KIEW (dpa) — Der ukrai­ni­sche Präsi­dent stärkt seinen Grenz­trup­pen moralisch den Rücken. Während­des­sen entstaubt Russland veral­te­tes Gerät für den Einsatz an der Front. Die News im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat nach einem Besuch der Grenz­re­gi­on zu Russland einmal mehr die Stärke der Ukrai­ner angesichts der anhal­ten­den Bedro­hung durch Moskau betont. Nach schwe­ren Verlus­ten holt Russland US-Erkennt­nis­sen zufol­ge unter­des­sen veral­te­te Panzer aus den Depots, von denen einige noch aus den 50er Jahren stammen.

Selen­skyj nach Truppen­be­such: Wir sind stärker

«Die Bedro­hung ist ständig, unsere Grenze wird ständig beschos­sen», sagte Selen­skyj gestern in seiner allabend­li­chen Video­an­spra­che über die Eindrü­cke seines Besuchs in der Region Sumy im Nordos­ten der Ukrai­ne. «Aber das Leben und unsere Menschen sind offen­sicht­lich stärker als alle Ängste.»

Bei seinem Besuch in Sumy hatte sich Selen­skyj mit den Befehls­ha­bern der dort einge­setz­ten Grenz­trup­pen getrof­fen. «Die starken Stellun­gen entlang der gesam­ten Grenze zum Terror­staat (Russland) sind eine Folge der Stärke unseres Volkes, das jeder­zeit bereit ist, die Grenze zu vertei­di­gen», sagte Selen­skyj. Ukrai­ni­sche Grenz­trup­pen schir­men im Nordos­ten einen mehre­re hundert Kilome­ter langen Abschnitt an der gemein­sa­men Grenze mit Russland ab, um dort ein Eindrin­gen russi­scher Einhei­ten zu verhindern.

Lage in Bachmut «sehr dynamisch»

Die Lage in der schwer umkämpf­ten ostukrai­ni­schen Stadt Bachmut ist nach den Worten eines ukrai­ni­schen Militärs «sehr dynamisch». Manch­mal habe sogar der Gegner takti­sche Vortei­le, sagte der Sprecher der ukrai­ni­schen Ostfront, Serhij Tsche­re­wa­tyj, am Abend im Fernse­hen. Doch diese Vortei­le seien vorher­seh­bar. «Wir erken­nen sie und ergrei­fen Gegenmaßnahmen.»

Einen wie auch immer gearte­ten strate­gi­schen Vorteil gebe es nicht. «Die Lage ist stabil, aber schwie­rig», sagte Tsche­re­wa­tyj. «Bei Kämpfen und Gegen­maß­nah­men geht es darum, dem Gegner die Möglich­keit zu nehmen, seine Angrif­fe erfolg­reich auszu­wei­ten.» Um Bachmut wird seit Monaten gekämpft. Die auf russi­scher Seite dort agieren­de Söldner­trup­pe Wagner bedroht die Stadt von Osten, Norden und Süden.

Penta­gon: Russland will alte Panzer einsetzen

Angesichts der massi­ven Zerstö­rung gepan­zer­ter Fahrzeu­ge durch das ukrai­ni­sche Militär sieht sich Russland nach Ansicht von US-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Lloyd Austin gezwun­gen, auf jahrzehn­te­al­te Panzer aus Sowjet­zei­ten zurück­zu­grei­fen. Die Ukrai­ne habe den russi­schen Bestand gepan­zer­ter Fahrzeu­ge ausge­dünnt «auf eine Weise, wie es sich niemand vorstel­len konnte», sagte Austin bei einer Anhörung im Senat. «Deswe­gen sehen wir Russland sich jetzt um T‑54 und T‑55 Panzer bemühen angesichts des Ausma­ßes der Schäden, die ihnen die Ukrai­ne zugefügt hat.»

