NEW YORK/KIEW (dpa) — Vor dem Jahres­tag des Beginns des russi­schen Krieges gibt sich der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj kämpfe­risch. Die Invasi­on ist Thema in München und bald bei den UN. Die News im Überblick.

Ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukrai­ne soll die UN-Vollver­samm­lung über eine Resolu­ti­on ohne konkre­te Ideen für eine Friedens­lö­sung abstimmen.

Der von der Ukrai­ne und der Vertre­tung der Europäi­schen Union ausge­ar­bei­te­te Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, bekräf­tigt eine Reihe bereits ausge­drück­ter Positio­nen des größten UN-Gremi­ums mit seinen 193 Mitglieds­staa­ten — darun­ter die terri­to­ria­le Integri­tät der Ukrai­ne und die Auffor­de­rung an Russland, seine Truppen zurück­zu­zie­hen. Kreml­chef Wladi­mir Putin hatte den Krieg am 24. Febru­ar begonnen.

Sonder­sit­zung kommen­de Woche

Eine Sonder­sit­zung der UN-Vollver­samm­lung zum Jahres­tag des Einmar­sches beginnt am kommen­den Mittwoch in der UN-Zentra­le in New York. Es werden eine Reihe von Außen­mi­nis­tern erwar­tet. Der Krieg in der Ukrai­ne ist auch Thema der Sicher­heits­kon­fe­renz in München, die an diesem Freitag beginnt. Erwar­tet werden etwa 40 Staats- und Regie­rungs­chefs wie Bundes­kanz­ler Olaf Scholz und Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron. Die USA sind durch Vizeprä­si­den­tin Kamala Harris vertreten.

«Es ist ein Echo von gewis­sen Resolu­tio­nen der UN-Vollver­samm­lung», sagte ein Diplo­mat der Deutschen Presse-Agentur. Die Strate­gie der westli­chen Unter­stüt­zer der Ukrai­ne sei es dabei nicht, komple­xe Umris­se für eine Beendi­gung des Krieges zur Abstim­mung zu stellen, sondern so viele Länder wie möglich zu einem «Ja» zu bewegen. Damit wollen sie an die Abstim­mungs­er­geb­nis­se des vergan­ge­nen Jahres anknüp­fen, als sich im Oktober 143 Staaten gegen Russlands völker­rechts­wid­ri­ge Annexio­nen in der Ukrai­ne gestellt hatten.

Dafür sei eine straf­fe, eher vage Resolu­ti­on am besten geeig­net: «je weniger drin ist, desto besser — denn was zählt, sind die Zahlen», sagte der Diplo­mat. Ein starkes Ergeb­nis in der Größen­ord­nung vergan­ge­ner Abstim­mun­gen könnte dem Eindruck entge­gen­tre­ten, es gebe in weiten Teilen der Welt eine Kriegs­mü­dig­keit und bröckeln­den Rückhalt für Kiew. Nach westli­cher Einschät­zung baut Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin auf schwin­den­de Unter­stüt­zung für die Ukraine.

Hinter den UN-Kulis­sen wurde in den vergan­ge­nen Monaten disku­tiert, wie progres­siv eine Resolu­ti­on zum Jahres­tag der Invasi­on sein könne. UN-Kreisen zufol­ge hatte die Ukrai­ne an Resolu­tio­nen gearbei­tet, die ein Kriegs­ver­bre­cher­tri­bu­nal umrei­ßen sowie an einem Text, der einen Zehn-Punkte-Friedens­plan des ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj in ein UN-Dokument überfüh­ren würde. Beide Ideen wurden für die Abstim­mung, die am Donners­tag erwar­tet wird, aufgegeben.

In dem Text tauchen nun eher vage Formu­lie­run­gen zum Ende des Krieges auf: Das Errei­chen eines umfas­sen­den Friedens, der notwen­dig sei, würde «einen wesent­li­chen Beitrag zur Stärkung des Weltfrie­dens und der inter­na­tio­na­len Sicher­heit leisten», heißt es dort. Im Weite­ren wird ein vollstän­di­ger Austausch von Kriegs­ge­fan­ge­nen verlangt und die Notwen­dig­keit betont, dass Verant­wort­li­che für die schwers­ten Kriegs­ver­bre­chen zur Rechen­schaft gezogen werden müssten.

