MOSKAU/KIEW (dpa) — Die Ukrai­ne meldet den Beschuss eines russi­schen Kriegs­schif­fes. Russland zieht seine Truppen im Osten und Süden der Ukrai­ne zusam­men. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Russi­sche Truppen verstär­ken nach ukrai­ni­schen Angaben ihre Aktivi­tä­ten im Osten und im Süden des Landes. Sie versuch­ten, ihre Verlus­te auszu­glei­chen, die Bomben- und Artil­le­rie­an­grif­fe gingen weiter, sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in einer Videobotschaft.

In Kürze wird mit einer russi­schen Großof­fen­si­ve gerech­net. Die USA und die Europäi­sche Union (EU), darun­ter auch Deutsch­land, wollen die Ukrai­ne daher massiv aufrüs­ten. Umso mehr stößt die Ausla­dung von Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­ers durch die Führung der Ukrai­ne weiter auf Unver­ständ­nis und Kritik.

Russen melden Einnah­me des Hafens von Mariupol

Die russi­sche Armee brach­te nach eigenen Angaben den Hafen der weitge­hend zerstör­ten ukrai­ni­schen Stadt Mariu­pol inzwi­schen komplett unter ihre Kontrol­le. Der Handels­ha­fen sei von ukrai­ni­schen Asow-Kämpfern «befreit» worden, sagte der Sprecher des russi­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, Igor Konaschenkow.

Die verblie­be­nen ukrai­ni­schen Truppen seien «blockiert und der Möglich­keit beraubt, aus der Einkes­se­lung zu entkom­men». Von ukrai­ni­scher Seite gab es dafür keine Bestä­ti­gung. Dem US-Kriegs­for­schungs­in­sti­tut Insti­tu­te for the Study of War (ISW) zufol­ge werden die russi­schen Truppen die Stadt «wahrschein­lich» in der kommen­den Woche erobern, wie es in der Nacht zu Donners­tag hieß.

Evaku­ie­rung russi­schen Raketenkreuzers

Die Besat­zung des russi­schen Raketen­kreu­zers «Moskwa» («Moskau») ist nach Angaben aus Moskau derweil vollstän­dig evaku­iert worden. Das Schiff der Schwarz­meer­flot­te sei durch die «Detona­ti­on von Muniti­on infol­ge eines Brandes» schwer beschä­digt, berich­te­te die russi­sche Agentur Tass unter Berufung auf das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um. Wenige Stunden zuvor hatte es aus Kiew gehei­ßen, der Raketen­kreu­zer sei von einer ukrai­ni­schen Anti-Schiffs­ra­ke­te getrof­fen worden. Das Kriegs­schiff soll nach ukrai­ni­schen Angaben habe eine Besat­zung von über 500 Matro­sen haben.

Ukrai­ner räumen Minen im Norden

Russi­sche Truppen sollen ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge große Mengen an nicht explo­dier­ten Spreng­vor­rich­tun­gen im Norden des Landes hinter­las­sen haben. Zehntau­sen­de nicht detonier­ter Grana­ten oder Minen seien in dem Gebiet, sagte Selen­skyj. Die Minen­räu­mung dauere an. Die militä­ri­sche Lage unter­schei­de sich aktuell nicht wesent­lich von der der vergan­ge­nen Tage. Russi­sche Truppen verstärk­ten ihre Aktivi­tä­ten im Osten und Süden. Dies konnte nicht unabhän­gig geprüft werden.

Neham­mer: Gaslie­fe­rung könnte auch ohne Sanktio­nen ausfallen

Die Versor­gung Europas mit russi­schem Gas ist aus Sicht von Öster­reichs Kanzler Karl Neham­mer auch abseits von Sankti­ons-Überle­gun­gen nicht gesichert. Kriegs­fol­gen und die Spren­gung von Pipelines könnten etwa zu einem Liefer­stopp führen, sagte Neham­mer in einem Inter­view kurz nach seinen Besuchen in Kiew und Moskau. «Das Risiko ist ja ohnehin da, dass das dennoch passie­ren kann — auch wenn Öster­reich, Deutsch­land und andere sich gegen ein Gasem­bar­go ausspre­chen», sagte der konser­va­ti­ve Politi­ker der Deutschen Presse-Agentur und der öster­rei­chi­schen Nachrich­ten­agen­tur APA.

Westen rüstet Ukrai­ne auf

Angesichts der erwar­te­ten Großof­fen­si­ve Russlands im Osten der Ukrai­ne stellen die USA und die EU zusam­men über 1,2 Milli­ar­den Euro für Waffen­lie­fe­run­gen an Kiew bereit. Die USA kündig­ten an, sie wollten der Ukrai­ne weite­re Waffen und Muniti­on im Wert von bis zu 800 Millio­nen Dollar (740 Millio­nen Euro) liefern.

