KIEW (dpa) — Russlands Großof­fen­si­ve in der Ostukrai­ne läuft. Moskau hat dafür nach ukrai­ni­schen Angaben «fast alle und alles, was fähig ist, mit uns zu kämpfen, zusam­men­ge­trie­ben». Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Die Ukrai­ne sieht sich im Osten des Landes mit einem massi­ven russi­schen Truppen­auf­marsch konfrontiert.

«Jetzt ist praktisch der gesam­te kampf­be­rei­te Teil der russi­schen Armee auf dem Terri­to­ri­um unseres Staates und in den Grenz­ge­bie­ten Russlands konzen­triert», sagte Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in seiner nächt­li­chen Video­bot­schaft. Russland setzte den Vertei­di­gern der einge­kes­sel­ten Stadt Mariu­pol eine weite­re Frist. In Deutsch­land geht die Debat­te um die Liefe­rung schwe­re­rer Waffen weiter.

Die russi­sche Seite habe «fast alle und alles, was fähig ist, mit uns zu kämpfen, zusam­men­ge­trie­ben», sagte Selen­skyj. Er forder­te erneut Waffen.

London sieht Proble­me für russi­sche Angriffe

Nach Erkennt­nis­sen des Londo­ner Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums verstärkt die russi­sche Armee entlang der Demar­ka­ti­ons­li­nie zum Donbass in der Ostukrai­ne die Angrif­fe. Die Ukrai­ne wehre aber zahlrei­che Vorstö­ße russi­scher Truppen ab, teilte das briti­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um unter Berufung auf Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen mit. Russi­sche Fortschrit­te würden weiter­hin durch das Gelän­de sowie logis­ti­sche und techni­sche Schwie­rig­kei­ten behin­dert. Dazu komme auch die Wider­stands­fä­hig­keit der hochmo­ti­vier­ten ukrai­ni­schen Armee.

Dass es Russland nicht gelun­gen sei, den Wider­stand in der umkämpf­ten südost­ukrai­ni­schen Hafen­stadt Mariu­pol auszu­mer­zen sowie die wahllo­sen russi­schen Angrif­fe, die Zivilis­ten treffen, seien weite­re Hinwei­se darauf, dass Moskau seine Ziele nicht so schnell wie erhofft erreiche.

Drama­ti­scher Appell aus Mariupol

In einem drama­ti­schen Appell bat der ukrai­ni­sche Komman­deur der verblie­be­nen Marine­infan­te­ris­ten in der schwer umkämpf­ten Hafen­stadt Mariu­pol um eine Evaku­ie­rung in einen Dritt­staat. «Der Feind ist uns 10 zu 1 überle­gen», sagte Serhij Wolyna, Komman­deur der ukrai­ni­schen 36. Marine­infan­te­rie­bri­ga­de, in einer am frühen Mittwoch­mor­gen auf Facebook veröf­fent­lich­ten Video­bot­schaft. «Wir appel­lie­ren an alle führen­den Politi­ker der Welt, uns zu helfen.» Er bitte darum, das Militär der Mariu­pol-Garni­son, mehr als 500 verwun­de­te Kämpfer und Hunder­te Zivilis­ten auf dem Terri­to­ri­um eines Dritt­lan­des in Sicher­heit zu bringen. «Das ist unser Appell an die Welt», sagte Wolyna. «Das könnte der letzte Appell unseres Lebens sein.»

Zum TV-Sender CNN sagte Wolyna, eine Evaku­ie­rung könne etwa per Schiff oder per Heliko­pter erfolgen.

Moskau hatte am Diens­tag­abend eine neue Frist für die in einem Stahl­werk verschanz­ten letzten Vertei­di­ger in Mariu­pol angekün­digt. General­oberst Michail Misin­zew kündig­te eine einsei­ti­ge Feuer­pau­se samt «humani­tä­rem Korri­dor» aus dem Stahl­werk für Mittwoch, 14.00 Uhr Moskau­er Zeit (13.00 Uhr MEZ) an. Im Zuge dieser Feuer­pau­se könnten sich ukrai­ni­sche Kämpfer ergeben und Zivilis­ten evaku­iert werden, heißt es der Mittei­lung des russi­schen General­oberst. Russland will die strate­gisch wichti­ge Hafen­stadt komplett unter Kontrol­le bringen. Frühe­re Ultima­ten an die Vertei­di­ger ließen diese verstreichen.