Die Panzer­mo­del­le wurden von der Sowjet­uni­on im Wesent­li­chen nach dem Zweiten Weltkrieg entwi­ckelt. Nach Angaben des US-Insti­tuts für Kriegs­stu­di­en (ISW) verfü­gen die Panzer über eine deutlich leich­te­re Panze­rung und kleine­re Kanonen als aktuel­le­re Modelle.

Ukrai­ni­scher Netzbe­trei­ber verspricht Strom

Die Ukrai­ne erwar­tet trotz der Vielzahl russi­scher Raketen­an­grif­fe auf ihre Energie-Infra­struk­tur im Winter für die kommen­den sechs Monate keinen Strom­man­gel. «Das ukrai­ni­sche Energie­sys­tem ist Teil des europäi­schen und so haben wir die Möglich­keit, Strom zu impor­tie­ren, wenn unser eigener nicht ausreicht», sagte der Chef des staat­li­chen Energie­ver­sor­gers Ukren­er­ho, Wolodym­yr Kudryz­kyj. So könne die Situa­ti­on in den Frühlings- und Sommer­mo­na­ten im Energie­sys­tem ausge­gli­chen werden. «Doch auf den nächs­ten Winter muss man sich gut vorbe­rei­ten», beton­te der 36-Jähri­ge. Dabei gehe es vor allem um die Repara­tur beschä­dig­ter Kraft­werks­blö­cke von Wärme- und Wasserkraftwerken.

Russland hat die Ukrai­ne vor mehr als 13 Monaten überfal­len. Von Oktober an attackier­te es massiv mit Raketen und Drohnen das Strom­netz des Nachbar­lan­des. Infol­ge­des­sen gab es in vielen Gebie­ten der Ukrai­ne Strom nur stunden­wei­se. Millio­nen Menschen litten unter den Proble­men bei der Wasser- und Fernwärmeversorgung.

Kiew: Irani­sche Drohnen mit Bautei­len aus dem Westen

Die von Russland einge­setz­ten sogenann­ten Kamika­ze-Drohnen aus irani­scher Produk­ti­on bestehen nach Erkennt­nis­sen ukrai­ni­scher Militärs in erheb­li­chem Maß aus Bautei­len aus westli­cher Produk­ti­on. Wie ukrai­ni­sche Medien am Diens­tag berich­te­ten, haben Exper­ten abgeschos­se­ne und weniger beschä­dig­te Drohnen des Typs Shahed-131 und Shahed-136 zerlegt und unter­sucht. Ein Großteil der Bautei­le stamme aus dem Westen und könne zum Beispiel über den chine­si­schen Online-Händler Aliex­press bestellt werden.

Wichtigs­tes Bauteil sei eine CRPA-Anten­ne, die Signa­le aus einem Naviga­ti­ons­sa­tel­li­ten empfan­ge und daher auch nicht von der elektro­ni­schen Flugab­wehr gestört werden könne. Selbst bei einem Ausfall der Satel­li­ten­ver­bin­dung könne die Drohne ihren Flug nahezu zielge­nau fortset­zen. Die erfor­der­li­che Techno­lo­gie sei unter anderem in Israel entwi­ckelt worden, hieß es.

Was heute wichtig wird

Irans Außen­mi­nis­ter Hussein Amirab­dol­la­hi­an trifft in Moskau seinen russi­schen Kolle­gen Sergej Lawrow. Der Iran unter­stützt Moskau im Krieg gegen die Ukrai­ne mit sogenann­ten Kamikaze-Drohnen.

In einer von den Koali­ti­ons­frak­tio­nen beantrag­ten Aktuel­len Stunde im Deutschen Bundes­tag wollen die Abgeord­ne­ten heute über die Massa­ker im Kiewer Vorort Butscha vor einem Jahr sprechen. SPD, Grüne und FDP plädie­ren für ein Geden­ken und eine «straf­recht­li­che Aufar­bei­tung». Nach dem Abzug russi­scher Truppen wurden im Frühjahr 2022 in Butscha Hunder­te Leichen von Zivilis­ten gefunden.