KIEW (dpa) — Kiew treibt die Pläne für ein Kriegs­ver­bre­cher­tri­bu­nal für Kreml­chef Putin und seine Generä­le voran. Aus Washing­ton kommt neue Militär­hil­fe. Die aktuel­len Entwicklungen.

Die russi­sche Staats- und Militär­füh­rung wird sich nach den Worten des ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj eines Tages für den Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne verant­wor­ten müssen.

Zentra­les Thema der inter­na­tio­na­len Konfe­renz «United for Justi­ce» (Vereint für Gerech­tig­keit) in Lwiw sei «die Verant­wor­tung Russlands und seiner Führung — die persön­li­che Verant­wor­tung — für Aggres­si­on und Terror gegen unser Land und unser Volk» gewesen, beton­te Selen­skyj am Freitag in seiner allabend­li­chen Video­an­spra­che. «Und wenn sie zur Rechen­schaft gezogen werden, wird die Gerech­tig­keit wieder­her­ge­stellt werden.» An dem Treffen waren auch Vertre­ter der EU und anderer europäi­scher Insti­tu­tio­nen beteiligt.

Von der Leyen kündigt Deal für Straf­ver­fol­gung an

EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen teilte unter­des­sen am Samstag­vor­mit­tag mit, dass die Verein­ba­rung über die Einrich­tung eines Inter­na­tio­na­len Zentrums für die Verfol­gung des Verbre­chens der Aggres­si­on (ICPA) unter­zeich­net werde. Es soll Bewei­se für künfti­ge Gerichts­ver­fah­ren sichern und am Stand­ort der EU-Agentur Eurojust in Den Haag angesie­delt werden. Eurojust ist in der Union für justi­zi­el­le Zusam­men­ar­beit in Straf­sa­chen zuständig.

«Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um die Täter vor Gericht zu bringen», erklär­te von der Leyen. Die EU unter­stüt­ze die Rolle, die dem Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof dabei zukom­me. Zudem sei man aber der Ansicht, dass es ein eigenes Gericht für die Verfol­gung des russi­schen Verbre­chens der Aggres­si­on geben müsse. Ein erster Schritt sei die Einrich­tung des neuen inter­na­tio­na­len Zentrums in Den Haag.

Selen­skyj: Putin muss seine gerech­te Strafe erhalten

Die Ukrai­ne bemüht sich seit Monaten, mit ihren Unter­stüt­zern einen solchen Gerichts­hof nach dem Vorbild des Nürnber­ger Tribu­nals für Nazi-Kriegs­ver­bre­cher zu bilden, vor dem sich führen­de Vertre­ter Moskaus für den Krieg gegen das Nachbar­land verant­wor­ten sollen. Das Treffen in Lwiw war bis zu seinem Abschluss am Freitag­abend offen­kun­dig aus Sicher­heits­grün­den geheim­ge­hal­ten worden.

Den Plänen für dieses von Kiew angestreb­te Tribu­nal fehlen aber bisher wirksa­me Maßnah­men, mit denen die politi­sche und militä­ri­sche Führung Moskaus auf die Ankla­ge­bank gebracht werden könnte.

USA sagen Ukrai­ne neue Militär­hil­fe zu

Die USA stellen der Ukrai­ne zur Vertei­di­gung gegen den russi­schen Angriffs­krieg neue Militär­hil­fe im Wert von 400 Millio­nen US-Dollar (rund 377 Millio­nen Euro) bereit. Das Paket umfas­se vor allem Muniti­on, etwa für die von den USA gelie­fer­ten Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer des Typs Himars und Haubit­zen, teilte das US-Außen­mi­nis­te­ri­um am Freitag mit. Auch Muniti­on für Bradley-Schüt­zen­pan­zer sei dabei. Seit Kriegs­be­ginn summie­ren sich die US-Militär­hil­fen für die Ukrai­ne nach jüngs­ten Angaben aus dem Penta­gon auf mehr als 32 Milli­ar­den Dollar, das neue Paket nicht einberechnet.

