KIEW (dpa) — Ungeach­tet der derzeit hefti­gen Kämpfe verliert Kiew das Ziel EU-Beitritt nicht aus dem Blick. Von einem bevor­ste­hen­den Gipfel erhofft Präsi­dent Selen­skyj sich konkre­te­re Perspek­ti­ven. Der Überblick.

Inmit­ten der nun seit fast einem Jahr andau­ern­den russi­schen Invasi­on will der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj den geplan­ten EU-Beitritt seines Landes weiter voran­trei­ben. Von einem EU-Ukrai­ne-Gipfel Ende dieser Woche erwar­te Kiew sich «Neuig­kei­ten», sagte Selen­skyj in seiner abend­li­chen Videoansprache.

Frank­reich kündigt unter­des­sen die Liefe­rung weite­rer Haubit­zen an. Und Moskau räumte mit Blick auf die vieler­orts chaoti­sche Mobili­sie­rung von Rekru­ten im vergan­ge­nen Herbst die rechts­wid­ri­ge Einbe­ru­fung Tausen­der Männer ein. Deutsch­lands Vizekanz­ler spricht sich gegen die Liefe­rung von Kampf­jets an Kiew aus.

Selen­skyj: Erwar­ten Entschei­dun­gen unserer EU-Partner

«Wir erwar­ten Entschei­dun­gen unserer Partner in der Europäi­schen Union, die (…) unserem Fortschritt entspre­chen. Fortschritt, der offen­sicht­lich da ist — und das sogar trotz des großflä­chi­gen Kriegs», sagte Selen­skyj. Er bekräf­tig­te, dass in Kiew an Refor­men gearbei­tet werde.

Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin hatte am 24. Febru­ar 2022 den Einmarsch ins Nachbar­land angeord­net. Der Krieg hat bei vielen Ukrai­nern den Wunsch nach einer baldi­gen Aufnah­me in die EU noch einmal verstärkt. Seit Juni ist das Land EU-Beitritts­kan­di­dat. Verbun­den damit sind aller­dings Aufla­gen unter anderem bei der Korruptionsbekämpfung.

Habeck spricht sich gegen Kampf­jets für die Ukrai­ne aus

Der deutsche Vizekanz­ler Robert Habeck (Grüne) hat sich gegen die Liefe­rung von Kampf­jets an die Ukrai­ne ausge­spro­chen. In der ZDF-Sendung «Markus Lanz» sprach Habeck von einem «Balan­ce­akt» zwischen der «maxima­len Unter­stüt­zung» der Ukrai­ne, ohne dass Deutsch­land dabei selbst Kriegs­par­tei werde. «Und das ist natür­lich nicht ganz klar, wo dort die Linie verläuft.»

Nach dem, was er wisse, brauche die Ukrai­ne für die moder­nen, westli­chen Kampf­jets die Wartung des Westens, der damit «wahrschein­lich» dann einen Schritt zu weit gehen könnte, meinte Habeck. Es sei richtig, der Ukrai­ne Kampf­pan­zer zu liefern. «Aber zwischen den Kriegs­pan­zern und Kampf­jets ist ein Unterschied.»

Frank­reich liefert zwölf weite­re Caesar-Haubitzen

Frank­reich liefert zwölf weite­re Caesar-Haubit­zen an die Ukrai­ne. Das hat Frank­reichs Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Sébas­tien Lecor­nu bei einem Besuch seines ukrai­ni­schen Amtskol­le­gen Oleksij Resni­kow in Paris angekün­digt. Frank­reich habe der Ukrai­ne bereits 18 dieser Haubit­zen gelie­fert und habe nun mehre­re Dutzend Millio­nen Euro zur Wartung der Kanonen freige­macht, sagte Lecor­nu. Außer­dem soll die Ukrai­ne von Frank­reich ein Luftüber­wa­chungs­ra­dar vom Typ GM 200 erhal­ten sowie Treibstofflieferungen.

Griechen­land liefert keine Leopard-Panzer

Griechen­land wird wegen der Spannun­gen mit der Türkei keine Leopard-Panzer an die Ukrai­ne liefern. Dies teilte der griechi­sche Regie­rungs­chef Kyria­kos Mitso­ta­kis während eines Besuches in Japan mit. «Wir werden Leopard‑2 aus dem einfa­chen Grund nicht geben, weil sie für unsere Vertei­di­gungs­stra­te­gie absolut notwen­dig sind», so Mitso­ta­kis. Die Bezie­hun­gen zwischen Griechen­land und der Türkei gehen wegen eines Disputs um Hoheits­rech­te im östli­chen Mittel­meer zurzeit durch eine sehr angespann­te Phase.

Moskau räumt ein: Tausen­de Männer fälsch­li­cher­wei­se mobilisiert

Russland hat einge­räumt, seit dem vergan­ge­nen Herbst mehre­re Tausend Männer zu Unrecht für den Krieg gegen die Ukrai­ne in die Armee einge­zo­gen zu haben. «Mehr als 9000 Bürger, die unrecht­mä­ßig mobili­siert wurden, wurden zurück nach Hause gebracht — darun­ter auch dieje­ni­gen, die aus gesund­heit­li­chen Gründen auf keinen Fall hätten einbe­ru­fen werden dürfen», sagte General­staats­an­walt Igor Krasnow bei einem Treffen mit Putin.

Kriti­sche Beobach­ter gehen aller­dings davon aus, dass bei der im vergan­ge­nen Septem­ber von Putin angeord­ne­ten Mobil­ma­chung noch deutlich mehr Menschen geset­zes­wid­rig rekru­tiert wurden — und mögli­cher­wei­se nie zurück­kehr­ten. Insbe­son­de­re in den ersten Wochen wurden vieler­orts chaoti­sche Zustän­de in den Kreis­wehr­ersatz­äm­tern geschil­dert. Diese hatten landes­weit insge­samt 300 000 Männer für die Front einzogen.

Ukrai­ne: Gut 13.000 Menschen an Ausrei­se gehindert

Der ukrai­ni­sche Grenz­schutz hat seit dem russi­schen Einmarsch im vergan­ge­nen Jahr eigenen Angaben zufol­ge mehr als 13 000 Menschen am Verlas­sen des Landes gehin­dert. «Insge­samt wurden seit dem 24. Febru­ar an der grünen Grenze mehr als 9100 Perso­nen festge­nom­men», sagte der Sprecher der Behör­de, Andrij Demtschen­ko. Der größte Teil von ihnen sei an Grenz­ab­schnit­ten zu Rumäni­en und Moldau aufge­grif­fen worden. Im Rahmen der allge­mei­nen Mobil­ma­chung wurde zu Kriegs­be­ginn für wehrpflich­ti­ge Ukrai­ner im Alter zwischen 18 und 60 Jahren ein Ausrei­se­ver­bot mit wenigen Ausnah­men verhängt.

Was am Mittwoch wichtig wird

Mit einem Besuch bei der Bundes­wehr in August­dorf in Nordrhein-Westfa­len infor­miert sich Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pisto­ri­us am Mittwoch über den Kampf­pan­zer Leopard 2. Nach der Entschei­dung der Bundes­re­gie­rung zur Liefe­rung von 14 Leopard 2A6 an die Ukrai­ne soll dem SPD-Politi­ker dort die Leistungs­fä­hig­keit des Waffen­sys­tems gezeigt werden.