KIEW/GENF (dpa) — Das Getrei­de-Abkom­men zwischen der Ukrai­ne und Russland gilt als einer der wenigen diplo­ma­ti­schen Licht­bli­cke seit Kriegs­be­ginn. Jetzt bleibt es in Kraft — zumin­dest vorerst. Die News im Überblick.

Russland hat einer Verlän­ge­rung der Verein­ba­rung über die weite­ren Expor­te von ukrai­ni­schem Getrei­de über drei Schwarz­meer­hä­fen zugestimmt — aller­dings nur für weite­re 60 Tage. Das geht aus einer Mittei­lung des stell­ver­tre­ten­den Außen­mi­nis­ters Sergei Verschi­nin hervor, die gestern Abend auf der Websei­te der russi­schen Botschaft in Genf veröf­fent­licht wurde.

Dort hatten Vertre­ter Russlands mit den Verein­ten Natio­nen (UN) verhan­delt. Derweil sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj gestern in seiner allabend­li­chen Video­an­spra­che, seine Regie­rung suche nach Wegen zur Unter­stüt­zung der Landwirt­schaft im zweiten Kriegs­jahr. Die Ukrai­ne war vor dem Krieg einer der wichtigs­ten Getrei­de­lie­fe­ran­ten der Welt.

Russland: Bankzah­lun­gen müssen erleich­tert werden

Mit dem Getrei­de-Abkom­men von Juli 2022 war auch ein Verspre­chen der UN verbun­den, sich für eine Erleich­te­rung russi­scher Expor­te vor allem von Dünge­mit­teln einzu­set­zen. Wegen westli­cher Sanktio­nen bleibt das aber schwie­rig. Die Zustim­mung zu einer weite­ren Verlän­ge­rung macht Moskau laut Verschi­nin von Fortschrit­ten bei diesen Export­ge­schäf­ten abhängig.

Es müssten unter anderem Bankzah­lun­gen, Trans­port­lo­gis­tik und Versi­che­run­gen erleich­tert werden. Moskau besteht auch auf der Wieder­eröff­nung der russi­schen Pipeline für Ammoni­ak, die durch die Ukrai­ne führt. Seit dem russi­schen Angriff auf das Nachbar­land im Febru­ar 2022 ist sie nicht mehr in Betrieb.

Die unter Vermitt­lung der UN und der Türkei zustan­de gekom­me­ne Schwarz­meer-Getrei­de-Initia­ti­ve-Verein­ba­rung hatte zunächst für 120 Tage gegol­ten und war einmal um 120 Tage verlän­gert worden. Sie wäre am Wochen­en­de ausge­lau­fen. Durch die Initia­ti­ve sind gut 23 Millio­nen Tonnen Getrei­de auf den Weltmarkt und auch ärmsten Ländern zugute gekom­men. Russland hatte Getrei­de­aus­fuh­ren über die ukrai­ni­schen Schwarz­meer­hä­fen im Febru­ar 2022 zunächst blockiert, später wurde dann das Abkom­men erreicht.

Selen­skyj lobt helden­haf­ten Einsatz der Landwirte

Selen­skyj sagte, dass dies bereits die zweite Aussaat zu Kriegs­zei­ten sei. «Im vergan­ge­nen Jahr war es dank des helden­haf­ten Einsat­zes unserer Landwir­te und aller Beschäf­tig­ten im Agrar­sek­tor möglich, die Agrar­pro­duk­ti­on und die weltwei­te Rolle der Ukrai­ne als Garant für die Ernäh­rungs­si­cher­heit zu erhalten.»

Die ukrai­ni­sche Landwirt­schaft leidet nach Selen­sky­js Darstel­lung auch unter einem weite­ren kriegs­be­ding­ten Problem. «Bis heute sind mehr als 170.000 Quadrat­ki­lo­me­ter unseres Terri­to­ri­ums durch feind­li­che Minen und nicht explo­dier­te Kampf­mit­tel gefähr­det», sagte Selen­skyj. «Ein großer Teil dieses Gebiets ist das Land unserer Bauern.»

Die ukrai­ni­sche Regie­rung habe bei ihrer Sitzung gestern über mögli­che Maßnah­men beraten, um die Minen­räu­mung zu beschleu­ni­gen, sagte Selen­skyj. Unter anderem soll auch die Koope­ra­ti­on mit auslän­di­schen Partnern verstärkt werden. Deutsch­land betei­ligt sich bereits sowohl mit finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung an Minen­räum­pro­gram­men in der Ukrai­ne als auch militä­risch mit der Liefe­rung von Minenräumpanzern.

Kiew: Kampf um Bachmut auch in sozia­len Medien

Der seit Wochen anhal­ten­de Ansturm russi­scher Truppen auf die ostukrai­ni­sche Stadt Bachmut geht mit einem Kampf um die Deutungs­ho­heit über das Schlacht­ge­sche­hen einher. Dieser wird nach Angaben aus Kiew längst auch in den sozia­len Medien ausge­tra­gen: Das ukrai­ni­sche Zentrum für Strate­gi­sche Kommu­ni­ka­ti­on teilte gestern mit, Russland verbrei­te über anony­me Kanäle Anzei­gen auf Facebook über angeb­li­che Erfol­ge russi­scher Truppen.

Unter anderem werde behaup­tet, dass die Schlacht um Bachmut «aus ukrai­ni­scher Sicht verlo­ren» sei und «der Westen nicht an die Ukrai­ne glaubt». Ebenso werde gestreut, dass die USA ihre Waffen­lie­fe­run­gen reduzier­ten, weil «ukrai­ni­sche Behör­den beim Diebstahl erwischt» worden seien.

«Die Besat­zer wollen das Vertrau­en der ukrai­ni­schen Gesell­schaft in die Regie­rung unter­gra­ben, indem sie behaup­ten, die Schlacht um Bachmut sei verlo­ren und unsere Verbün­de­ten hätten uns uns selbst überlas­sen», schrieb die Kommu­ni­ka­ti­ons­be­hör­de. Schließ­lich sei genau das Gegen­teil der Fall. Aller­dings lassen sich im Krieg sowohl die Darstel­lun­gen der russi­schen als auch der ukrai­ni­schen Seite häufig nicht unabhän­gig überprüfen.

Nutzer sozia­ler Medien in der Ukrai­ne wurden von der Behör­de auf Wege hinge­wie­sen, wie derar­ti­ge Falsch­be­haup­tun­gen zu erken­nen seien. «Gefälsch­te Nachrich­ten werden über neu erstell­te Seiten verbrei­tet, die keine Beschrei­bung und keinen Inhalt haben und in der Regel neutra­le Namen tragen», heißt es unter anderem. Die Behör­de fügte der Warnung mehre­re Beispie­le solcher Falsch­mel­dun­gen bei.

Was heute wichtig wird

Die russi­schen Truppen stürmen weiter gegen die ukrai­ni­schen Vertei­di­gungs­li­ni­en in Bachmut an. Der General­stab in Kiew berich­te­te gestern von hefti­gen Gefech­ten in einigen Voror­ten. Die Front­li­ni­en seien unver­än­dert geblieben.