KIEW (dpa) — Die Militär­hil­fe Europas für die Ukrai­ne wird konkre­ter, die sogenann­te Panzer­ko­ali­ti­on kommt langsam ins Rollen. Selen­skyj hofft, Russlands Truppen auf Augen­hö­he zu begeg­nen. Die News im Überblick.

Die Ukrai­ne soll künftig mehre­re Batail­lo­ne schwe­rer Kampf­pan­zer aus westli­chen Waffen­schmie­den gegen die russi­schen Invaso­ren einset­zen können. Zusätz­lich zu den bereits zugesag­ten Panzern des Typs Leopard 2 aus einer Reihe westli­cher Länder sowie den M1 Abrams aus den USA und Challen­ger 2 aus Großbri­tan­ni­en wollen mehre­re europäi­sche Staaten mehr als 100 Kampf­pan­zer des älteren Typs Leopard 1 an die Ukrai­ne liefern.

«Ich danke Deutsch­land und allen unseren Partnern für ihre Unter­stüt­zung», sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj gestern Abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Mit der Liefe­rung werde man den russi­schen Invaso­ren auf dem Schlacht­feld zwar nicht überle­gen sein, aber zumin­dest Parität mit ihren Streit­kräf­ten erreichen.

Zuvor war Selen­skyj in Kiew mit Bundes­ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pisto­ri­us zusam­men­ge­kom­men und hatte mit ihm über die aktuel­le Lage in der Ukrai­ne gespro­chen. «Wir tun alles, um den Luftraum freizu­hal­ten, um sicher­zu­stel­len, dass unsere Solda­ten über starke Panzer verfü­gen und dass unsere Artil­le­rie genau­so gut ist wie die der Besat­zer», sagte der Präsi­dent. Aktuell verfol­ge die Führung in Kiew mit größter Aufmerk­sam­keit, «was die Besat­zer vorbe­rei­ten». Die Lage um Donezk im Osten der Ukrai­ne sei gegen­wär­tig «am heißesten».

Pisto­ri­us sagt weite­re Panzer­lie­fe­run­gen zu

Die Ukrai­ne soll von einer Gruppe europäi­scher Länder mehr als 100 Kampf­pan­zer des älteren Typs Leopard 1A5 erhal­ten, wie Pisto­ri­us bei seinem ersten Besuch in Kiew bekannt­gab. Bis zum ersten oder zweiten Quartal 2024 sollten mindes­tens drei Batail­lo­ne der Ukrai­ner mit solchen Panzern ausge­stat­tet werden. Neben Präsi­dent Selen­skyj traf Pisto­ri­us auch Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Olexij Resni­kow. Russlands Angriffs­krieg gegen das Nachbar­land dauert inzwi­schen fast schon ein Jahr.

Pisto­ri­us sagte, die Leopard-1-Liefe­rung werde in Etappen erfol­gen. Bis zum Sommer sollten 20 bis 25 Panzer gelie­fert werden, bis Ende des Jahres bis zu 80. Ziel sei, im Laufe des ersten oder zweiten Quartals 2024 auf über 100 zu kommen. Das bedeu­te, dass mindes­tens drei ukrai­ni­sche Batail­lo­ne einschließ­lich des zu beschaf­fen­den Materi­als für Ersatz­tei­le und Muniti­on ausge­rüs­tet werden könnten. Zudem habe man mit der Ausbil­dung von 600 Feldwe­beln begonnen.

Initia­ti­ve offen für andere Länder

In einer gemein­sa­men Erklä­rung mit den Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­en der Nieder­lan­de und Dänemarks hieß es, dass die beiden Länder sich auch an der Leopard-1-Liefe­rung betei­li­gen. «Dänemark, Deutsch­land und die Nieder­lan­de stellen überhol­te Leopard 1A5 aus indus­tri­el­len Bestän­den zur Verfü­gung», hieß es. Die Initia­ti­ve sei offen für andere Länder. Belgi­en habe Inter­es­se an einer Teilnah­me signalisiert.

