KIEW/MOSKAU (dpa) — Für 36 Stunden sollen ab diesem Mittag die russi­schen Waffen in der Ukrai­ne schwei­gen — so hat Kreml­chef Putin es befoh­len. Doch es gibt massi­ve Zweifel. Die aktuel­len Entwicklungen.

Um 10.00 Uhr MEZ an diesem Freitag­mit­tag soll eine andert­halb­tä­gi­ge und einsei­ti­ge Waffen­ru­he der russi­schen Armee begin­nen, die Kreml­chef Wladi­mir Putin angesichts des ortho­do­xen Weihnachts­fests angeord­net hat.

Es wäre erstmals seit Kriegs­be­ginn Ende Febru­ar eine Feuer­pau­se entlang der gesam­ten Front­li­nie — falls sie wirklich einge­hal­ten wird. Das jedoch ist äußerst fraglich. In Kiew ist von «Heuche­lei» und «Propa­gan­da» die Rede, auch die Bundes­re­gie­rung und andere westli­che Politi­ker reagier­ten zurückhaltend.

Nach monate­lan­gem Zögern hat die Bundes­re­gie­rung sich unter­des­sen — ebenso wie die USA — erstmals zur Liefe­rung von Schüt­zen­pan­zern an die angegrif­fe­ne Ukrai­ne entschie­den. Kiew reagiert dankbar, hofft aber zugleich auf noch mehr Hilfe im Kampf gegen die russi­sche Aggression.

Putin begrün­det Waffen­ru­he-Plan mit ortho­do­xem Weihnachtsfest

In Putins Dekret heißt es: «Unter Berück­sich­ti­gung des Aufrufs von Patri­arch Kirill beauf­tra­ge ich das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um vom 6. Januar 12.00 Uhr mittags (10.00 Uhr MEZ) bis 7. Januar 24.00 Uhr (22.00 Uhr MEZ) eine Feuer­pau­se entlang der gesam­ten Linie der bewaff­ne­ten Ausein­an­der­set­zung in der Ukrai­ne in Kraft zu setzen.» Zuvor hatte Kirill, das einfluss­rei­che Oberhaupt der russisch-ortho­do­xen Kirche, zu einer Waffen­ru­he in der Ukrai­ne über Weihnach­ten aufge­ru­fen. Die ortho­do­xen Kirchen in Russland und in der Ukrai­ne feiern die Geburt Jesu Chris­ti tradi­tio­nell nach dem julia­ni­schen Kalen­der am 7. Januar.

Ukrai­ne bezeich­ne­te angekün­dig­te Feuer­pau­se als «Heuche­lei»

Die Führung in Kiew bezeich­ne­te die Feuer­pau­se als «Heuche­lei». Der Berater im ukrai­ni­schen Präsi­den­ten­bü­ro, Mycha­j­lo Podol­jak, schrieb auf Twitter: «Russland muss die besetz­ten Gebie­te verlas­sen — nur dann wird es eine «zeitwei­li­ge Waffen­ru­he» geben.» Im Gegen­satz zum russi­schen Gegner greife die Ukrai­ne kein fremdes Terri­to­ri­um an und töte keine Zivilis­ten. Beobach­ter in Kiew gingen davon aus, dass die Feuer­pau­se den Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­nern zwar mögli­cher­wei­se Angrif­fe mit Raketen und Drohnen über die Weihnachts­ta­ge erspa­ren könnte. An den Fronten im Osten und Süden des angegrif­fe­nen Landes hinge­gen werde sich die Lage hinge­gen wohl kaum verändern.

Auch EU-Ratschef Charles Michel warf Russland heuch­le­ri­sches Verhal­ten vor. «Ein Rückzug der russi­schen Truppen ist die einzi­ge ernst­haf­te Option, um Frieden und Sicher­heit wieder­her­zu­stel­len, schrieb er auf Twitter.

Besat­zungs­chef: Werden ukrai­ni­sche Angrif­fe erwidern

Ein Besat­zungs­chef erklär­te darüber hinaus bereits, russi­sche Truppen würden ungeach­tet von Putins Befehl auch weiter­hin ukrai­ni­sche Angrif­fe erwidern. «Die Entschei­dung betrifft die Einstel­lung des initia­ti­ven Feuers und der Angriffs­hand­lun­gen von unserer Seite», schrieb der von Moskau im ostukrai­ni­schen Gebiet Donezk einge­setz­te Denis Puschi­lin im Nachrich­ten­dienst Telegram.

Puschi­lin fügte hinzu: «Das bedeu­tet nicht, dass wir nicht auf Provo­ka­tio­nen des Gegners antwor­ten werden! Oder dem Feind auch nur irgend­ei­ne Chance geben werden, während dieser Feier­tags­stun­den seine Positio­nen an der Front­li­nie zu verbessern.»

Deutsch­land liefert Marder-Panzer und Patri­ot-System an Ukraine

Deutsch­land und die USA liefern der Ukrai­ne nun erstmals Schüt­zen­pan­zer für den Kampf gegen die russi­schen Angrei­fer. Die Bundes­re­gie­rung stellt der Ukrai­ne zudem ein Patri­ot-Flugab­wehr­sys­tem zur Verfü­gung. Das verein­bar­ten Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsi­dent Joe Biden in einem Telefo­nat, wie es anschlie­ßend in einer gemein­sa­men Erklä­rung hieß.

Deutsch­land will den ukrai­ni­schen Streit­kräf­ten mehre­re Dutzend Exempla­re des Schüt­zen­pan­zers Marder liefern, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundes­wehr entwi­ckelt wurde. Die USA schicken Panzer vom Typ Bradley. Beide Länder werden auch ukrai­ni­sche Streit­kräf­te an den Panzern ausbilden.

Selen­skyj dankt für neue Militärhilfe

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj dankte Scholz und Biden für die angekün­dig­ten Waffen­lie­fe­run­gen. «Wir werden noch ein Patri­ot-System und mächti­ge Panzer­tech­nik bekom­men, das ist wirklich ein großer Sieg für unseren Staat», sagte Selen­skyj in seiner Video­an­spra­che in der Nacht zum Freitag. Zugleich erklär­te er, im ständi­gen Austausch mit auslän­di­schen Staats- und Regie­rungs­chefs zu sein, um weite­re Militär­hil­fen zu erhalten.