Kanada kündigt Liefe­rung von schwe­ren Waffen an

Kanada will schwe­re Artil­le­rie­waf­fen zur Vertei­di­gung der Ukrai­ne gegen den Angriff Russlands schicken. Das sagte Premier­mi­nis­ter Justin Trudeau am Diens­tag in New Bruns­wick. Details zu den Waffen und ihren Kosten sollen in den kommen­den Tagen vorge­stellt werden.

USA sehen ukrai­ni­sche Luftwaf­fe besser gerüstet

Das US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um teilte seine Einschät­zung mit, dass die ukrai­ni­sche Luftwaf­fe aktuell besser da stehe als vor zwei Wochen. Verbün­de­te Staaten, die mit den gleichen Flugzeug­ty­pen Erfah­rung hätten, hätten den Ukrai­nern dabei gehol­fen, mehr Flugzeu­ge einsatz­be­reit zu machen, erklär­te der Sprecher. «In diesem Moment haben die Ukrai­ner mehr Kampf­flug­zeu­ge zur Verfü­gung als noch vor zwei Wochen.»

Ukrai­ni­scher General­stab spricht von erfolg­lo­sen Angriffen

Der ukrai­ni­sche General­stab berich­tet von erfolg­lo­sen russi­schen Versu­chen, die Städte Rubisch­ne und Sjewjer­odo­nezk im ostukrai­ni­schen Gebiet Luhansk zu stürmen. «Nach den Erstür­mungs­ver­su­chen der russi­schen Okkupan­ten in Rubisch­ne und Sjewjer­odo­nezk wurden 130 verletz­te Solda­ten des Gegners in das örtli­che Kranken­haus von Nowoaj­dar einge­lie­fert», teilte der General­stab in seinem Lagebe­richt mit.

Separa­tis­ti­sche Gruppie­run­gen der «Volks­re­pu­blik» Luhansk vermel­de­ten unter­des­sen die Einnah­me einer Klein­stadt im Gebiet Luhansk. Die Stadt Kremin­na sei «vollstän­dig» unter Kontrol­le der Einhei­ten der «Volks­re­pu­blik», teilte die Luhans­ker «Volks­mi­liz» am Diens­tag­abend auf Telegram mit.

Laut der jüngs­ten Analy­se des US-Kriegs­for­schungs­in­sti­tuts ISW war der Vorstoß nach Kremin­na die einzi­ge russi­sche Boden­of­fen­si­ve binnen 24 Stunden, die «signi­fi­kan­te Fortschrit­te» gemacht habe.

Explo­sio­nen in südukrai­ni­scher Stadt Mykolajiw

Aus der südukrai­ni­schen Großstadt Mykola­jiw wurde erneut Beschuss gemel­det. «Wieder Explo­sio­nen in Mykola­jiw», schrieb der Bürger­meis­ter der Stadt, Olexan­der Senke­wytsch, am frühen Mittwoch­mor­gen auf Telegram. Er forder­te die Einwoh­ner der Stadt dazu auf, sich von den Fenstern fernzu­hal­ten und an siche­ren Orten zu bleiben. Der ukrai­ni­schen Nachrich­ten­agen­tur Unian zufol­ge berich­te­ten Bewoh­ner der Stadt zudem davon, dass stellen­wei­se Feuer ausge­bro­chen sei. Über Schäden und Opfer gab es zunächst keine Angaben.

Das wird heute wichtig

Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock reist nach Lettland, Estland und Litau­en. Im Mittel­punkt der Gesprä­che stehen nach Angaben des Auswär­ti­gen Amtes die Reakti­on von EU, Nato und inter­na­tio­na­ler Gemein­schaft auf den russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne. Weite­res Thema dürfte die Sicher­heits­la­ge in der gesam­ten Region sein.

Als Reakti­on auf den Krieg will Bundes­ent­wick­lungs­mi­nis­te­rin Svenja Schul­ze bei der Weltbank-Tagung in Washing­ton (21./22. April) dafür werben, ein Bündnis für globa­le Ernäh­rungs­si­cher­heit zu schaf­fen. Vor ihrer Abrei­se äußert sie sich bei einer Pressekonferenz.

Der polni­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Mariusz Blaszc­zak trifft in Washing­ton seinen US-Kolle­gen Lloyd Austin.