KIEW (dpa) — «Umarmen Sie Ihre Familie öfter» — eine ungewöhn­li­che Botschaft von Präsi­dent Selen­skyj zu Kriegs­zei­ten. In der Reali­tät des Kriegs fliegen erneut Drohnen auf Ziele in der Ukrai­ne. Die aktuel­len Entwicklungen.

In einer ungewöhn­lich unpoli­ti­schen Video­bot­schaft hat der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj an Mensch­lich­keit und Mitge­fühl seiner Bürger appel­liert. Von russi­scher Seite wurden am Mittwoch­abend mehre­re Wellen von sogenann­ten Kamika­ze-Drohnen auf verschie­de­ne Ziele in der Ukrai­ne gestartet.

Selen­skyj-Appell an Menschlichkeit

«Egal, was passiert und was Euch beschäf­tigt, unter­stützt Euch gegen­sei­tig, unbedingt», bat Selen­skyj am Mittwoch­abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. «Bitte nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Nächs­ten freund­li­che Worte zu sagen.» Er rief die Ukrai­ner auf, sich in Notla­gen gegen­sei­tig zu helfen. «Wenn Sie wissen, dass jemand einen Sohn oder eine Tochter aus dem Krieg erwar­tet, passen Sie bitte auf: Sagen Sie Hallo, hören Sie zu, helfen Sie», sagte der ukrai­ni­sche Staats­chef. «Umarmen Sie Ihre Familie öfter.» Auch nette Worte zu Kolle­gen oder Freun­den seien angebracht. Wichtig sei auch, den Kontakt zu Freun­den und Angehö­ri­gen nicht zu verlieren.

Ein wenig politisch wurde Selen­skyj am Ende seiner Anspra­che dann doch: «Beschüt­zen Sie die Ukrai­ne, schät­zen Sie einan­der und tun Sie alles, um unseren Solda­ten zu helfen.»

Neue Drohnen­an­grif­fe im Süden und Osten der Ukraine

Russi­sche Militärs starte­ten nach ukrai­ni­schen Angaben am Mittwoch­abend eine neue Angriffs­wel­le mit sogenann­ten Kamika­ze-Drohnen gegen die Ukrai­ne. Die Drohnen seien gegen verschie­de­ne Ziele im Süden und Osten des Landes gerich­tet, teilte die Befehls­stel­le der ukrai­ni­schen Luftab­wehr Süd auf Facebook mit. In der Region Dnipro seien fünf Drohnen abgeschos­sen worden.

Der Einflug von Drohnen in mehre­ren Gruppen wurde auch aus der Region Donezk, aus Saporischschja und aus Charkiw gemel­det. Beobach­ter berich­te­ten zudem über Flüge in Richtung Odessa. Nach Berich­ten der Agentur Unian wurden zahlrei­che unbemann­te Flugge­rä­te abgeschos­sen. Zuletzt hatte das russi­sche Militär die sogenann­ten Kamika­ze-Drohnen aus irani­scher Produk­ti­on gegen die energe­ti­sche Infra­struk­tur der Ukrai­ne einge­setzt. Dabei wurde die Versor­gung mit Wasser und Strom landes­weit schwer in Mitlei­den­schaft gezogen.

Lawrow erwar­tet Unter­bre­chung von Nachschub für Kiew

Der russi­sche Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow erwar­tet nach eigenem Bekun­den eine baldi­ge Unter­bre­chung der Nachschub­we­ge für Waffen und Muniti­on für die ukrai­ni­sche Armee aus dem Ausland. «Wir beobach­ten, dass die Ukrai­ne immer mehr und immer besse­re westli­che Waffen erhält», sagte Lawrow im russi­schen Fernse­hen. Daher gebe es unter Militär­ex­per­ten Forde­run­gen, diese Liefer­we­ge zu unter­bre­chen. Dabei werde an «Eisen­bahn­stre­cken, Brücken und Tunnel» gedacht, sagte Lawrow. «Ich gehe davon aus, dass sie profes­sio­nel­le Entschei­dun­gen darüber treffen, wie man diese Liefe­run­gen erschwert oder im Ideal­fall ganz stoppt.»

Zum Teil werde ja schon mit Angrif­fen gegen die ukrai­ni­sche Infra­struk­tur daran gearbei­tet. Mit einer Unter­bre­chung des Energie­net­zes werde die Liefe­rung neuer Waffen bereits erschwert. Die Ukrai­ne vertei­digt sich seit mehr als zehn Monaten gegen einen russi­schen Angriffskrieg.

Merz will Liefe­rung von Panzern an Ukraine

Unions­frak­ti­ons­chef Fried­rich Merz pocht auf die Liefe­rung moder­ner Kampf­pan­zer vom Typ Leopard II an die Ukrai­ne. «Eine Unter­stüt­zung der Ukrai­ne mit Schüt­zen­pan­zern und Kampf­pan­zern würde diesen Krieg nicht verlän­gern, sondern verkür­zen», sagte der CDU-Vorsit­zen­de der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Deutsch­land und andere europäi­sche Länder hätten der Ukrai­ne längst Schüt­zen­pan­zer und auch Kampf­pan­zer westli­cher Bauart liefern sollen.»

Ukrai­ni­scher Botschaf­ter: «Der Frieden fällt nicht vom Himmel»

Der ukrai­ni­sche Botschaf­ter in Deutsch­land, Oleksii Makeiev, bekräf­tig­te Forde­run­gen seines Landes nach weite­rer Unter­stüt­zung im Krieg gegen Russland. «Der Frieden fällt nicht vom Himmel. Er muss erkämpft werden. Und das machen wir Ukrai­ner stell­ver­tre­tend für alle Europä­er», sagte Makeiev den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Donners­tag). Die Ukrai­ner wünsch­ten sich «mehr Mut und Entschlos­sen­heit von unseren Alliier­ten und Partnern».

Als Ziele für das Jahr 2023 nannte Makeiev die «komplet­te Befrei­ung unseres Landes von russi­schen Okkupan­ten, die Wieder­her­stel­lung der Souve­rä­ni­tät und der terri­to­ria­len Integri­tät der Ukrai­ne, die Rückkehr unserer Lands­leu­te nach Hause, der Wieder­auf­bau unseres Landes und weite­re Fortschrit­te bei der Integra­ti­on in EU und Nato».

Habeck: Russland steuert auf Nieder­la­ge in der Ukrai­ne zu

Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck sieht Russland auf dem Weg zur militä­ri­schen Nieder­la­ge. «Niemand hätte gedacht, dass das Jahr 2022 so endet», sagte der Grünen- Politi­ker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Putin verliert diesen Krieg auf dem Schlacht­feld», sagte er. Das liege daran, dass die ukrai­ni­sche Armee Waffen von Europa, den Nato-Ländern und den USA bekommt und sie diese Waffen «geschickt und strate­gisch, klug und helden­haft» einset­ze. «Ich bin dafür, dass Deutsch­land zusam­men mit den Alliier­ten die Ukrai­ne so unter­stützt, dass sie diesen Krieg gewin­nen kann.»

Was am Donners­tag wichtig werden kann

In der Ukrai­ne geht der erbit­ter­te Kampf um die Front­stadt Bachmut im Osten des Landes weiter.