KIEW (dpa) — Neue EU-Sanktio­nen treffen unter anderem Russlands Finanz- und Militär­sek­tor. Die Ukrai­ne zeigt sich dankbar, pocht aber auch darauf, gegen eine andere mächti­ge Branche vorzu­ge­hen. Die News im Überblick

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj wertet das gestern in Kraft getre­te­ne zehnte EU-Sankti­ons­pa­ket als wichti­gen Schlag gegen den Angrei­fer Russland. «Es ist kraft­voll, gegen die Militär­in­dus­trie und den Finanz­sek­tor des Terror­staa­tes und gegen die Propa­gan­dis­ten gerich­tet, die die russi­sche Gesell­schaft in Lügen ertränkt haben und versu­chen, ihre Lügen auf der ganzen Welt zu verbrei­ten», sagte Selen­skyj in seiner allabend­li­chen Video­bot­schaft. «Das wird ihnen defini­tiv nicht gelin­gen.» Zugleich pochte er einmal mehr auf Straf­maß­nah­men auch gegen Russlands Atomindustrie.

Der Vize-Chef des ukrai­ni­schen Militär­ge­heim­diens­tes gab unter­des­sen Details zur geplan­ten Gegen­of­fen­si­ve der eigenen Streit­kräf­te bekannt, die auch mithil­fe westli­cher Panzer­lie­fe­run­gen gelin­gen soll. Und der franzö­si­sche Präsi­dent Emmanu­el Macron will Anfang April zu Gesprä­chen über ein inter­na­tio­nal geein­tes Vorge­hen gegen die russi­sche Aggres­si­on nach China reisen.

Neue Russland-Sanktio­nen der EU

Die EU beleg­te diesmal 87 weite­re Perso­nen und 34 Organi­sa­tio­nen mit Straf­maß­nah­men, die ihrer Ansicht nach auf die eine oder andere Weise zum russi­schen Krieg gegen die Ukrai­ne beitra­gen. Darun­ter ist etwa die Alfa-Bank, die als Russlands größtes Finanz­in­sti­tut in Privat­be­sitz gilt. Auch wurden unter anderem stell­ver­tre­ten­de Minis­ter, russi­sche Regie­rungs­be­am­te sowie Verant­wort­li­che für die Depor­ta­ti­on und Zwangs­ad­op­ti­on ukrai­ni­scher Kinder und neue Mitglie­der des russi­schen Födera­ti­ons­rats auf die Sankti­ons­lis­te gesetzt.

Insge­samt hat die EU nach Angaben des Rats der Mitglied­staa­ten mittler­wei­le 1473 Perso­nen und 205 Organi­sa­tio­nen mit der Begrün­dung auf die Sankti­ons­lis­te gesetzt, dass sie die terri­to­ria­le Unver­sehrt­heit, Souve­rä­ni­tät und Unabhän­gig­keit der Ukrai­ne unter­gra­ben oder bedrohen.

Unter anderen Sankti­ons­re­gi­men hat die EU nun zudem elf weite­re Mitglie­der und sieben Einrich­tun­gen mit Straf­maß­nah­men belegt, die mit der russi­schen Söldner­trup­pe Wagner in Verbin­dung stehen.

Militär­ge­heim­dienst: Ukrai­ne peilt im Frühjahr Offen­si­ve an

Der Vize-Chef des ukrai­ni­schen Militär­ge­heim­diens­tes, Wadym Skibiz­kyj, rechnet nach eigenen Angaben mit einer Gegen­of­fen­si­ve seiner Armee gegen die russi­schen Besat­zer in diesem Frühling. «Ich denke, im Frühjahr sind wir bereit für eine Gegen­of­fen­si­ve», sagte Skibiz­kyj den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Der genaue Zeitpunkt hänge aber von mehre­ren Fakto­ren ab — etwa von der Liefe­rung westli­cher Waffen, die für das angegrif­fe­ne Land sehr wichtig sind.

Skibiz­kyj beton­te, das Ziel der Ukrai­ne sei die Befrei­ung ihres gesam­ten Staats­ge­biets — inklu­si­ve der bereits 2014 von Russland annek­tier­ten Schwarz­meer-Halbin­sel Krim. «Wir hören erst dann auf, wenn wir unser Land in den Grenzen von 1991 zurück­ha­ben. Das ist unsere Botschaft an Russland und an die inter­na­tio­na­le Gemeinschaft.»

