LWIW/KIEW(dpa) — Während Selen­skyj die Pläne für einen EU-Beitritt der Ukrai­ne forciert, erlei­den Russlands Truppen bei den Kämpfen in der Ostukrai­ne angeb­lich extrem hohe Verlus­te. Die News im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj will die Koope­ra­ti­on mit den europäi­schen Insti­tu­tio­nen im laufen­den Jahr deutlich ausbau­en und sein Land auf Sicht in die EU führen.

«Die Aufga­be besteht darin, aktiv alles für die Mitglied­schaft unseres Landes in der Europäi­schen Union vorzu­be­rei­ten, die Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne zu erhöhen und die Sanktio­nen gegen Russland zu verstär­ken», sagte Selen­skyj gestern in seiner allabend­li­chen Video­bot­schaft. Dazu hätten er und EU-Parla­ments­prä­si­den­tin Rober­ta Metso­la auch bei einem persön­li­chen Treffen gesprochen.

«Friedens­for­mel» ein Thema

Selen­skyj treibt die Annähe­rung seines Landes an die EU voran, den Angriffs­krieg Russlands führt er dabei als Argument, nicht als Hinder­nis an. Auch beim Gespräch mit Metso­la sei es darum gegan­gen, die Forde­run­gen der EU-Kommis­si­on so schnell wie möglich zu erfül­len, um noch in diesem Jahr mit Beitritts­ver­hand­lun­gen begin­nen zu können, sagte er.

Daneben seien auch die von Kiew vorge­schla­ge­ne «Friedens­for­mel» und die Aussich­ten auf einen Friedens­gip­fel unter breiter Betei­li­gung der Länder des Globa­len Südens bespro­chen worden, teilte die ukrai­ni­sche Seite nach dem Treffen mit der EU-Parla­ments­prä­si­den­tin mit.

Metso­la drang auf eine Auswei­tung der Waffen­lie­fe­run­gen an die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te. «Die Mitglied­staa­ten sollten ernst­haft erwägen, Kampf­flug­zeu­ge in die Ukrai­ne zu schicken», sagte die malte­si­sche Politi­ke­rin am Rande eines Besuchs in der westukrai­ni­schen Großstadt Lwiw. Sie werde weiter­hin dazu auffor­dern, alles an Ausrüs­tung bereit­zu­stel­len, was die Ukrai­ne für einen Sieg benöti­ge. Auch Lettlands Regie­rungs­chef Krisja­nis Karins sprach sich für die Liefe­rung von Kampf­jets an die Ukrai­ne aus.

Kiew: Russland verliert bei Bachmut 500 Mann pro Tag

In der seit Monaten andau­ern­den Schlacht um die ostukrai­ni­sche Stadt Bachmut erlei­det das russi­sche Militär nach Angaben aus Kiew weiter­hin enorm hohe Verlus­te. «Die Verlus­te der Russen belau­fen sich jeden Tag auf bis zu 500 Gefal­le­ne und Verletz­te», sagte der ukrai­ni­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Olexij Resni­kow der «Bild am Sonntag». Die russi­schen Solda­ten seien ledig­lich «Kanonen­fut­ter» in der von Moskau genutz­ten «Taktik des Fleisch­wolfs». Unabhän­gig lassen sich die Angaben zu den Verlust­zah­len nicht überprüfen.

Laut Resni­kow ist Bachmut «für die Russen ein symbo­li­scher Ort», weshalb die Anstren­gun­gen für die Einnah­me der Stadt so groß seien. Dabei bedeu­te selbst deren Erobe­rung nichts für den weite­ren Verlauf der Kämpfe im Donbass, sagte er der Zeitung.

Kiew: Angrif­fe bei Bachmut abgewehrt

Der ukrai­ni­sche General­stab melde­te gestern Abend weiter schwe­re Kämpfe um Bachmut. Laut dem Lagebe­richt blieben die Versu­che des russi­schen Militärs, die Stadt einzu­kes­seln, «erfolg­los». Die ukrai­ni­schen Vertei­di­ger hätten alle Angrif­fe zurückgeschlagen.

