KIEW/MOSKAU (dpa) — Selen­skyj fordert für Russlands Angriffs­krieg juris­ti­sche Folgen — doch das ist kompli­ziert. Derweil gibt es nach dem erneu­ten Beschuss von Kiew wieder Tote und Verletz­te. Die News im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat sich mit Nachdruck für eine straf­recht­li­che Aufar­bei­tung des russi­schen Angriffs­kriegs auf sein Land auf inter­na­tio­na­ler Ebene ausge­spro­chen. «Wir werden dieses gesam­te russi­sche völker­mör­de­ri­sche System — von den Rädchen bis zu den Archi­tek­ten — zerschla­gen und vor Gericht bringen», sagte Selen­skyj am Diens­tag­abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Dies sei aber keine leich­te Aufgabe.

Selen­skyj trifft Chefan­klä­ger vom Inter­na­tio­na­len Strafgerichtshof

Bei einem Treffen mit Chefan­klä­ger Karim Khan vom Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof in Kiew sagte Selen­skyj unter anderem, er hoffe auf Hilfe bei der Ermitt­lung der Zahl der Kriegs­op­fer. «Wir kennen nicht einmal die offizi­el­le Zahl getöte­ter Zivilis­ten in den von Russland besetz­ten Gebie­ten», sagte der Präsi­dent einer Mittei­lung zufolge.

Ein Vorge­hen des Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hofs zum Beispiel gegen Kreml­chef Wladi­mir Putin ist aktuell unter anderem deswe­gen nicht möglich, weil weder Russland noch die Ukrai­ne Vertrags­part­ner des Römischen Statuts als Rechts­grund­la­ge für diesen Gerichts­hof sind. Kiew wirbt um inter­na­tio­na­le Unter­stüt­zung für ein Sondertribunal.

Ukrai­ne: Tote und Verletz­te durch russi­schen Beschuss

Unter­des­sen dauern die Gefech­te zwischen der ukrai­ni­schen Armee und russi­schen Einhei­ten im Donbass der Militär­füh­rung in Kiew zufol­ge an. Der ukrai­ni­sche General­stab erwähn­te in seinem Abend­be­richt Kämpfe beim Dorf Bohda­niw­ka und im Bereich der Stadt Tschas­siw Jar.

Das würde sich mit russi­schen Berich­ten decken, wonach die Verbin­dungs­stra­ßen aus der belager­ten Stadt Bachmut nach Westen bereits akut gefähr­det sind. Auch an anderen Abschnit­ten habe es in den Gebie­ten Charkiw, Luhansk und Donezk Gefech­te gegeben. «Die schwie­rigs­te Situa­ti­on ist nach wie vor Bachmut», sagte Selenskyj.

Bei russi­schem Beschuss im Bereich Cherson wurden der örtli­chen Verwal­tung zufol­ge vier Menschen getötet und fünf verletzt. Unabhän­gig überprüf­bar waren die Angaben nicht.

IAEA erneut alarmiert über Kämpfe bei ukrai­ni­schem Atomkraftwerk

Artil­le­rie­feu­er rund um das ukrai­ni­sche Atomkraft­werk Saporischschja alarmier­te erneut die Inter­na­tio­na­le Atomener­gie­be­hör­de (IAEA). Es seien am Montag rund 20 Detona­tio­nen offen­bar in der Nähe der Anlage zu hören gewesen, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi unter Berufung auf die in dem Kraft­werk statio­nier­ten Exper­ten der UN-Behörde.

In jüngs­ter Vergan­gen­heit sei eine zuneh­men­de Sicher­heits­prä­senz auf dem Gelän­de zu verzeich­nen. «Dies ist ein besorg­nis­er­re­gen­der Trend, der die Dring­lich­keit und Bedeu­tung der Einrich­tung einer nuklea­ren Sicher­heits- und Schutz­zo­ne im Kernkraft­werk Saporischschja zeigt.»

Polen kauft 1000 neue Schüt­zen­pan­zer für seine Armee

Die polni­sche Armee bekommt mehr als tausend neue Schüt­zen­pan­zer des Typs «Borsuk» (Dachs) und dazu Hunder­te Begleit­fahr­zeu­ge. Eine Verein­ba­rung darüber unter­schrieb Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Mariusz Blaszc­zak bei der Herstel­ler­fir­ma Huta Stalowa Wola in Südost­po­len, wie die Nachrich­ten­agen­tur PAP meldete.

