KIEW (dpa) — In der Großstadt Saporischschja sterben zwei Menschen, als ihr Wohnhaus mutmaß­lich von einer russi­schen Rakete getrof­fen wird. Die News im Überblick.

Die Streit­kräf­te der Ukrai­ne haben die Lage an den Fronten des Landes nach Einschät­zung von Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj im Griff. Dennoch berich­ten die Militärs von fortge­setz­ten russi­schen Angrif­fen im Osten des Landes — mit Schwer­punkt Bachmut.

Heute will Kanzler Olaf Scholz (SPD) gut ein Jahr nach dem russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne und der damit verbun­de­nen Neuaus­rich­tung der deutschen Sicher­heits­po­li­tik eine Regie­rungs­er­klä­rung abgeben. Die Außen­mi­nis­ter der G20-Gruppe führen­der Wirtschafts­mäch­te wollen ebenfalls am Donners­tag in Neu Delhi über die Zukunft inter­na­tio­na­ler Konflikt­lö­sung beraten.

Zwei Tote bei Angriff auf Wohnhaus

Bei einem russi­schen Raketen­an­griff auf die Großstadt Saporischschja im Süden der Ukrai­ne sind nach Angaben der Behör­den mindes­tens zwei Menschen ums Leben gekom­men. Die Rakete habe in der Nacht zum Donners­tag ein fünfstö­cki­ges Wohnhaus getrof­fen, das dann einge­stürzt sei, teilte der Sekre­tär des Stadt­rats, Anato­lij Kurtjew, auf seinem Telegram-Kanal mit. «Nach neues­ten Infor­ma­tio­nen sind zwei Menschen gestor­ben.» Elf Menschen konnten demnach lebend aus den Trümmern gebor­gen werden, darun­ter eine Schwan­ge­re. Die Angaben waren von unabhän­gi­ger Seite zunächst nicht zu überprüfen.

Die Such- und Bergungs­ar­bei­ten dauer­ten nach Angaben der Behör­den am Vormit­tag noch an. Befürch­tet wird, dass sich in dem einge­stürz­ten Gebäu­de weite­re Opfer befin­den könnten. Saporischschja liegt weniger als 50 Kilome­ter von der Front entfernt. In den vergan­ge­nen Monaten wurde die Stadt von russi­schen Truppen mehrfach mit Artil­le­rie und Raketen beschos­sen. Im Septem­ber hatte Russland die Region Saporischschja für annek­tiert erklärt, obwohl russi­sche Streit­kräf­te die Gebiets­haupt­stadt selbst nie kontrol­liert haben.

Mitte Januar hatte eine russi­sche Rakete ein Wohnhaus in der Millio­nen­stadt Dnipro getrof­fen. Dabei wurden mehr als 40 Menschen getötet. Der russi­sche Angriffs­krieg gegen das Nachbar­land dauert bereits seit mehr als einem Jahr.

Selen­skyj wirft Russen «bewuss­ten Terror» vor

«Wir haben jedes Gebiet an der Front unter Kontrol­le», sagte Selen­skyj gestern in seiner allabend­li­chen Video­an­spra­che. Aller­dings müssten die Menschen im Hinter­land der Fronten weiter­hin unter den russi­schen Angrif­fen leiden. «Bewuss­ter Terror», sagte Selen­skyj zu den russi­schen Artil­le­rie­an­grif­fen auf Städte und Dörfer hinter den Fronten im Süden und Osten der Ukraine.

«Im größten Teil unseres Landes, wo es uns gelun­gen ist, für relati­ve Sicher­heit zu sorgen, können sie (die Bewoh­ner) vielleicht nicht nachemp­fin­den, wie das Leben der Menschen ist, die in den Grenz­ge­bie­ten zu Russland und im Süden unseres Landes leben», sagte Selen­skyj. Dort seien die Menschen zwar nicht an der Front, aber dennoch direkt im Krieg. «Dort, wo Russland ständig versucht, alles zu zerstö­ren, was die Menschen haben, ständig — und das ist keine Übertreibung.»

Kiew: Russi­sche Angrif­fe bei Bachmut dauern an

Das russi­sche Militär setzte gestern nach Berich­ten des ukrai­ni­schen General­stabs seine Angrif­fe im Osten der Ukrai­ne unver­min­dert fort. Im Mittel­punkt der schwers­ten Gefech­te stand einmal mehr die seit Wochen umkämpf­te Stadt Bachmut, wie die ukrai­ni­sche Armee­füh­rung in ihrem tägli­chen Lagebe­richt mitteil­te. Russi­sche Einhei­ten bedrän­gen die Stadt bereits von drei Seiten.

