KIEW (dpa) — Zum Jahres­tag des Kriegs­be­ginns gibt es Solida­ri­tät mit der Ukrai­ne und ein chine­si­sches Positi­ons­pa­pier. Die Kämpfe an der Front gehen derweil weiter — und erste Leopard-Panzer treffen ein. Die News.

Zum Jahres­tag des russi­schen Einmarschs in die Ukrai­ne hat die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft den Druck auf Moskau zur Beendi­gung des Kriegs erhöht. Aller­dings beharr­te Russland auf seinen Positio­nen, während Kiew auf der anderen Seite jedes Gespräch mit Kreml­chef Wladi­mir Putin katego­risch ablehn­te. Eine chine­si­sche Friedens­in­itia­ti­ve scheint weitge­hend erfolg­los zu verpuffen.

Nach den USA brach­ten gestern Abend auch die EU-Staaten ein weite­res Paket mit Sanktio­nen gegen Russland auf den Weg. Es sieht unter anderem zusätz­li­che Handels­be­schrän­kun­gen vor, die insbe­son­de­re für indus­tri­el­le Güter gelten sollen, die die russi­sche Indus­trie nicht über Dritt­staa­ten wie China bezie­hen kann. Es ist bereits das zehnte Sankti­ons­pa­ket seit Febru­ar vergan­ge­nen Jahres.

Wie bei frühe­ren Sankti­ons­pa­ke­ten wird auch die Liste von Perso­nen ergänzt, die nicht mehr in die EU einrei­sen dürfen und deren etwaige Vermö­gen in der EU einge­fro­ren werden müssen. Das zielt auf Propa­gan­dis­ten, militä­ri­sche Befehls­ha­ber und politi­sche Führungs­kräf­te ab.

«Unter­wer­fung ist kein Frieden»

In einer von Attacken gepräg­ten Debat­te rief Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock im UN-Sicher­heits­rat dazu auf, sich Russlands Präsi­dent Putin entge­gen­zu­stel­len. «Dieser Krieg ist nicht der Krieg des russi­schen Volkes. Dieser Krieg ist Putins Krieg», sagte die Grünen-Politi­ke­rin gestern in einer Sonder­sit­zung in New York zum ersten Jahres­tag des russi­schen Einmarschs in die Ukraine.

«Der russi­sche Präsi­dent riskiert die Zukunft seines eigenen Landes.» Ein gerech­ter Frieden sei auch im Inter­es­se der Menschen in Russland.

Der russi­sche UN-Botschaf­ter Wassi­li Neben­s­ja warf den westli­chen Ukrai­ne-Unter­stüt­zern — auch Deutsch­land — vor, Russland zerstö­ren zu wollen. Das Wort «Frieden» werde unauf­rich­tig verwen­det, sagte Moskaus Vertre­ter bei den Verein­ten Natio­nen: «Gemeint ist eine Kapitu­la­ti­on Russlands, die Russland im Ideal­fall eine strate­gi­sche Nieder­la­ge zufügt, gefolgt von der Auflö­sung des Landes und der Neuord­nung der Gebiete.»

Trotz der schwie­ri­gen Lage auf dem Schlacht­feld gab sich der ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba sieges­si­cher: «Putin wird viel früher verlie­ren, als er denkt», sagte er vor dem UN-Sicher­heits­rat. Kuleba forder­te erneut die Einrich­tung eines Sonder­tri­bu­nals mit beson­de­rer Zustän­dig­keit für das Verbre­chen eines Angriffs­krie­ges und erwähn­te dabei das Nürnber­ger Kriegs­ver­bre­cher­tri­bu­nal nach dem Zweiten Weltkrieg als Vorbild.

Baerbock beton­te am Ende ihrer Rede: «Was wir tun können, ist, für eine Welt einzu­tre­ten, in der Frieden Frieden bedeu­tet.» Man dürfe nicht «ignorie­ren, wer der Angrei­fer und wer das Opfer ist», so Baerbock. «Denn Unter­wer­fung ist kein Frieden.»

Chinas Positi­ons­pa­pier mit Skepsis aufgenommen

Die Vollver­samm­lung der Verein­ten Natio­nen hatte schon am Donners­tag mit großer Mehrheit eine Resolu­ti­on verab­schie­det, in der Russland zum Rückzug aus der Ukrai­ne aufge­for­dert wurde.

Nur Stunden später rief China in einem ersten Positi­ons­pa­pier zum Krieg zu einem Waffen­still­stand und der baldi­gen Wieder­auf­nah­me von Verhand­lun­gen auf. Der Vorstoß wurde inter­na­tio­nal aber mit großer Skepsis aufge­nom­men und vielfach als einsei­tig zuguns­ten Russlands bewer­tet. So wird Russland in dem Papier nicht aufge­for­dert, besetz­tes ukrai­ni­sches Gebiet zu verlas­sen. Die Ukrai­ne lehnte den Plan ab.

