MOSKAU/KIEW (dpa) — Mitten in seinem Krieg gegen die Ukrai­ne will Kreml­chef Putin nun an die Schlacht von Stalin­grad vor 80 Jahren erinnern. In Kiew fordert Präsi­dent Selen­skyj Hilfe vom Westen. Die News im Überblick.

Nach einem schwe­ren Raketen­ein­schlag in einem Wohnhaus in der Ukrai­ne will Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin einen Sieg aus der Zeit des Zweiten Weltkrie­ges feiern.

Während die Ukrai­ne um die Toten des Raketen­ter­rors in Krama­torsk trauert, erinnert Putin an den 80. Jahres­tag des Sieges der Roten Armee in der Schlacht von Stalin­grad gegen die Wehrmacht. Dazu reist der 70-Jähri­ge in die Stadt Wolgo­grad, die wegen des Jubilä­ums aktuell laut Ortsschil­dern kurzzei­tig wieder Stalin­grad heißt. In der Ukrai­ne gingen indes die Bergungs­ar­bei­ten nach dem Raketen­ein­schlag in Krama­torsk weiter. Bis zum Donners­tag­mor­gen wurden drei Tote aus den Trümmern gebor­gen. Die Zahl der Verletz­ten stieg auf 21.

Putin dürfte unbeein­druckt von der Gewalt und der Zerstö­rung durch seinen Krieg gegen die Ukrai­ne einmal mehr auch behaup­ten, dass er seinen Überfall auf das Nachbar­land vor fast einem Jahr als Fortset­zung des Kampfes gegen den Nazis­mus sieht. Erst im Januar warf er der Führung in Kiew wieder vor, den ukrai­ni­schen Natio­na­lis­ten­füh­rer Stepan Bande­ra (1909–1959), der dem Nazi-Dikta­tor Adolf Hitler damals gehol­fen habe, heute als Helden zu vereh­ren. «Deshalb haben wir allen Grund, die derzei­ti­gen ukrai­ni­schen Macht­ha­ber als neona­zis­tisch zu bezeich­nen», sagte Putin bei einem Treffen mit Vetera­nen in St. Petersburg.

Schlacht von Stalin­grad ist histo­risch bedeutend

Kriti­ker werfen Putin vor, die für viele Russen heili­gen Gedenk­ta­ge zur Erinne­rung an den Sieg der Sowjet­uni­on gegen Hitler-Deutsch­land im Zweiten Weltkrieg für seine Propa­gan­da um den Überfall auf die Ukrai­ne zu missbrau­chen. Laut Kreml trifft sich Putin an der Wolga mit Vertre­tern von patrio­ti­schen und Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen. In Wolgo­grad wurde auch eine Stalin-Büste enthüllt zur Erinne­rung an den Sowjet­dik­ta­tur Josef Stalin (1879–1953), der das Land damals in den Sieg geführt hatte.

Die Schlacht von Stalin­grad mit Hundert­tau­sen­den Toten inner­halb von 200 Tagen gilt als eine der schwers­ten und kriegs­ent­schei­den­den Nieder­la­gen der Deutschen Wehrmacht und damit als Wende­punkt im Zweiten Weltkrieg. In den erbit­ter­ten Kämpfen wurde die Stadt fast vollstän­dig zerstört. Am 19. Novem­ber 1942 begann der Gegen­an­griff der Roten Armee, im Zuge dessen die 6. Armee der Deutschen Wehrmacht einge­kes­selt wurde. Am 2. Febru­ar 1943 gingen die letzten Einhei­ten der Deutschen in Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Seit 1961 trägt die Stadt den Namen Wolgograd.

In der Schlacht von Stalin­grad kämpf­ten damals viele Ukrai­ner in der Roten Armee an der Seite russi­scher Solda­ten gegen Hitlers Truppen. Heute kämpfen die beiden Ex-Sowjet­re­pu­bli­ken gegen­ein­an­der. Nach dem Raketen­ein­schlag in einem Wohnhaus in der ostukrai­ni­schen Großstadt Krama­torsk im Gebiet Donezk forder­te der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj erneut eindring­lich Hilfe des Westens gegen die russi­schen Angrif­fe. «Der einzi­ge Weg, den russi­schen Terro­ris­mus zu stoppen, ist ihn zu besie­gen. Durch Panzer. Kampf­jets. Weitrei­chen­de Raketen», schrieb er im Kurznach­rich­ten­dienst Twitter.