Der Geheim­dienst­ler schloss auch Angrif­fe auf Waffen­la­ger in russi­schen grenz­na­hen Gebie­ten nicht aus: «Es ist möglich, dass wir auch Waffen­de­pots oder Militär­ge­rät auf russi­schem Terri­to­ri­um zerstö­ren, etwa rund um die Stadt Belgo­rod. Von dort werden Angrif­fe auf die Ukrai­ne gestar­tet. Das ist etwa eine Bedro­hung für Charkiw.»

Macron will nach China reisen

In den Bemühun­gen um ein Ende des Ukrai­ne-Kriegs will der franzö­si­sche Präsi­dent Macron Anfang April nach China reisen. Das kündig­te das Staats­ober­haupt gestern am Rande seines Besuchs der Inter­na­tio­na­len Landwirt­schafts­aus­stel­lung (Salon de l’Agri­cul­tu­re) in Paris an, wie auf einem Video des Nachrich­ten­sen­ders BFMTV zu sehen war. Macron sagte, er wolle die chine­si­sche Regie­rung dazu bewegen, dabei zu helfen, die russi­sche Aggres­si­on zu stoppen und Frieden zu schaffen.

China hat den russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne bis heute nicht verur­teilt — das sorgt bei den westli­chen Verbün­de­ten der Ukrai­ne seit langem für Unmut, so wie nun auch beim Treffen der Finanz­mi­nis­ter der G20-Staaten. Er bedaue­re zudem sehr, dass sich die chine­si­sche Haltung verscho­ben habe, sagte Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner gestern nach dem Treffen mit seinen Kolle­gen der führen­den Indus­trie- und Schwel­len­län­der im indischen Bengaluru.

Zum ersten Jahres­tag der russi­schen Invasi­on am Freitag hatte China ein Positi­ons­pa­pier vorge­legt und darin unter anderem einen Waffen­still­stand und Verhand­lun­gen gefor­dert. Westli­che Politi­ker und Exper­ten reagier­ten skeptisch bis enttäuscht, da das Zwölf-Punkte-Dokument keine neue Initia­ti­ve erken­nen ließ und auch nicht den Abzug russi­scher Truppen aus der Ukrai­ne vorsieht. Wegen des Streits über den russi­schen Angriffs­krieg konnten sich nun auch die G20 nicht auf eine gemein­sa­me Abschluss­erklä­rung einigen.

Polen: Russland stoppt Öllie­fe­run­gen durch Druschba-Pipeline

Neben vielen anderen Auswir­kun­gen hat der Krieg auch drasti­sche Folgen für den Energie­sek­tor. Nun hat Russland nach Angaben des polni­schen Ölkon­zerns Orlen auch die Liefe­run­gen durch die Drusch­ba-Pipeline einge­stellt. Man sei auf diesen Schritt vorbe­rei­tet gewesen, schrieb Konzern­chef Daniel Obajtek auf Twitter. «Nur zehn Prozent des Rohöls kamen noch aus Russland, und wir werden es durch Öl aus anderen Liefer­län­dern erset­zen. Dies ist das Ergeb­nis der Diver­si­fi­zie­rung, die wir in den letzten Jahren vorge­nom­men haben.»

Das Unter­neh­men teilte zudem mit, es könne seine Raffi­ne­rie vollstän­dig auf dem Seeweg belie­fern. Die Ausset­zung der Liefe­run­gen werde daher keine Auswir­kun­gen auf die Versor­gung polni­scher Kunden mit Benzin, Diesel oder anderen den Produk­ten des Unter­neh­mens haben.

Panzer­wracks als Mahnma­le auch in Balten­staa­ten aufgestellt

Nicht nur in Deutsch­land wurde anläss­lich des Jahres­tags des Kriegs­be­ginns in der Ukrai­ne ein zerstör­ter russi­scher Panzer als Zeichen des Protests aufge­stellt. Auch in Estlands Haupt­stadt Tallinn wurde ein Wrack vom Typ T‑72 als Mahnmal auf dem Freiheits­platz präsen­tiert. «Dieser Panzer ist ein Symbol der bruta­len Invasi­on Russlands», teilte das estni­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um mit. Das Wrack war aus der Ukrai­ne in das EU- und Nato-Land trans­por­tiert worden.