BERLIN (dpa) — Gerade kämpfen Kinder­kli­ni­ken mit Engpäs­sen. Doch auch generell ist die Lage vieler Kranken­häu­ser angespannt, was Patien­ten, Ärztin­nen und Pflege­kräf­te spüren. Kommt jetzt eine große Trend­wen­de in Gang?

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach will heute grund­le­gen­de Reform­vor­schlä­ge zur Zukunft der Kranken­häu­ser in Deutsch­land vorstel­len. Erklär­tes Ziel ist, die Versor­gung stärker von finan­zi­el­lem Druck zu lösen.

Dafür soll die bishe­ri­ge Vergü­tung über Pauscha­len für Behand­lungs­fäl­le entschei­dend verän­dert werden, wie der SPD-Politi­ker bereits angekün­digt hatte. Empfeh­lun­gen dazu hat eine Exper­ten­kom­mis­si­on der Bundes­re­gie­rung erarbei­tet. Ein erstes Geset­zes­pa­ket, das unter anderem mehr Geld für Kinder­kli­ni­ken vorsieht, hatte der Bundes­tag kürzlich beschlossen.

Die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft forder­te ein Gesamt­kon­zept für eine Reform. «Das ständi­ge Heraus­lö­sen von Einzel­lö­sun­gen bringt mehr Verwer­fun­gen als Fortschritt im System», sagte Vorstands­chef Gerald Gaß, den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Zuerst müsse auch die Finan­zie­rungs­lü­cke bei Betriebs- und Inves­ti­ti­ons­kos­ten der Klini­ken geschlos­sen werden, ehe eine Umver­tei­lung der Mittel starte.

Lauter­bach: Jetzi­ges System betont «billig und Menge»

Lauter­bach hatte vorab deutlich gemacht, dass es um «nicht weniger als eine Revolu­ti­on» in der Finan­zie­rung der Kranken­häu­ser gehe. «Wir haben das Gleich­ge­wicht verlo­ren zwischen Medizin und Ökono­mie», sagte er in der vergan­ge­nen Woche im Bundestag.

Das jetzi­ge System betone «billig und Menge». Man könne in Klini­ken aber nicht mit den gleichen Regeln vorge­hen wie beim Lebensmitteldiscounter.

Im Kern soll es um eine «Überwin­dung» der Fallpau­scha­len gehen. Das System habe sich mittler­wei­le so verselbst­stän­digt, dass es zulas­ten der Quali­tät der Versor­gung gehe, lautet Lauter­bachs Analy­se. Das liege an einem «Hamster­rad-Effekt»: Nur mit einer Steige­rung der Fallzah­len könnten Klini­ken ihr Budget halten oder erhöhen. Und es machten Klini­ken Gewinn, die für Leistun­gen möglichst wenig Geld ausgä­ben — höherer Aufwand bedeu­te dagegen tenden­zi­ell Verluste.

«Tatsäch­lich geht es den Kranken­häu­sern gar nicht gut», sagte der SPD-Politi­ker am Diens­tag im Deutsch­land­funk mit Blick auf das System der Fallpau­scha­len. Sie böten einen syste­ma­ti­schen Anreiz, dass die Klini­ken «in die Menge gehen» und oft zu viel machten. Darun­ter leide die Quali­tät. Lauter­bach sprach von einem Ungleich­ge­wicht zwischen medizi­ni­schen und ökono­mi­schen Aspekten.

Die Vergü­tung über Fallpau­scha­len war vor knapp 20 Jahren einge­führt worden, um das System effizi­en­ter zu machen und zum Beispiel auch zu kürze­ren Klinik­auf­ent­hal­ten für Patien­ten zu kommen. Dafür gibt es einen Katalog mit Fall- und Diagnosegruppen.

Mehr Patien­ten, mehr Einnahmen

Die Klini­ken bekom­men dann von der jewei­li­gen Kranken­kas­se pro Patient oder Behand­lungs­fall einen pauscha­len Euro-Betrag, wie der Spitzen­ver­band der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­run­gen (GKV) erläu­ter­te. Je mehr Patien­ten eine Klinik behan­delt, desto mehr Einnah­men erzielt sie. Schon aus den Pauscha­len heraus­ge­löst wurden Kosten fürs Pflege­per­so­nal, um Spardruck zulas­ten der Pflege zu besei­ti­gen. Die Kassen zahlen alle anfal­len­den Kosten.

Insge­samt machen die Ausga­ben für die bundes­weit rund 1900 Klini­ken den größten Einzel­pos­ten bei den gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­run­gen aus. Im vergan­ge­nen Jahr fielen nach Angaben des GKV-Spitzen­ver­bands fast 85,9 Milli­ar­den Euro dafür an — und damit etwa jeder dritte Euro gemes­sen an den gesam­ten Leistungs­aus­ga­ben von 263 Milli­ar­den Euro.

Generell ist die Finan­zie­rung der Kranken­häu­ser zweige­teilt: Die Betriebs­kos­ten samt Perso­nal zahlen die Kassen, Inves­ti­tons­kos­ten wie für Neubau­ten oder neue Geräte sollen die Bundes­län­der finanzieren.