osten des Landes. Dabei seien rund 150 Solda­ten getötet oder verwun­det worden, hieß es. Ein ähnli­cher Artil­le­rie­an­griff auf russi­sche Truppen in der Region Cherson im Süden der Ukrai­ne habe rund 50 Solda­ten getötet und weite­re 100 verwun­det, teilte der General­stab in Kiew mit. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhän­gig prüfen.

Kiew will an UN-Mitglied­schaft Moskaus rütteln

Das ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­te­ri­um starte­te nach eigener Darstel­lung eine Initia­ti­ve, mit der die Legiti­mi­tät der Mitglied­schaft Russlands in den Verein­ten Natio­nen und allen Gremi­en infra­ge gestellt wird. Nach Auffas­sung des Außen­am­tes in Kiew sei der Sitz Moskaus weder in den UN noch im Weltsi­cher­heits­rat auf Grund­la­ge inter­na­tio­na­len Rechts geregelt, zitier­te die «Ukrajins­ka Prawda» gestern aus einem Schrei­ben der Behör­de. Russland betrach­te sich «fälsch­li­cher­wei­se» seit Dezem­ber 1991 als UN-Mitglied.

Nach Dafür­hal­ten Kiews erschei­ne der Name «Russi­sche Födera­ti­on» nicht in der UN-Charta, zudem habe das Land nicht die notwen­di­ge Aufnah­me­pro­ze­dur durch­lau­fen, wie etwa Tsche­chi­en und die Slowa­kei nach dem Zerfall der Tsche­cho­slo­wa­kei. Auch die ehema­li­gen Republi­ken Jugosla­wi­ens mussten sich nach dem Zerfall des Vielvöl­ker­staats neu um UN-Mitglied­schaft bewer­ben. Russland betrach­tet sich als legiti­mer Nachfol­ger der Sowjet­uni­on, die Gründungs­mit­glied der Verein­ten Natio­nen war.

Lawrow: Ukrai­ne will Nato tiefer in Konflikt hineinziehen

Der russi­sche Außen­mi­nis­ter Lawrow sagte der Staats­agen­tur Tass in einem in der Nacht veröf­fent­lich­ten Inter­view: «Das (Kiewer) Regime versucht in seinem Namen, die Ameri­ka­ner und andere Nato-Mitglie­der tiefer in den Strudel des Konflikts zu ziehen, in der Hoffnung, einen überstürz­ten Zusam­men­stoß mit der russi­schen Armee unver­meid­lich zu machen.»

Zudem kriti­sier­te er den Kurs des Westens. Dieser speku­lie­re ständig, dass Russland kurz davor stehe, Atomwaf­fen gegen die Ukrai­ne einzu­set­zen. «Wir sprechen hier über ganz andere Angele­gen­hei­ten — der politi­sche Kurs des Westens, der auf die totale Zurück­hal­tung Russlands abzielt, ist extrem gefähr­lich. Er birgt Risiken eines direk­ten bewaff­ne­ten Zusam­men­sto­ßes der Atommäch­te», behaup­te­te Lawrow.

Mehr als 2,2 Milli­ar­den Euro deutsche Rüstungsexporte

Die Bundes­re­gie­rung geneh­mig­te in diesem Jahr Rüstungs­expor­te für mindes­tens 8,35 Milli­ar­den Euro. Das ist bereits jetzt der zweit­höchs­te Wert in der Geschich­te der Bundes­re­pu­blik. Nur im vergan­ge­nen Jahr war die Zahl mit 9,35 Milli­ar­den Euro noch höher.

Mehr als ein Viertel der vom 1. Januar bis 22. Dezem­ber gelie­fer­ten Waffen und militä­ri­schen Ausrüs­tung ging in die Ukrai­ne. Das geht aus einer Antwort des Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums auf eine Anfra­ge der Linken-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten Sevim Dagde­len hervor. Das Schrei­ben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Seit Kriegs­be­ginn wurden für die Ukrai­ne Rüstungs­lie­fe­run­gen im Wert von 2,24 Milli­ar­den Euro genehmigt.

Was heute wichtig werden kann

Die Rada, das Parla­ment der Ukrai­ne, erwar­tet noch in dieser Woche die jährli­che Anspra­che Selen­sky­js vor den Abgeord­ne­ten. Der genaue Termin wird aus Sicher­heits­grün­den nicht genannt.