ÜBERLINGEN (dpa) — Nach und nach kehren die Überlin­ger Waldrap­pe aus dem Winter­quar­tier in Itali­en zu ihrer Brutko­lo­nie zurück. Trotz Verlus­ten kann das Team, das die Auswil­de­rung der Vögel beglei­tet, einen Erfolg feiern.

Alle Vögel sind zwar noch nicht da, aber immer­hin schon elf: Von ursprüng­lich 36 Waldrap­pen in der Überlin­ger Kolonie ist knapp ein Drittel wohlbe­hal­ten aus dem italie­ni­schen Winter­quar­tier an den Boden­see zurück­ge­kehrt. Weite­re elf der gänse­gro­ßen Vögel seien derzeit unter­wegs über die Alpen, sagte der Projekt­lei­ter des für die Wieder­an­sied­lung zustän­di­gen Waldrapp­teams, Johan­nes Fritz. Zwei weite­re Waldrap­pe sollen sich noch auf den Weg nach Norden machen, fünf Jungvö­gel werden wohl in Itali­en bleiben.

Sieben Waldrap­pe der Überlin­ger Kolonie werden laut Fritz dagegen vermisst oder haben die Überwin­te­rung nicht überlebt — darun­ter ein Männchen, das am Oster­wo­chen­en­de mit Vergif­tungs­sym­pto­men in der Region Meran gefun­den worden sei. «Der Vogel wurde in einem Vogel­zen­trum gepflegt und behan­delt, ist aber am Montag verstor­ben», sagte Fritz. In der Region werde wegen großflä­chi­ger Obstplan­ta­gen viel Pflan­zen­schutz­mit­tel verwen­det. Man gehe davon aus, dass der Vogel ein vergif­te­tes Boden­tier geges­sen habe und daran veren­det sei.

Dennoch zog Projekt­lei­ter Fritz eine positi­ve Bilanz der Überwin­te­rung: «Die Frühjahrs­mi­gra­ti­on läuft präch­tig.» Es sei bei Waldrap­pen üblich, dass nur etwa ein Drittel der Jungtie­re überle­be, bis sie geschlechts­reif sind. «Auch wenn es schade um jeden toten Vogel ist, ist das alles im Rahmen», sagte Fritz. «Bei Weißstör­chen liegen die Verlus­te im ersten Lebens­jahr sogar bei etwa 60 Prozent.»

Darüber hinaus könne das Waldrapp­team dieses Jahr wohl einen weite­ren Erfolg in der Überlin­ger Kolonie verbu­chen. «Wir dürfen mit sieben oder acht Nestern am Boden­see rechnen», sagte Fritz. «Damit dürfte die Zahl der aufwach­sen­den Jungvö­gel größer sein als die Verlus­te. Die Kolonie wächst also schon im zweiten Brutjahr von sich aus.»

Positiv sei auch, dass sich bei der Fortpflan­zung Tiere aus Überlin­gen mit Waldrap­pen aus anderen Kolonien paaren — zum Beispiel aus dem bayeri­schen Burghau­sen und Kuchl in Österreich.

Dennoch solle die Überlin­ger Waldrapp-Kolonie in diesem Jahr zusätz­li­che Verstär­kung bekom­men, sagte Fritz. Dazu würden derzeit 32 Küken im Wiener Tiergar­ten Schön­brunn aufge­zo­gen. «Bei einem Brutaus­fall in einem Jahr oder dem Verlust von Jungvö­geln kann die Größe der Kolonie sonst leicht wieder abneh­men», sagte Fritz. Geplant sei deshalb, insge­samt vier Genera­tio­nen in Überlin­gen auszuwildern.

Waldrap­pe lebten bis ins 17. Jahrhun­dert im Alpen- und Mittel­meer­raum, unter anderem auch an Felswän­den in Überlin­gen. Dann wurden ihnen Vogel­jä­ger zum Verhäng­nis. Zuletzt waren die Zugvö­gel in freier Wildbahn praktisch ausge­stor­ben. Das Waldrapp­team hat sich die Wieder­an­sied­lung der Tiere in vier Brutko­lo­nien zum Ziel gesetzt. Bei der Reise ins italie­ni­sche Winter­quar­tier hatten die Vögel in Überlin­gen im Herbst den recht­zei­ti­gen Abflug verpasst — und wurden vom Waldrapp­team deshalb in Umzugs­kar­tons gen Süden gefahren.