Selen­skyj begrüßt Gefangenenaustausch

In seiner abend­li­chen Video­bot­schaft in Kiew begrüß­te Präsi­dent Selen­skyj die Rückkehr von 100 Solda­ten aus russi­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Auch der erste stell­ver­tre­ten­de Bürger­meis­ter der als Stand­ort des größten europäi­schen Atomkraft­werks Saporischschja bekann­ten Stadt Enerho­dar sei wieder in Freiheit. «Ich bin glück­lich für die mehr als 100 Famili­en, deren Söhne, Brüder und Ehemän­ner zurück­keh­ren», sagte er. Russland hatte auch 101 Solda­ten aus ukrai­ni­scher Gefan­gen­schaft erhalten.

Zugleich beton­te Selen­skyj, dass der Kampf sich weiter darauf konzen­trie­re, die Front­li­nie unter Kontrol­le zu behal­ten und sich auf neue Eskala­ti­ons­schrit­te des Feindes vorzu­be­rei­ten. «Das Voran­schrei­ten bei der weite­ren Befrei­ung unseres Landes hat Priori­tät», sagte Selen­skyj. Dafür seien Liefe­run­gen von Waffen und Muniti­on des Westens sowie die Ausbil­dung des Militärs notwendig.

Chodor­kow­ski erwar­tet keinen Frieden mit Putin an der Macht

Der Kreml­geg­ner Michail Chodor­kow­ski glaubt nicht an eine Friedens­lö­sung für die Ukrai­ne mit Putin. «Solan­ge Putins Regime an der Macht ist, wird der Krieg nicht enden», sagte Chodor­kow­ski am Donners­tag in München vor dem offizi­el­len Beginn der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz (MSC). Er disku­tier­te Thesen seines neuen Buches «Wie man einen Drachen tötet. Handbuch für angehen­de Revolu­tio­nä­re», das im Europa Verlag erscheint.

250 Millio­nen Euro von russi­schem Oligar­chen beschlagnahmt

Unter­des­sen erhält die Ukrai­ne nach einem Gerichts­be­schluss und nach Angaben des Geheim­diens­tes in Kiew Vermö­gen des russi­schen Oligar­chen Oleg Deripas­ka im Wert von umgerech­net 250 Millio­nen Euro. Der Obers­te Anti-Korrup­ti­ons-Gerichts­hof der Ukrai­ne habe eine Entschei­dung des Justiz­mi­nis­te­ri­ums in Kiew bestä­tigt, nach der Deripas­kas Firmen, Grund­stü­cke und Betei­li­gun­gen dem Staat übereig­net werden, teilte der Geheim­dienst am Donners­tag­abend mit. Die Ukrai­ne will mit dem Geld Kriegs­schä­den kompensieren.

Deripas­ka, der Kreml­chef Putin nahesteht und als Unter­stüt­zer des Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne auch im Westen mit Sanktio­nen belegt ist, gehört zu den reichs­ten Russen. Der Multi­mil­li­ar­där, der unter anderem im Alumi­ni­um­ge­schäft reich gewor­den ist, habe über ein Firmen­ge­flecht und Geschäfts­struk­tu­ren in verschie­de­nen Regio­nen der Ukrai­ne Unter­neh­men geführt, hieß es.

Was heute wichtig wird

Staats­chef Selen­skyj eröff­net die Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz mit einer Video­an­spra­che. Anschlie­ßend reden Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) und der franzö­si­sche Präsi­dent Emmanu­el Macron bei dem Treffen von Politi­kern und Exper­ten aus 96 Ländern, das bis Sonntag dauert. Im Mittel­punkt der Konfe­renz wird der russi­sche Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne stehen, der vor einem Jahr begon­nen hat.