KIEW (dpa) — Schwe­re Raketen­an­grif­fe auf Lwiw. Neue Angrif­fe auch in der Hafen­stadt Mariu­pol. Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj kriti­siert das Zögern bei Waffen­lie­fe­run­gen. Die neues­ten Ereig­nis­se im Überblick.

Nach Angaben aus Kiew ist Lwiw von schwe­ren am Morgen von Raketen­an­grif­fen worden. Aus der seit Wochen heftig umkämpf­ten Hafen­stadt Mariu­pol werden ebenfalls neue russi­sche Angrif­fe mit Raketen und Bomben gemeldet.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj mahnt ein Ende des Zögerns bei Waffen­lie­fe­run­gen für sein Land an. Angesichts einer erwar­te­ten neuen Offen­si­ve russi­scher Truppen seien Verzö­ge­run­gen «eine Erlaub­nis für Russland, das Leben von Ukrai­nern zu nehmen», sagte Selen­skyj in der Nacht in seiner tägli­chen Videoansprache.

«Fünf geziel­te Raketenschläge»

Die russi­sche Armee hat nach ukrai­ni­schen Angaben am Morgen fünf Raketen­an­grif­fe auf die westukrai­ni­sche Stadt Lwiw (Lemberg) gestar­tet. Der Bürger­meis­ter der Stadt, Andrij Sadowyj, schrieb auf seiner Facebook-Seite von «fünf geziel­ten Raketen­schlä­gen gegen Lwiw». Die Einsatz­kräf­te der Feuer­wehr seien bereits vor Ort. Berich­te über Schäden und Opfer gibt es noch nicht. Medien­be­rich­ten zufol­ge herrscht in Lwiw immer noch Luftalarm. Weite­re Angrif­fe werden nicht ausge­schlos­sen. Lwiw ist bereits mehrfach zum Ziel russi­scher Luftan­grif­fe gewor­den. Das russi­sche Militär beschoss dabei vor allem militä­ri­sche Objek­te in der Nähe der Stadt, unter anderem einen Flughafen.

Ukrai­ne meldet weite­re Angrif­fe auf Mariupol

Der ukrai­ni­sche General­stab berich­te­te am Sonntag­abend von russi­schen Raketen- und Bomben­an­grif­fen auf das belager­te Mariu­pol. Dabei kämen auch Überschall­bom­ber vom Typ Tu-22M3 zum Einsatz. Regie­rungs­chef Denys Schmyhal sagte dem US-Sender ABC, die Stadt sei nicht gefallen.

Die ukrai­ni­schen Solda­ten würden in Mariu­pol «bis zum Ende kämpfen». Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba berich­te­te im US-Sender CBS, die eigenen Truppen seien «im Grunde einge­kreist» von russi­schen Truppen, die Mariu­pol dem Erdbo­den gleich­ma­chen wollten. Wörtlich sagte Kuleba: «Die Stadt existiert nicht mehr.»

Russland hatte den verblie­be­nen ukrai­ni­schen Truppen in Mariu­pol zuvor mit Vernich­tung gedroht. Ein Ultima­tum, die Waffen bis zum Sonntag­mit­tag nieder­zu­le­gen und sich zu ergeben, ließen die Ukrai­ner verstreichen.

Mariu­pols Polizei­chef: Auch viele Zivilis­ten in Stahlwerk

Mehre­re Tausend ukrai­ni­sche Vertei­di­ger Mariu­pols sollen sich in dem riesi­gen Stahl­werk Asows­tal verschanzt haben. Auch zahlrei­che Zivilis­ten befin­den sich nach Angaben örtli­cher Behör­den auf dem umkämpf­ten Gelän­de des Werks, zu dem auch unter­ir­di­sche Anlagen gehören.

Die Menschen hätten sich dort vor Beschuss während der wochen­lan­gem Belage­rung der Stadt durch das russi­sche Militär versteckt, sagte der Chef der Strei­fen­po­li­zei von Mariu­pol, Michaj­lo Werschi­nin, dem Lokal­fern­se­hen. «Sie trauen den Russen nicht. Sie sehen, was in der Stadt vor sich geht, und bleiben deswe­gen auf dem Werks­ge­län­de.» Die Angaben konnten nicht unabhän­gig überprüft werden.

Große Teile von Mariu­pol befin­den sich inzwi­schen unter Kontrol­le des russi­schen Militärs. In Mariu­pol hielten sich noch rund 100.000 Einwoh­ner auf, sagte Werschi­nin. Die russi­schen Truppen ließen sie für Essen Trümmer räumen sowie Leichen bergen und in Massen­grä­bern beerdi­gen, behaup­te­te er. Mariu­pol hatte vor dem Krieg rund 400.000 Einwoh­ner. Nach der langen Belage­rung und dem Dauer­be­schuss werden Tausen­de Tote unter den Zivilis­ten befürchtet.

Selen­skyj: Menschen­schick­sa­le hängen von Waffen­lie­fe­run­gen ab

Selen­skyj warnte, dass das russi­sche Militär für die nächs­te Zeit eine Offen­si­ve in der Indus­trie­re­gi­on Donbass im Osten der Ukrai­ne vorbe­rei­te: «So wie die russi­schen Truppen Mariu­pol zerstö­ren, wollen sie auch andere Städte und Gemein­den in den Gebie­ten Donezk und Luhansk dem Erdbo­den gleichmachen.»

Man sei den Partnern dankbar, die helfen. «Aber dieje­ni­gen, die von uns benötig­te Waffen und Muniti­on haben und ihre Hilfe zurück­hal­ten, müssen wissen, dass das Schick­sal dieser Schlacht auch von ihnen abhängt. Das Schick­sal von Menschen, die geret­tet werden können», sagte Selenskyj.

Er nannte keine Länder beim Namen. Jedoch hatte es zuletzt in Deutsch­land Streit in der Ampel-Koali­ti­on über die Liefe­rung schwe­rer Waffen gegeben. Politi­ker von Grünen und FDP hatten Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) Zaudern vorge­wor­fen. Militär­ex­per­ten gehen davon aus, dass die Ukrai­ne im Osten des Landes deutlich mehr schwe­re Waffen brauchen wird, um gegen Angrif­fe zu bestehen. Das liegt unter anderem an dem offenen Terrain ohne große Wälder.

Selen­skyj kündig­te angesichts des befürch­te­ten Großan­griffs im Osten des Landes harte Gegen­wehr an. «Wir werden unser Terri­to­ri­um nicht aufge­ben», sagte er dem Nachrich­ten­sen­der CNN. Die Schlacht in der Region Donbass könne den Verlauf des gesam­ten Krieges beeinflussen.

Gouver­neur: Ukrai­ni­sche Truppen erobern Orte bei Charkiw zurück

Die ukrai­ni­schen Truppen konnten nach Behör­den­an­ga­ben bei einer Gegen­of­fen­si­ve mehre­re Ortschaf­ten in der Nähe der Großstadt Charkiw im Nordos­ten zurück­er­obern. Damit seien die russi­schen Truppen weiter von der zweit­größ­ten Stadt der Ukrai­ne zurück­ge­drängt wurden, teilte der Gouver­neur des Gebiets, Oleh Synje­hub­ow, in seinem Kanal beim Messa­ging-Dienst Telegram mit.

Zuvor hatten die Behör­den gemel­det, dass beim Beschuss des Stadt­zen­trums am Sonntag mindes­tens 5 Menschen getötet und 13 verletzt worden seien.