KIEW (dpa) — Angeb­lich hat die berüch­tig­te Söldner­grup­pe Wagner die schwer umkämpf­te Stadt Soledar in der Ostukrai­ne überrannt. Kiew schweigt dazu; ukrai­ni­sche Militär­be­ob­ach­ter sind skeptisch. Die News im Überblick.

Nach tagelan­gen schwe­ren Kämpfen um die ostukrai­ni­sche Stadt Soledar haben Angehö­ri­ge der berüch­tig­ten russi­schen Söldner­trup­pe Wagner die Erobe­rung des Ortes verkün­det. Wagner-Chef Jewge­ni Prigo­schin behaup­te­te gestern Abend nach Angaben der russi­schen Staats­agen­tur Tass, dass Soledar erobert sei. Im Zentrum des Ortes sei noch eine Gruppe ukrai­ni­scher Solda­ten eingekesselt.

Ukrai­ni­sche Militär­be­ob­ach­ter bezeich­ne­ten die Äußerung als «billi­ge Propa­gan­da». Die ukrai­ni­schen Einhei­ten hätten sich auf neue Positio­nen zurück­ge­zo­gen und von einer Einschlie­ßung könne keine Rede sein. Eine offizi­el­le Erklä­rung der ukrai­ni­schen Führung blieb zunächst aus. Auch das russi­sche Militär gab dazu keine offizi­el­le Erklä­rung ab.

Teil des ukrai­ni­schen Verteidigungswalls

Rund zehnein­halb Monate nach dem russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne sind die Kämpfe im Gebiet Donezk derzeit beson­ders heftig. Die Städte Soledar und Bachmut sind dabei von strate­gi­scher Bedeu­tung: Sie sind Teil des ukrai­ni­schen Vertei­di­gungs­walls vor dem Ballungs­raum zwischen Slowjansk und Krama­torsk. Die Einnah­me des Gebiets wäre aus russi­scher Sicht ein bedeu­ten­der Schritt hin zur Erobe­rung des gesam­ten Donbass — eines der Kriegs­zie­le des Kremls.

Neben regulä­ren russi­schen Truppen kämpfen bei Soledar auch verschie­de­ne Söldner-Einhei­ten, darun­ter auch die berüch­tig­te Wagner­grup­pe. «Die Zahl der Kriegs­ge­fan­ge­nen wird morgen mitge­teilt», wurde Prigo­schin auf einem der Wagner-Kanäle auf Telegram zitiert. Dort hieß es zudem, den einge­kes­sel­ten ukrai­ni­schen Solda­ten sei ein Ultima­tum zur Kapitu­la­ti­on bis Mitter­nacht gestellt worden. Die Angaben konnten nicht unabhän­gig geprüft werden.

Von ukrai­ni­scher Seite gab es dazu keinen Kommen­tar. Kurz zuvor hatte Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in seiner tägli­chen Video­bot­schaft die Vertei­di­ger von Soledar für ihren Mut und ihre Stand­haf­tig­keit gelobt. «Danke, Krieger!», sagte Selenskyj.

Am frühen Abend hatte die ukrai­ni­sche Vize-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Hanna Maljar von hefti­gen Sturm­an­grif­fen russi­scher Truppen berich­tet. «Die schwe­ren Kämpfe zur Vertei­di­gung von Soledar dauern an», teilte sie auf Telegram mit. «Ohne Rücksicht auf seine Verlus­te greift der Feind weiter­hin an.» Das Vorfeld der ukrai­ni­schen Vertei­di­gungs­li­ni­en sei «mit Leichen der Angrei­fer übersät».

Noch über 500 Zivilis­ten in Soledar

In Soledar halten sich aktuell noch über 500 Zivilis­ten auf, wie der ukrai­ni­sche Militär­ver­wal­ter der Region Donezk, Pawlo Kirilen­ko, gestern Abend mitteil­te. «Einige von ihnen würden die Stadt gerne sofort verlas­sen, das ist wegen der inten­si­ven Kampf­hand­lun­gen zur Zeit nicht möglich», sagte er im Fernse­hen. «Solan­ge es keinen siche­ren Weg aus der Stadt gibt, gibt es keine Evakuierung.»