Russland überzieht die Ukrai­ne in dem Krieg, der am 24. Febru­ar begann, immer wieder mit Raketen­an­grif­fen, die zuletzt vor allem der Energie-Infra­struk­tur des Landes galten. Immer wieder werden auch einfa­che Wohnhäu­ser getrof­fen, weshalb viele Zivilis­ten durch Putins Krieg sterben. Nach Angaben der Verein­ten Natio­nen sind durch Putins Krieg bisher mehr als 7000 Menschen in der Ukrai­ne getötet worden.

Selen­skyj berich­tet vor Gipfel mit EU von Erfolgen

In seiner allabend­li­chen Video­bot­schaft infor­mier­te Selen­skyj vor einem EU-Ukrai­ne-Gipfel an diesem Freitag über «Erfol­ge» der Arbeit ukrai­ni­scher Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den. So flog etwa eine Polizei­ab­tei­lung auf, die einen Prosti­tu­ier­ten­ring gedeckt haben soll. Es habe Gewalt gegen Mädchen gegeben, sagte Selen­skyj. Es gebe erste Festnah­men. Die Beamten sollen Behör­den zufol­ge monat­lich eine Milli­on Euro «Schutz­geld» kassiert haben.

Selen­skyj hatte zuletzt angekün­digt, gegen Korrup­ti­on, Amtsmiss­brauch und anderes krimi­nel­les Verhal­ten im Staats­dienst durch­zu­grei­fen. Er sagte, dass führen­de Kräfte des Zolldiens­tes entlas­sen seien. Zudem hätten der Geheim­dienst SBU, Ermitt­ler und Staats­an­wäl­te Dutzen­de Razzi­en in verschie­de­nen Regio­nen im Land durch­ge­zo­gen, um Bewei­se für Straf­ver­fah­ren zu sammeln. «Gerech­tig­keit wird hergestellt.»

Auch die EU-Kommis­si­on fordert weite­re Anstren­gun­gen im Kampf gegen krimi­nel­len Macht­miss­brauch. Vor der Präsi­den­ten­wahl im kommen­den Jahr dürfte Selen­skyj den Schaden für sich begren­zen wollen, weil nach fast vier Jahren an der Macht aus Sicht vieler Wähler immer noch zu wenig auf diesem Feld passiert ist.

EU-Chefdi­plo­mat schließt Kampf­jet-Liefe­run­gen nicht aus

Der EU-Außen­be­auf­trag­te Josep Borrell schließt es nicht aus, dass es trotz der derzeit zurück­hal­ten­den Positi­on von Ländern wie Deutsch­land und den USA zu einer Liefe­rung von Kampf­flug­zeu­gen an die Ukrai­ne kommt. Auch die Liefe­rung von Panzern sei anfangs stark umstrit­ten gewesen, sagte der Spani­er im Vorfeld eines EU-Ukrai­ne-Gipfel in Kiew. Schließ­lich sei es bei dem Thema aber doch zu einer Einigung gekom­men und man habe diese «rote Linie» überschrit­ten. Warnun­gen vor Eskala­ti­ons­ri­si­ken habe es bislang bei allen Waffen­lie­fe­run­gen gegeben, sagte er.

Was am Donners­tag wichtig wird

Im Osten der Ukrai­ne versu­chen die russi­schen Truppen, weiter vorzu­drin­gen und aktuell vor allem Ortschaf­ten im Gebiet Donezk zu erobern. Kreml­chef Putin hatte neben der Region Donezk auch die Gebie­te Luhansk, Cherson und Saporischschja beset­zen lassen und zu russi­schem Staats­ge­biet erklärt. Kein Land erkennt das an. Ziel seines Krieges ist es, die vier völker­rechts­wid­rig annek­tier­ten Gebie­te vollstän­dig unter russi­sche Kontrol­le zu bringen.