Ukrai­ne: Spenden­or­ga­ni­sa­ti­on kauft Panzer­fahr­zeu­ge für Armee

In der Ukrai­ne will der Fonds des bekann­ten Komikers und Fernseh­mo­de­ra­tors Serhij Prytu­la über 100 gebrauch­te Panzer­fahr­zeu­ge zur Unter­stüt­zung der Armee im Kampf gegen Russland erwor­ben haben. «Der erste Teil — 24 Fahrzeu­ge — ist bereits in der Ukrai­ne», hieß es in einer am Freitag verbrei­te­ten Mittei­lung. Dazu zeigte sich der 41-Jähri­ge in einem Video mit den gepan­zer­ten, aber unbewaff­ne­ten Ketten­fahr­zeu­gen acht verschie­de­ner Typen im Hinter­grund. Diese seien in Großbri­tan­ni­en erwor­ben und aufbe­rei­tet worden, hieß es. Der Fonds hatte eigenen Angaben zufol­ge nach einem Spenden­auf­ruf im Novem­ber in andert­halb Tagen umgerech­net 5,8 Millio­nen Euro eingenommen.

Nach den Worten des Nato-Oberbe­fehls­ha­bers in Europa hat Russland bislang mehr als 2000 große Kampf­pan­zer verlo­ren. Mehr als 200.000 russi­sche Solda­ten und über 1800 Offizie­re seien gefal­len oder verwun­det worden, sagte General Chris­to­pher Cavoli am Freitag auf einer Veran­stal­tung im Hambur­ger Rathaus. Pro Tag verschie­ße die russi­sche Armee im Schnitt über 23.000 Artilleriegeschosse.

Kiew meldet weiter schwe­re Kämpfe um Bachmut

Derweil setzten russi­sche Truppen ihre Angrif­fe auf die ostukrai­ni­sche Stadt Bachmut auch am Freitag fort. «Der Feind ist weiter­hin bemüht, die Stadt einzu­krei­sen», teilte der ukrai­ni­sche General­stab am Abend in seinem tägli­chen Lagebe­richt mit. Eine Serie von Angrif­fen an verschie­de­nen Schwer­punk­ten rund um Bachmut sei von den ukrai­ni­schen Vertei­di­gern abgewehrt worden. Das russi­sche Militär versucht schon seit Wochen, die Stadt zu erobern.

Die Stadt, die einst 74.000 Einwoh­ner zählte, ist inzwi­schen weitge­hend zerstört. Nach Schät­zun­gen der Behör­den leben noch rund 5000 Zivilis­ten in Bachmut.

London: Ukrai­ner in Bachmut von drei Seiten gefährdet

Die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te stünden angesichts der anhal­tend schwe­ren Kämpfe in Bachmut unter erheb­li­chem Druck, hieß es auch am Samstag im tägli­chen Kurzbe­richt des briti­schen Verteidigungsministeriums.

Bachmut habe sich zum ukrai­ni­schen Vorpos­ten entwi­ckelt, der von drei Seiten durch russi­sche Angrif­fe gefähr­det sei. Russi­sche Streit­kräf­te und Kämpfer der Söldner­trup­pe Wagner sollen den Briten zufol­ge weite­re nördli­che Voror­te der Stadt unter ihre Kontrol­le gebracht haben. Die ukrai­ni­sche Armee setze in Bachmut nun Elite-Einhei­ten ein, hieß es in dem Bericht. In den 36 Stunden zuvor seien zwei Brücken zerstört worden, darun­ter eine für Trans­por­te und Nachschub wichti­ge Verbin­dungs­brü­cke, die von Bachmut aus in die Stadt Tscha­siw Jar führte. Die Trans­port­we­ge unter ukrai­ni­scher Kontrol­le würden immer rarer.

EU-Parla­ments­prä­si­den­tin in Kiew

Die Präsi­den­tin des Europa­par­la­ments, Rober­ta Metso­la, traf am Freitag­abend zu Besuch in der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew ein. «Es ist schön, wieder in der Ukrai­ne zu sein», twitter­te sie sowohl auf Englisch als auch auf Ukrai­nisch. «Mit diesen tapfe­ren Menschen, die die Welt inspi­rier­ten; mit den Helden, die nicht kapitu­lie­ren; mit denen, die alles für unsere Werte geopfert haben; mit Europä­ern, deren Heimat in unserer Europäi­schen Union liegt.» Ihrer Botschaft fügte sie eine ukrai­ni­sche und eine EU-Flagge hinzu. Über Metso­las Programm in Kiew lagen zunächst keine Angaben vor. Die malte­si­sche Politi­ke­rin hatte die Ukrai­ne bereits im April des Vorjah­res besucht.

Was bringt der Samstag

Russi­sche Truppen dürften auch am Samstag ihre Angrif­fe gegen die ostukrai­ni­sche Stadt Bachmut fortsetzen.