Eine Serie russi­scher Artil­le­rie- und Luftan­grif­fe wurde auch aus der Umgebung der ostukrai­ni­schen Großstadt Charkiw gemel­det. Bei Raketen­an­grif­fen habe es auch zivile Opfer gegeben, hieß es. Nähere Angaben wurden nicht gemacht. Die ukrai­ni­sche Flugab­wehr habe in der Region zwei sogenann­te Kamika­ze-Drohnen aus irani­scher Produk­ti­on abgeschossen.

Russi­sche Angrif­fe wurden auch aus Krement­schuk südöst­lich von Kiew gemel­det. Der Gouver­neur des Gebie­tes Polta­wa, Dmytro Luni, berich­te­te, dass bei Krement­schuk «Objek­te der zivilen und kriti­schen Infra­struk­tur» getrof­fen worden seien. Weite­re Angaben zu mögli­chen Opfern oder Schäden machte er vorerst nicht.

Berich­te über Explo­sio­nen auf der Krim

Auf der russisch besetz­ten Krim wurden gestern Abend mehre­re Explo­sio­nen regis­triert. In Jalta, Bacht­schys­sa­raj und Gursuf im Süden der Halbin­sel seien die Detona­tio­nen gehört worden, berich­te­ten sozia­le Medien. Offizi­el­le Stellung­nah­men dazu lagen nicht vor.

EU könnte Anrei­ze für Muniti­ons­lie­fe­run­gen erhöhen

Länder wie Deutsch­land könnten künftig deutlich mehr EU-Geld bekom­men, wenn sie schnell dringend benöti­ge Muniti­on in die Ukrai­ne liefern. In einem gestern bekannt gewor­de­nen Diskus­si­ons­pa­pier schlägt die EU-Kommis­si­on vor, den Mitglied­staa­ten im Fall von zügigen Liefe­run­gen bis zu 90 Prozent der Kosten aus EU-Mitteln zu erstat­ten. Bislang lag die Rückerstat­tungs­quo­te bei entspre­chen­den Anträ­gen in der Regel bei deutlich niedri­ge­ren Werten.

Die Staaten seien angehal­ten, insbe­son­de­re rasch Artil­le­rie­mu­ni­ti­on des Kalibers 155 Milli­me­ter zur Verfü­gung zu stellen, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über das zunächst der «Spiegel» berich­te­te. Der Trans­fer müsse aus bestehen­den Bestän­den oder für die Liefe­rung anste­hen­den Aufträ­gen erfolgen.

Der EU-Außen­be­auf­trag­te Josep Borrell hatte die Vertei­di­gungs­mi­nis­ter der EU-Staaten bereits in der vergan­ge­nen Woche zu einer Auswei­tung der Muniti­ons­lie­fe­run­gen aufge­ru­fen. Hinter­grund waren Sorgen, dass der Ukrai­ne bald dringend benötig­te Muniti­ons­ty­pen fehlen könnten.

Russland verschießt nach den Angaben eines Hinter­grund­pa­piers aus Estland durch­schnitt­lich 20.000 bis 60.000 Schuss Artil­le­rie­mu­ni­ti­on pro Tag, die Ukrai­ne hinge­gen nur 2000 bis 7000 Schuss pro Tag.

Das bringt der Donnerstag

Gut ein Jahr nach dem russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne und der damit verbun­de­nen Neuaus­rich­tung der deutschen Sicher­heits­po­li­tik will Kanzler Olaf Scholz (SPD) heute im Bundes­tag eine Zwischen­bi­lanz ziehen. Seine Regie­rungs­er­klä­rung trägt den Titel «Ein Jahr Zeiten­wen­de». Am 27. Febru­ar 2022 — drei Tage nach Kriegs­be­ginn — hatte Scholz in einer Sonder­sit­zung des Bundes­tags ein 100-Milli­ar­den-Programm zur Aufrüs­tung der Bundes­wehr ankün­digt. Tags zuvor waren die ersten Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne für den Abwehr­kampf gegen Russland beschlos­sen worden.

Gut ein Jahr nach dem russi­schen Einmarsch in die Ukrai­ne wollen die Außen­mi­nis­ter der G20-Gruppe führen­der Wirtschafts­mäch­te heute in Neu Delhi über die Zukunft inter­na­tio­na­ler Konflikt­lö­sung beraten. Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock verlang­te vor dem Treffen ein klares Signal gegen den russi­schen Angriffskrieg.

Mit Spannung wird erwar­tet, ob der russi­sche Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow bei dem Treffen in Neu Delhi wie bei dem jüngs­ten G20-Außen­mi­nis­ter­tref­fen auf der indone­si­schen Ferien­in­sel Bali für einen Eklat sorgen wird. Damals verließ er den Saal nach seiner Rede und hörte sich die Wortmel­dun­gen seiner Kriti­ker nicht mehr an.