Die Verhand­lun­gen zwischen der Ukrai­ne und Russland über ein Ende der Kämpfe sind nach Angaben aus Kiew unter­bro­chen worden und sollen am Diens­tag fortge­setzt werden.

Es handle sich um eine techni­sche Pause für zusätz­li­che Gesprä­che in Arbeits­grup­pen und eine «Klärung indivi­du­el­ler Defini­tio­nen», twitter­te der ukrai­ni­sche Präsi­den­ten­be­ra­ter Mycha­j­lo Podol­jak. «Die Verhand­lun­gen dauern an.»

Beide Seiten hatten sich erstmals in größe­rer Runde per Video­schal­te getrof­fen. Zuvor hatten sich die Delega­tio­nen drei Mal persön­lich in Belarus getrof­fen. Einen Durch­bruch gab es bisher nicht, aller­dings hatten sich beide Seite am Wochen­en­de zurück­hal­tend optimis­tisch geäußert.

Die Ukrai­ne fordert ein Ende des Kriegs und den Abzug russi­scher Truppen. Moskau verlangt, dass Kiew die Krim als russi­sches Terri­to­ri­um und die ostukrai­ni­schen Separa­tis­ten­ge­bie­te als unabhän­gi­ge Staaten anerkennt.

Angriff auf Hochhaus in Kiew

Im Norden der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew ist am Morgen bei einem Angriff auf ein Hochhaus ein Feuer ausge­bro­chen. Mindes­tens zwei Menschen seien getötet worden, berich­tet das ukrai­ni­sche Fernsehen.

Der staat­li­che Zivil­schutz teilte zunächst mit, dass 63 Menschen evaku­iert worden seien. Die Suche nach Opfern dauere an. Auf Fotos und Videos war zu sehen, wie Feuer­wehr­leu­te Bewoh­ner mit Hilfe von Drehlei­tern rette­ten. Rauch stieg aus mehre­ren Etagen auf.

Das Feuer sei mittler­wei­le gelöscht. Das Hochhaus soll von einem Artil­le­rie­ge­schoss getrof­fen worden sein. Das ließ sich nicht überprüfen.

Ukrai­ne: Tote bei Angriff auf Trinkwasserstation

Nach einem Bomben­an­griff auf eine Pumpsta­ti­on in der nordukrai­ni­schen Stadt Tscher­ni­hiw fiel nach Betrei­ber­an­ga­ben die Trink­was­ser­ver­sor­gung aus. Vier Menschen seien auf dem Gelän­de der Anlage getötet worden, teilte der ukrai­ni­sche Verband der Wasser­ver­sor­gungs- und Kanali­sa­ti­ons­un­ter­neh­men mit. Auf Fotos waren etwa Schäden an einem unter­ir­di­schen Wasser­be­cken zu sehen. Es werde alles unter­nom­men, um die Stadt mit 300.000 Einwoh­nern wieder mit Wasser zu versor­gen, hieß es.

Im Gebiet Tscher­ni­hiw wurde zudem ein Gebäu­de auf dem Gelän­de einer Gasspei­cher­an­la­ge angegrif­fen, wie der Netzbe­trei­ber Ukrtrans­gaz mitteil­te. Eine Grana­te habe eine Metha­nol-Pumpsta­ti­on beschä­digt. Das Perso­nal sei in Sicher­heit gebracht worden. Es wurde den Angaben zufol­ge niemand verletzt.

UN dokumen­tie­ren Tod von 636 Zivilisten

Das UN-Hochkom­mis­sa­ri­at für Menschen­rech­te hat seit dem Einmarsch russi­scher Truppen am 24. Febru­ar den Tod von 636 Zivil­per­so­nen in der Ukrai­ne dokumen­tiert. Unter ihnen waren 46 Kinder und Jugend­li­che, wie das Büro in Genf mitteil­te. Am Vortag waren es noch insge­samt 596 Tote. Dem Büro lagen zudem verifi­zier­te Infor­ma­tio­nen über 1125 Verletz­te vor. Am Vortag waren es 1067.

Die UN-Hochkom­mis­sa­rin für Menschen­rech­te, Michel­le Bache­let, betont stets, dass die tatsäch­li­chen Zahlen mit Sicher­heit deutlich höher liegen. Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter bräuch­ten oft Tage, um Opfer­zah­len zu überprü­fen. Das Hochkom­mis­sa­ri­at gibt nur Todes- und Verletz­ten­zah­len bekannt, die es selbst unabhän­gig überprüft hat.