Darun­ter seien Artil­le­rie, gepan­zer­te Fahrzeu­ge und Hubschrau­ber. US-Präsi­dent Joe Biden erklär­te nach einem Gespräch mit Selen­skyj, die neuen Liefe­run­gen sollten die Ukrai­ne insbe­son­de­re angesichts des befürch­te­ten Großan­griffs in der Donbass-Region unterstützen.

Weiter Kritik an Ausla­dung von Bundes­prä­si­dent Steinmeier

Während auch Deutsch­land die Ukrai­ne weiter unter­stützt, reißt die Kritik an der Ausla­dung von Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er durch die Ukrai­ne nicht ab. «Der Bundes­prä­si­dent ist Deutsch­land. Und deswe­gen ist seine Ausla­dung durch Präsi­dent Selen­skyi eine Ausla­dung Deutsch­lands», sagte Vizekanz­ler Robert Habeck (Grüne) den Zeitun­gen der Funke-Mediengruppe.

«Ich muss es leider so sagen: Die ukrai­ni­sche Seite hat einen diplo­ma­ti­schen Fehler gemacht.» Selen­skyj erklär­te am Mittwoch­abend, es habe keine Anfra­gen des Bundes­prä­si­den­ten zu einem Besuch gegeben. Habeck sagte auf die Frage, ob er oder Kanzler Olaf Scholz (SPD) in die Ukrai­ne reisen: «Jetzt sollten wir alle schnell zusehen, dass wir das Problem lösen und nicht eskalie­ren. Dafür wurden Telefo­ne ja erfun­den.» Unter­des­sen wollen auch die USA laut dem US-Nachrich­ten­por­tal Politi­co mögli­cher­wei­se einen rangho­hen Vertre­ter nach Kiew schicken.

Selen­skyj lobt Polen und Baltikum

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent lobte unter­des­sen Polen, Lettland, Litau­en und Estland für ihren Einsatz für sein Land. Der Besuch der Präsi­den­ten der «vier Staaten — Freun­de der Ukrai­ne» sei nützlich und frucht­bar gewesen, sagte Selenskyj.

Es seien die Präsi­den­ten jener Länder gewesen, die der Ukrai­ne vom ersten Tag an gehol­fen hätten, die nicht gezögert hätten, Waffen an Kiew zu liefern und keine Zweifel an Sanktio­nen gegen Russland gehabt hätten. Sie sagten Kiew weiter militä­ri­sche und humani­tä­re Hilfe zu und verspra­chen, sich für eine EU-Aufnah­me der Ukrai­ne einzusetzen.

Kritik an Waffenlieferungen

Sachsens Minis­ter­prä­si­dent Micha­el Kretschmer (CDU) sprach sich vehement gegen deutsche Liefe­rung schwe­rer Waffen an die Ukrai­ne aus. «Wir würden eine Linie überschrei­ten, wenn wir Panzer oder Flugzeu­ge liefern oder gar eine Flugver­bots­zo­ne einrich­ten. Diese Linie gilt es zu halten», sagte Kretschmer der «Rheini­schen Post» (Donners­tag). Deutsch­land leiste enorm viel, dürfe aber nicht zur Kriegs­par­tei werden.

Russi­sche Folter-Vorwür­fe an Ukraine

Der frühe­re russi­sche Präsi­dent Dmitri Medwe­dew reagier­te erbost auf die Festnah­me des prorus­si­schen Politi­kers Viktor Medwedt­schuk in der Ukrai­ne und erhob schwe­re Vorwür­fe gegen Kiew.

«Verein­zel­te Missge­bur­ten, die sich selbst als “ukrai­ni­sche Regie­rung” bezeich­nen, erklä­ren, dass sie ein Geständ­nis aus Viktor Medwedt­schuk heraus­prü­geln, ihn “schnell und gerecht” verur­tei­len und dann gegen Gefan­ge­ne austau­schen wollen», schrieb Medwe­dew auf seinem Telegram-Kanal. Auch die Spreche­rin des russi­schen Außen­mi­nis­te­ri­ums, Maria Sacha­rowa, warf Kiew Folter­me­tho­den vor — ohne dafür jedoch Bewei­se zu liefern.

Das wird heute wichtig

In Berlin geht die Diskus­si­on um die Liefe­rung schwe­rer Waffen aus Deutsch­land an die Ukrai­ne weiter. Außer­dem sorgt die Reise deutscher Politi­ker in die ukrai­ni­sche Haupt­stadt für eine anhal­ten­de Debatte.