Selen­skyj bürgert prorus­si­sche Parla­ments­ab­ge­ord­ne­te aus

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj bürger­te vier prorus­si­sche Parla­ments­ab­ge­ord­ne­te aus. «Wenn Volks­ver­tre­ter beschlie­ßen, nicht dem ukrai­ni­schen Volk zu dienen, sondern den Mördern, die in die Ukrai­ne gekom­men sind, dann werden unsere Schrit­te angemes­sen sein», sagte der 44-Jähri­ge gestern in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Die Ausbür­ge­rung sei gemäß der Verfas­sung auf Basis von Infor­ma­tio­nen des Geheim­diens­tes SBU und des Migra­ti­ons­diens­tes getrof­fen worden, sagte Selen­skyj. «Unsere Diens­te funktionieren.»

Der ukrai­ni­sche Pass wurde dabei dem Abgeord­ne­ten Viktor Medwet­schuk entzo­gen, der im Septem­ber im Rahmen eines Gefan­ge­nen­aus­tau­sches nach Russland gelang­te. Die anderen drei Betrof­fe­nen werden ebenfalls im Nachbar­staat vermu­tet. Alle vier vertra­ten die nach dem russi­schen Einmarsch vom Febru­ar 2022 verbo­te­ne Partei «Opposi­ti­ons­platt­form — Für das Leben». Bei allen vier Parla­ments­ab­ge­ord­ne­ten wird eine vorhan­de­ne russi­sche Staats­bür­ger­schaft vermu­tet. Ausbür­ge­run­gen von politisch unlieb­sa­men Perso­nen waren unter Selen­sky­js Vorgän­ger Petro Poroschen­ko und in der Sowjet­uni­on ein gängi­ges Mittel.

Penta­gon: Ausbil­dung von Ukrai­nern an US-Panzern in Grafenwöhr

Die Ausbil­dung ukrai­ni­scher Solda­ten an den von den USA angekün­dig­ten Bradley-Schüt­zen­pan­zern soll auf dem Truppen­übungs­platz im bayeri­schen Grafen­wöhr erfol­gen. Das bestä­tig­te gestern Penta­gon-Sprecher Pat Ryder. Die USA hatten vergan­ge­ne Woche angekün­digt, im Zuge der jüngs­ten Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne auch 50 Bradleys bereit­stel­len zu wollen.

Die Panzer sollen in den kommen­den Wochen in der Ukrai­ne ankom­men, sagte Ryder. Zuvor hatte das Penta­gon bereits mitge­teilt, dass rund 100 ukrai­ni­sche Solda­ten ab kommen­der Woche auf einer Militär­ba­sis in Oklaho­ma am Patri­ot-Flugab­wehr­sys­tem ausge­bil­det werden sollen.

Ukrai­ne berei­tet sich auf mögli­chen neuen Angriff auf Kiew vor

Das ukrai­ni­sche Militär berei­tet sich auf einen neuen Angriff russi­scher Boden­trup­pen aus Belarus in Richtung der Haupt­stadt Kiew vor. Dazu seien bereits Abwehr­stel­lun­gen im Norden des Landes vorbe­rei­tet oder verstärkt worden, teilte gestern der für die Vertei­di­gung Kiews zustän­di­ge General­leut­nant Olexij Pawljuk mit.

Um schnel­le Panzer­vor­stö­ße russi­scher Einhei­ten zu verhin­dern, seien an allen für Panzer zugäng­li­chen Stellen größe­re Minen­fel­der angelegt worden.

Was heute wichtig wird

Mögli­cher­wei­se äußert sich die ukrai­ni­sche Militär­füh­rung mit Details zur Lage in Soledar.