Der Leopard 1 ist der erste Kampf­pan­zer, der für die Bundes­wehr nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Von 1965 bis Mitte der 80er Jahre wurden 4700 Exempla­re produ­ziert. Die Bundes­wehr hat ihre letzten Leopard 1 vor 20 Jahren ausgemustert.

Die Bundes­re­gie­rung hatte nach langer Debat­te vor zwei Wochen entschie­den, der Ukrai­ne auch moder­ne­re Leopard-2-Kampf­pan­zer zu überlas­sen sowie Verbün­de­ten Liefe­run­gen dieses in Deutsch­land entwi­ckel­ten Panzer­mo­dells zu erlau­ben. Auch Schüt­zen­pan­zer vom Typ Marder und das Flugab­wehr­ra­ke­ten­sys­tem Patri­ot sollen an die Ukrai­ne gehen.

Pisto­ri­us: Respekt für Vertei­di­gungs­wil­len der Ukrainer

Der Wille des ukrai­ni­schen Volkes, die Heimat zu vertei­di­gen, sei ungebro­chen, sagte Pisto­ri­us in Kiew. «Dafür zolle ich Ihnen meine größte Bewun­de­rung.» Bis Ende des Monats erhält die Ukrai­ne nach seinen Angaben zudem weite­re Lenkflug­kör­per, fünf zusätz­li­che Gepard-Flugab­wehr­pan­zer und weite­re fünf Dachs-Pionier­pan­zer. Fünf Brücken­le­ge­pan­zer vom Typ Biber würden im März geliefert.

Resni­kow zeigte sich erfreut über die angekün­dig­ten Liefe­run­gen. «Es gibt keinen Zweifel — Deutsch­land steht an der Seite der Ukrai­ne», schrieb er auf Facebook. Dies sei ein bedeu­ten­der Beitrag. «Die Unter­stüt­zung ist enorm, es kann nur noch besser werden.»

Weißes Haus schätzt deutsches Engagement

Deutsch­land ist nach Auffas­sung der US-Regie­rung bei der Unter­stüt­zung der Ukrai­ne ein «mächti­ger Verbün­de­ter» und «verläss­li­cher Freund und Partner». Berlins Engage­ment «wird sehr geschätzt und sollte auch zur Kennt­nis genom­men werden», sagte der Kommu­ni­ka­ti­ons­di­rek­tor des Natio­na­len Sicher­heits­rats der US-Regie­rung, John Kirby, der Deutschen Welle in Washington.

Hofrei­ter: Scholz muss Vertrau­en der EU-Partner zurückgewinnen

Kurz vor dem EU-Gipfel in der zweiten Wochen­hälf­te sieht der Vorsit­zen­de des Europa­aus­schus­ses im Bundes­tag, Anton Hofrei­ter (Grüne), angesichts der zöger­li­chen Kampf­pan­zer-Zusagen einiger europäi­scher Partner Bundes­kanz­ler Olaf Scholz in der Pflicht.

«Es geht jetzt darum, Vertrau­en zurück­zu­ge­win­nen und die europäi­schen Partner zu überzeu­gen», sagte Hofrei­ter dem Nachrich­ten­por­tal «t‑online». «Es ist gut, dass der Kanzler endlich eine koordi­nie­ren­de Rolle übernimmt. Wir haben keine Zeit zu verlie­ren, denn eine russi­sche Frühjahrs­of­fen­si­ve steht bevor.»

Was bringt der Tag?

Scholz gibt im Bundes­tag eine Regie­rungs­er­klä­rung zum bevor­ste­hen­den EU-Gipfel ab. Die Staats- und Regie­rungs­chefs der 27 Mitglied­staa­ten der Europäi­schen Union beschäf­ti­gen sich morgen und am Freitag in Brüssel unter anderem mit dem russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukraine.

Zu erwar­ten ist heute wohl auch eine Reakti­on aus Moskau auf die angekün­dig­te Panzer­lie­fe­rung an Kiew.