«China hat beson­de­re Verant­wor­tung als ständi­ges Mitglied des Sicher­heits­rats», sagte Baerbock am Rande der Sitzung des mächtigs­ten UN-Gremi­ums. «Es hätte seinen Einfluss auf Russland nutzen können, um es von diesem Plan zu überzeugen.»

Moskau begrüßt Chinas Vorstoß — Ableh­nung in Kiew

Russland hinge­gen äußer­te sich positiv zu dem Vorstoß aus Peking. «Wir begrü­ßen den aufrich­ti­gen Wunsch unserer chine­si­schen Freun­de, einen Beitrag zur Lösung des Konflikts in der Ukrai­ne mit fried­li­chen Mitteln beizu­tra­gen», sagte Außen­amts­spre­che­rin Maria Sacha­rowa. «Wir teilen die Überle­gun­gen Pekings.» Russland sei für eine politisch-diplo­ma­ti­sche Lösung offen.

Grund­vor­aus­set­zung sei jedoch ein Ende der westli­chen Waffen­lie­fe­run­gen in die Ukrai­ne, die Einstel­lung aller Kampf­hand­lun­gen und die Rückkehr der Ukrai­ne zu einem neutra­len, block­frei­en Status. Daneben müssten die «neuen terri­to­ria­len Reali­tä­ten» — also die völker­rechts­wid­ri­ge Annexi­on mehre­rer ukrai­ni­scher Gebie­te durch Russland — anerkannt werden.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj sieht dagegen in dem Papier keinen echten Friedens­plan. Es sei aber immer­hin «nicht schlecht», dass China — bislang noch nicht einmal zu einer Verur­tei­lung des russi­schen Angriffs­kriegs bereit — angefan­gen habe, über die Ukrai­ne zu sprechen. Wichtig sei, dass die terri­to­ria­le Unver­sehrt­heit von Staaten und die atoma­re Sicher­heit zum Thema gemacht würden. «Es gibt Gedan­ken, mit denen ich nicht überein­stim­me, mit denen die ganze Welt nicht einver­stan­den ist», sagte Selen­skyj zu dem Dokument. «Aber trotz­dem ist es schon einmal etwas.»

Selen­skyj: Kein Gespräch mit Putin

Selen­skyj bekräf­tig­te auch sein strik­tes Nein zu einem Treffen mit Kreml­chef Putin. Damit reagier­te er auf einen Vorstoß des türki­schen Präsi­den­ten Recep Tayyin Erdogan, der Putin in einem Telefo­nat zu Verhand­lun­gen über einen «fairen Frieden» bewegen wollte. Selen­skyj sagte, er habe Erdogan schon vor Kriegs­aus­bruch vorge­schla­gen, Putin an den Verhand­lungs­tisch holen, um einen großen Krieg zu verhin­dern. «Er konnte das aber nicht.» Und jetzt? «Jetzt können wir nicht.»

Selen­skyj stell­te aber in Aussicht, sich mit dem chine­si­schen Staats­chef Xi Jinping zu treffen. «Ich glaube, dass dies für unsere Länder und die globa­le Sicher­heit von Vorteil sein wird», sagte er. «Dabei geht es nicht nur um Krieg. Es geht darum, dass wir Staaten sind, die an der Aufrecht­erhal­tung wirtschaft­li­cher Bezie­hun­gen inter­es­siert sind.»

Ukrai­ni­scher Regie­rungs­chef posiert mit Panzern

Der ukrai­ni­sche Minis­ter­prä­si­dent Denys Schmyhal veröf­fent­lich­te auf Telegram eine Serie von Fotos, die ihn mit dem polni­schen Regie­rungs­chef Mateusz Morawi­ecki bei der Überga­be der ersten vier aus Polen gelie­fer­ten Leopard-Kampf­pan­zer zeigen. «Vor einem Jahr fuhren Panzer in die Ukrai­ne, um die Ukrai­ner ihrer Freiheit zu berau­ben», schrieb Schmyhal dazu. «Heute sind ebenfalls Panzer in die Ukrai­ne einge­drun­gen, aller­dings zum Schutz der Freiheit.»

Im Rahmen einer inter­na­tio­na­len Koali­ti­on will Polen dem Nachbar­land insge­samt 14 Panzer vom Typ Leopard A2 überlas­sen. Ferner kündig­te Morawi­ecki bei einem Besuch in Kiew gestern die baldi­ge Liefe­rung von 60 Kampf­pan­zern des Modells Typ PT-91 an, die er bereits im Januar zugesagt hatte. Der PT-91 Twardy ist eine polni­sche Weiter­ent­wick­lung und Moder­ni­sie­rung des sowje­ti­schen T‑72.

Was bringt der Tag

Nach den Gedenk­ver­an­stal­tun­gen zum ersten Jahres­tag des russi­schen Angriffs auf die Ukrai­ne haben die Linke-Politi­ke­rin Sahra Wagen­knecht und die Feminis­tin Alice Schwar­zer für heute am Branden­bur­ger Tor zu einer Kundge­bung aufge­ru­fen. Das Motto lautet «Aufstand für Frieden».