BERLIN (dpa) — Während der Lockdowns haben sich viele Menschen in Deutsch­land Haustie­re angeschafft — und viele wollen sie nun wieder loswer­den. Das macht sich in Heimen bemerkbar.

Als Folge des Haustier­booms während der Corona-Lockdowns geraten viele deutsche Tierhei­me an ihre Grenzen.

«Seit dem Sommer müssen immer wieder einzel­ne Tierhei­me Aufnah­me­stopps verhän­gen, in Teilen Deutsch­lands spitzt sich die Lage zu», sagte Hester Pomme­re­ning vom Deutschen Tierschutz­bund der Deutschen Presse-Agentur. Während die Vermitt­lungs­la­ge bis Anfang 2021 relativ normal oder aufgrund der hohen Nachfra­ge nach Tieren sogar besser gewesen sei, habe sich dies mit Ende des zweiten Lockdowns im Frühjahr 2021 umgekehrt.

Die Nachfra­ge sei nicht mehr so groß, während gleich­zei­tig zahlrei­che Abgabe­tie­re, Fundtie­re und beschlag­nahm­te Tiere hinzu­kä­men. «Manche Tierhei­me haben zwar nach wie vor höchs­tens mit Einzel­fäl­len von Abgaben und kaum verän­der­ten Bestän­den zu tun, andere Tierhei­me hinge­gen haben gerade ganz massiv zu kämpfen», sagte Pommerening.

Sven Fraaß vom Hambur­ger Tierschutz­ver­ein von 1841, der das Tierheim Süder­stra­ße trägt, sagte der dpa: «Es haben sich defini­tiv mehr Menschen Tiere angeschafft.» Weil die Vermitt­lung gut klappe, seien die Zahlen im Tierheim trotz vieler Aufnah­men bisher nicht so hoch. Da es teilwei­se nicht mehr so einfach möglich war, einfach im Tierheim vorbei­zu­kom­men, habe man bei der Vermitt­lung mehr auf das Inter­net gesetzt. «Wir haben auch die Tiervor­stel­lun­gen auf unserer Websei­te stark ausge­baut», sagte Fraaß. Das sei gut angenom­men worden.

Beson­ders große Hunde und Katzen, aber auch Klein­tie­re wurden nach Angaben des Tierschutz­bun­des häufig von Menschen, die die Tiere wohl unüber­legt während der Lockdowns über Vermitt­lung im Inter­net, aus dem Zoofach­han­del oder vom Züchter zu sich holten, an die Tierhei­me abgege­ben. Hinzu kämen Fundtie­re, deren genaue Herkunft zwar unklar sei, deren Alter aber ebenfalls auf einen Corona-Hinter­grund hindeu­te. Auch beschlag­nahm­te Tiere, insbe­son­de­re Hunde­wel­pen, aus dem zuletzt florie­ren­den illega­len Handel fänden häufig ihren Weg in die Tierheime.

Fraaß sprach von einer «Welpen-Mafia», die den illega­len Handel mit jungen Hunden betrei­be. Früher habe man ungefähr ein halbes Dutzend solcher Tiere im Jahr bekom­men, jetzt seien es eher hundert. Kranke oder stören­de Hunde würden von den Händlern auch teilwei­se einfach im Müll entsorgt oder vergraben.

In Teilen Deutsch­lands scheint es zudem nach Infor­ma­tio­nen des Tierschutz­bun­des viel mehr Straßen­kat­zen zu geben, das Katzen­elend nehme vieler­orts drama­tisch zu. Einer Erhebung im Auftrag des Indus­trie­ver­bands Heimtier­be­darf und des Zentral­ver­bands Zoolo­gi­scher Fachbe­trie­be Deutsch­lands zufol­ge gab es von 2019 zu 2020 eine Zunah­me von knapp einer Milli­on Katzen in deutschen Haushal­ten. «Wenn diese nun vermehrt ausge­setzt oder sich selbst überlas­sen werden oder trotz Freigang schlicht nicht kastriert wurden, können sich die Tiere unkon­trol­liert vermeh­ren», sagte Pomme­re­ning. Viele Tierhei­me berich­te­ten von einer regel­rech­ten Katzenschwemme.

In Hamburg gebe es dieses Problem auch, sagte Fraaß. Zudem sei das ältere Katzen­haus des Tierheims einsturz­ge­fähr­det und deswe­gen nicht nutzbar. Das verschär­fe die Situation.

Auch die Feier­ta­ge machen dem Tierschutz­bund Sorgen: «Leider erleben wir alle Jahre wieder, dass Tiere zum Weihnachts­fest verschenkt werden», sagte Pomme­re­ning. «Aus Tierschutz­sicht muss klar gesagt werden: Tiere gehören nicht unter den Weihnachts­baum.» Auch von Spontan- und Überra­schungs­käu­fen rate man dringend ab. Viele Tiere endeten dann im Tierheim. Die Gründe seien vielfäl­tig: «Unerwar­te­te Kosten oder die bis dahin unbekann­ten Ansprü­che des Tieres lassen die Freude über ein neues Famili­en­mit­glied teils schnell verge­hen.» Oft bemerk­ten Eltern auch zu spät, dass ein Großteil der Versor­gung an ihnen hängen bleibe, sagte Pommerening.

Grund­sätz­lich gelte: Eine Adopti­on oder der Kauf eines Tieres sollte immer gut überlegt sein. Wer dann noch entschlos­sen sei, finde im Tierheim viele Tiere, die auf ein neues Zuhau­se warte­ten und Pflege­rin­nen und Pfleger, die beraten könnten.

Dem Deutschen Tierschutz­bund sind nach eigenen Angaben 16 Landes­ver­bän­de und rund 740 örtli­che Tierschutz­ver­ei­ne mit 550 vereins­ei­ge­nen Tierhei­men und Auffang­sta­tio­nen angeschlossen.