Kiew erwar­tet Offen­si­ven russi­scher Truppen

Nach Angaben des ukrai­ni­schen General­stabs berei­ten russi­sche Truppen im Land mehre­re Offen­si­ven vor. Dafür versuch­ten die Einhei­ten, sich an bisher von ihnen einge­nom­me­nen Punkten festzu­set­zen, Nachschub zu sichern und sich neu zu gruppie­ren, hieß es in einem in der Nacht zu Montag auf Facebook veröf­fent­lich­ten Bericht. Sobald dies gesche­hen sei, erwar­te man neue Angrif­fe etwa auf die Städte Charkiw im Osten, Sumy im Nordos­ten oder auch den Kiewer Vorort Browari.

Im Gebiet Luhansk im Osten des Landes konzen­trie­re sich Russland vor allem auf den Vormarsch in Richtung Sjewjer­odo­netsk. Moskau hatte am Sonntag mitge­teilt, dass Kämpfer der prorus­si­schen Separa­tis­ten den östli­chen und südli­chen Teil der Stadt mit 100.000 Einwoh­nern blockiert hätten. Die Angaben waren nicht unabhän­gig zu überprüfen.

Penta­gon: Russi­sches Militär kommt nur langsam voran

Nach Einschät­zung der US-Regie­rung macht das rusische Militär nur langsam Fortschrit­te beim Vorstoß auf die ukrai­ni­sche Haupt­stadt Kiew. Stellen­wei­se seien die Solda­ten weiter rund 15 Kilome­ter vom Stadt­zen­trum entfernt, sagte ein hoher US-Vertei­di­gungs­be­am­ter. Ein kilome­ter­lan­ger, ins Stocken gerate­ner russi­scher Militär­kon­voi sei auch nicht wirklich vorangekommen.

Die nordukrai­ni­sche Stadt Tscher­ni­hiw sei im Wesent­li­chen isoliert. Aber auch dort gibt es dem Penta­gon zufol­ge kaum Fortschrit­te des russi­schen Militärs, weil der Wider­stand der Ukrai­ner demnach sehr stark ist.

«Läuft nicht alles wie gewünscht»

Ein Gefolgs­mann Putins, der Chef der russi­schen Natio­nal­gar­de Viktor Solotow, erläu­ter­te: «Ich möchte sagen, dass, ja, nicht alles so schnell läuft, wie man sich das wünschen würde.» Er sprach davon, dass sich «Nazis­ten» in der Region hinter fried­li­chen Bürgern, in Schulen, Kinder­gär­ten und Wohnhäu­sern verste­cken würden.

Die Zahl der seit Kriegs­be­ginn zerstör­ten ukrai­ni­schen Militär­ob­jek­te liegt nach russi­schen Angaben inzwi­schen bei rund 4000 — darun­ter mehr als 1200 Panzer und gepan­zer­te Fahrzeuge.

Russland: Einnah­me ukrai­ni­scher Städte nicht ausgeschlossen

Russland schließt die Einnah­me großer Städte in der Ukrai­ne nicht aus. «Zu Beginn der Opera­ti­on hat der russi­sche Präsi­dent das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um angewie­sen, von einem sofor­ti­gen Angriff auf die großen Bevöl­ke­rungs­zen­tren, einschließ­lich Kiews, abzuse­hen», sagte Kreml­spre­cher Dmitri Peskow in Moskau der Agentur Inter­fax zufolge.

Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um schlie­ße nun aber «unter Wahrung der größt­mög­li­chen Sicher­heit für die Zivil­be­völ­ke­rung die Möglich­keit nicht aus, die vollstän­di­ge Kontrol­le über große besie­del­te Gebie­te zu überneh­men, die jetzt praktisch umzin­gelt sind», sagte Peskow. Er begrün­de­te dies damit, dass «natio­na­lis­ti­sche Forma­tio­nen» angeb­lich «militä­ri­sches Gerät» in Wohnge­bie­ten platziert hätten. Das führe zu Opfern unter Zivilisten.

Russi­sche Truppen hatten aber bereits nach Kriegs­be­ginn Städte wie Charkiw ins Visier genom­men. Nach Ansicht westli­cher Militär­be­ob­ach­ter leistet die ukrai­ni­sche Armee hefti­ge­ren Wider­stand, als zunächst erwar­tet wurde.