In Bachmut und rund um die Stadt ist vor allem die russi­sche Söldner­ein­heit Wagner aktiv. Deren Chef, der als kreml­nah gelten­de Oligarch Jewge­ni Prigo­schin, hat in der Vergan­gen­heit in russi­schen Gefäng­nis­sen Männer für die Truppe rekru­tiert. Gerade unter diesen Gefan­ge­nen sollen Berich­ten zufol­ge die Verlus­te extrem hoch sein. Die Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on «Russland hinter Gittern» sprach zuletzt davon, dass von den 50.000 in Gefäng­nis­sen angewor­be­nen Söldnern nur noch 10.000 an der Front seien. Der Rest sei gefal­len, verwun­det, gefan­gen genom­men worden oder desertiert.

Aber auch auf ukrai­ni­scher Seite gelten die Verlus­te als hoch. Hatte Selen­skyj Bachmut vor Monaten noch als «Festung» bezeich­net, die nicht aufge­ge­ben werde, wird der Fall der Stadt inzwi­schen in Kiew als Möglich­keit in Betracht gezogen. Doch will die Ukrai­ne so lange wie möglich an den Stellun­gen festhal­ten, auch weil die russi­schen Truppen beim Anren­nen dagegen viel Zeit und Kraft verlieren.

Die Stadt selbst, die einst 74.000 Einwoh­ner zählte, ist inzwi­schen weitge­hend zerstört. Nach Schät­zun­gen der Behör­den leben nur noch etwa 5000 Zivilis­ten in Bachmut.

Kleines Mädchen unter Opfern russi­schen Raketenangriffs

Die Zahl der Opfer in einem Wohnblock in der ukrai­ni­schen Großstadt Saporischschja nach einem russi­schen Raketen­an­griff stieg laut Behör­den­an­ga­ben auf elf Tote. Aus den Trümmern sei auch ein acht Monate altes Klein­kind gebor­gen worden, teilte der ukrai­ni­sche Zivil­schutz gestern auf seinem Telegram-Kanal mit. «Das Mädchen ist zusam­men mit seiner Familie gestor­ben.» Die Such- und Bergungs­ar­bei­ten nach dem Raketen­an­griff gingen weiter. Es werden noch mehr Opfer unter den Trümmern des fünfstö­cki­gen Gebäu­des vermutet.

Saporischschja ist die Haupt­stadt des im Herbst von Russland annek­tier­ten gleich­na­mi­gen Gebiets im Südos­ten der Ukrai­ne. Dabei hat Russland die Großstadt, die vor dem Krieg 700.000 Einwoh­ner hatte, nie einge­nom­men. Derzeit verläuft die Front weniger als 50 Kilome­ter von der Stadt entfernt. Saporischschja ist daher relativ häufig Ziel russi­scher Raketen- und Artillerieangriffe.

Letti­scher Minis­ter­prä­si­dent für Liefe­rung von Kampfjets

Lettlands Regie­rungs­chef Karins sprach sich für eine Liefe­rung von Kampf­jets an die Ukrai­ne aus. «Ich sehe nicht, weshalb der Westen keine Kampf­jets liefern sollte. Wenn die Ukrai­ner Kampf­flug­zeu­ge benöti­gen, sollten sie sie bekom­men», sagte Karins dem «Spiegel». Die Liefe­rung von Kampf­jets sei «nur noch eine Frage der Zeit».

In der Diskus­si­on um die Höhe der Vertei­di­gungs­aus­ga­ben der Nato-Mitglied­staa­ten plädiert Karins tenden­zi­ell für einen höheren Richt­wert. «Lettland wird in diesem Jahr mehr als 2,5 Prozent für Vertei­di­gung ausge­ben, wir streben drei Prozent an», sagte der Regie­rungs­chef. Als «Front­staat» habe Lettland keine Wahl. «Auf Nato-Ebene müssen wir erst einmal sicher­stel­len, dass alle Mitglie­der auf zwei Prozent kommen. Und ja, wir sollten bereits jetzt über ein neues Ziel reden, 2,5 Prozent zum Beispiel», so Karins.

Derzeit gilt im Nato-Bündnis die Zielvor­ga­be, dass sich alle Mitglied­staa­ten bis 2024 dem Richt­wert annähern, mindes­tens zwei Prozent ihres Brutto­in­lands­pro­dukts für Vertei­di­gung auszu­ge­ben. Laut General­se­kre­tär Jens Stolten­berg will ein Teil der Alliier­ten diese Zielmar­ke deutlich anheben.

Das wird heute wichtig

Russi­sche Truppen dürften auch heute ihre Angrif­fe gegen die ostukrai­ni­sche Stadt Bachmut fortsetzen.