Selen­skyj führt Lagebe­spre­chung mit Militärs durch

Bei einer Bespre­chung mit führen­den Militärs erörter­te Präsi­dent Selen­skyj die Lage an der Front. Dem kürzlich als Chef der sogenann­ten Opera­ti­on der Verein­ten Kräfte entlas­se­nen Eduard Moskal­jow wurde demnach das Komman­do über den Bereich «Odessa» übertragen.

Die «Opera­ti­on der Verein­ten Kräfte» bezeich­ne­te ab 2018 den als «Antiter­ror­ope­ra­ti­on» laufen­den Kampf gegen ostukrai­ni­sche Separa­tis­ten. Mit dem russi­schen Einmarsch verlor diese geson­der­te Komman­do­struk­tur für die im Osten einge­setz­ten Einhei­ten von Armee, Natio­nal­gar­de und Geheim­dienst ihren Aufgabenbereich.

OECD eröff­net eigenes Regio­nal­bü­ro in Kiew

Die Organi­sa­ti­on für wirtschaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung (OECD) hat ab heute an ein eigenes Regio­nal­bü­ro in Kiew. Die entspre­chen­den Räumlich­kei­ten würden von der Botschaft der Slowa­kei bereit­ge­stellt, sagte OECD-General­se­kre­tär Mathi­as Cormann ukrai­ni­schen Medien zufol­ge bei einem Besuch in Kiew. Ein Team von vier OECD-Beamten werde die Umset­zung eines neuen Länder­pro­gramms vor Ort koordi­nie­ren, hieß es. Die Indus­trie­staa­ten­or­ga­ni­sa­ti­on sieht die Ukrai­ne als poten­zi­el­les Mitglied.

Mehr Menschen in Kiew als vor Kriegsbeginn

Trotz des seit mehr als einem Jahr währen­den russi­schen Angriffs­kriegs leben in der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew mehr Menschen als vor Kriegs­be­ginn. «Gerade sind etwa 3,5 Millio­nen Menschen in der Stadt», sagte der Erste Vizebür­ger­meis­ter Mykola Poworos­nyk der Staats­agen­tur Ukrin­form. Darun­ter seien rund 230.000 offizi­ell regis­trier­te Binnen­flücht­lin­ge. Kurz vor Kriegs­aus­bruch lag die offizi­el­le Einwoh­ner­zahl bei etwas unter drei Millio­nen. Mitte März 2022 waren weniger als 800.000 Menschen in Kiew verblieben.

Ukrai­ne-Regie­rungs­chef: «Schwie­rigs­te Zeit der Heizpe­ri­ode» vorbei

Nach wieder­hol­ten schwe­ren russi­schen Luftan­grif­fen auf ukrai­ni­sche Infra­struk­tur hat das Land nach Einschät­zung von Regie­rungs­chef Denys Schmyhal «die schwie­rigs­te Zeit der Heizpe­ri­ode» hinter sich. «Wir haben dem russi­schen Energie­ter­ror wider­stan­den und für Wärme in den Häusern der Ukrai­ner gesorgt», sagte Schmyhal.

Seit 17 Tagen seien nun keine Strom­aus­fäl­le im Energie­netz des Landes zu verzeich­nen. «Und es ist auch nicht damit zu rechnen — es sei denn, es gibt einen massi­ven Raketen­an­griff.» Ab Oktober hatten massi­ve russi­sche Raketen- und Drohnen­an­grif­fe zu Proble­men bei der Strom- und Wasser­ver­sor­gung in weiten Teilen der Ukrai­ne geführt.

Das bringt der Tag

Gut ein Jahr nach Beginn des russi­schen Einmar­sches in die Ukrai­ne treffen sich ab heute die Außen­mi­nis­ter der G20-Runde der führen­den Wirtschafts­mäch­te in Indien. Mit Spannung wird der Auftritt des russi­schen Außen­mi­nis­ters Sergej Lawrow in Neu Delhi erwartet.

Der belarus­si­sche Präsi­dent Alexan­der Lukaschen­ko beginnt einen Besuch in China. Im Mittel­punkt steht der Ausbau der Zusam­men­ar­beit zwischen den beiden «umfas­sen­den strate­gi­schen Partnern», wie es hieß. Die Visite des Verbün­de­ten von Kreml­chef Putin erfolgt kurz nach der Vorla­ge des chine­si­schen Positi­ons­pa­piers zum Ukraine-Krieg.