Kiew: Großflä­chi­ge Evaku­ie­rung aus Mariu­pol gescheitert

Geplan­te Evaku­ie­run­gen von Zivilis­ten aus der belager­ten Hafen­stadt Mariu­pol sind ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge auch am 19. Kriegs­tag weitge­hend geschei­tert. Zwar hätte eine Kolon­ne von Privat­au­tos Mariu­pol am Montag in Richtung der mehr als 70 Kilome­ter westlich gelege­nen Stadt Berdjansk verlas­sen können, sagte Vizere­gie­rungs­chefin Iryna Werescht­schuk der Agentur Unian zufol­ge. «Aber unsere humani­tä­re Fracht ist weiter nicht in Mariu­pol angekom­men, sie ist noch in Berdjansk.» Die Situa­ti­on in Mariu­pol sei katastro­phal, beton­te Werescht­schuk: «Die Menschen kämpfen um Essen und Wasser, dort spielt sich ein Alptraum ab.»

Werescht­schuk wider­sprach ausdrück­lich Angaben des russi­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, wonach eine Massen­eva­ku­ie­rung von Zivilis­ten einge­lei­tet worden sei. Der russi­sche General­ma­jor Michail Misin­zew hatte zudem gesagt, ein erster Hilfs­kon­voi habe erfolg­reich 450 Tonnen Medika­men­te, Lebens­mit­tel und Babynah­rung geliefert.

Misin­zew hatte zudem zuvor von militä­ri­schen Erfol­gen im Kampf um Mariu­pol berich­tet. Die russi­schen Streit­kräf­te hätten fast alle ukrai­ni­schen Gefechts­stel­lun­gen in den Voror­ten der Stadt am Asowschen Meer zerstört, sagte der General­ma­jor. Er bestä­tig­te erneut, dass die südukrai­ni­schen Großstäd­te Cherson und Melito­pol vollstän­dig unter russi­scher Kontrol­le seien.

Ukrai­ni­scher Außen­mi­nis­ter sieht inter­na­tio­na­le Erfolge

In der Ausein­an­der­set­zung mit Russland sieht der ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba wichti­ge Erfol­ge seines Landes auf inter­na­tio­na­lem Gebiet. Die Ukrai­ne gewin­ne den Infor­ma­ti­ons­krieg, sagte Kuleba in einem Facebook-Video.

«Niemand in der Welt glaubt den russi­schen Narra­ti­ven.» Russland hatte den Angriff unter anderem damit begrün­det, dass das Nachbar­land von Nazis in der Führung befreit und entwaff­net werden müsse.

Die Einstel­lung zur Ukrai­ne habe sich inter­na­tio­nal geändert, sagte Kuleba. «Die Ukrai­ne ist derzeit so gut angese­hen in der Welt wie noch nie in ihrer Geschich­te.» Das Land erfah­re viel Solidarität.

Selen­skyj fordert erneut Flugverbotszone

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj rief den Westen erneut auf, den Luftraum über der Ukrai­ne zu schlie­ßen. «Wenn Sie das nicht tun, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis russi­sche Raketen auf Ihre Gebie­te fallen», sagte er in einer Videoansprache.

Die Nato lehnt eine Flugver­bots­zo­ne ab, um nicht in einen direk­ten Konflikt mit Russland verwi­ckelt zu werden. Die Ukrai­ne gehe durch die schwers­te Bewäh­rungs­pro­be ihrer Geschich­te, sagte Selenskyj.

Separa­tis­ten: 20 Tote durch ukrai­ni­sche Rakete

In der ostukrai­ni­schen Großstadt Donezk sind nach Angaben aus Moskau und der prorus­si­schen Separa­tis­ten mindes­tens 20 Menschen bei einem ukrai­ni­schen Raketen­an­griff getötet worden.

Das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um teilte mit, 28 weite­re Zivilis­ten seien schwer verletzt worden. Unter den Opfern seien Kinder. Von den Separa­tis­ten hieß es, die Rakete vom Typ Totschka‑U (Nato-Code: SS-21 Scarab) sei über Donezk abgefan­gen worden, Teile seien aber dennoch im Stadt­zen­trum niedergegangen.

Kiew wies die Vorwür­fe am Abend zurück. Es sei «eindeu­tig eine russi­sche Rakete oder eine andere Art von Muniti­on» gewesen, sagte Leonid Matjuch­in, ein Vertre­ter des ukrai­ni­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, der Agentur Inter­fax-Ukrai­ne zufol­ge. Die Angaben beider Seiten konnten nicht unabhän­gig überprüft werden.

Sowohl das Minis­te­ri­um als auch Separa­tis­ten­füh­rer Denis Puschi­lin beschul­dig­ten die Ukrai­ne, es habe sich um einen Angriff mit einer verbo­te­nen Streu­bom­be gehan­delt, die noch in der Luft über dem Ziel eine Vielzahl kleiner Spreng­kör­per freisetzt. Das sei ein Kriegs­ver­bre­chen, sagte Puschi­lin, der Chef der selbst ernann­ten «Volks­re­pu­blik Donezk».