BERLIN (dpa) — Die Infek­ti­ons­zah­len steigen rasant, die Kranken­häu­ser bemer­ken das langsam an den Patien­ten­zah­len. Der Gesund­heits­mi­nis­ter malt ein düste­res Bild — und die bundes­wei­te Inzidenz klettert auf einen nie da gewese­nen Wert.

In der aktuel­len Corona-Welle mit der hoch anste­cken­den Omikron-Varian­te warnt Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach vor einer hohen Zahl an Toten und massi­ven Einschrän­kun­gen bei Krankenhausbehandlungen.

«Uns drohen in Deutsch­land sehr schwe­re Wochen», sagte der SPD-Politi­ker der «Bild am Sonntag». «Wir dürfen uns mit Blick auf die aktuell sinken­den Kranken­haus­zah­len insbe­son­de­re auf den Inten­siv­sta­tio­nen nicht in Sicher­heit wiegen.» Die bundes­wei­te Sieben-Tage-Inzidenz überschritt unter­des­sen erstmals die 500er-Schwelle.

Das Robert Koch-Insti­tut melde­te am Sonntag­mor­gen erneut einen Höchst­wert: Demnach lag der Wert der Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner und Woche bei 515,7. Zum Vergleich: Am Vortag hatte er bei 497,1 gelegen. Die Gesund­heits­äm­ter in Deutsch­land melde­ten dem RKI binnen eines Tages 52.504 Neuin­fek­tio­nen. Vor einer Woche waren es 36.552 neue Ansteckungen.

Vor allem die Jünge­ren erkran­ken derzeit

Die Situa­ti­on in den Klini­ken werde sich wieder verschär­fen, so Lauter­bach. Momen­tan erkrank­ten vor allem die Jünge­ren, die viele Kontak­te hätten. Wenn sich die Älteren infizier­ten, werde die Zahl der Klinik­ein­wei­sun­gen wieder steigen. «Da kann es, je nach Entwick­lung, nicht nur bei den Inten­siv­sta­tio­nen knapp werden, sondern auch auf den norma­len Statio­nen. Es droht die Schlie­ßung ganzer Abtei­lun­gen», sagte er. «Eine Durch­seu­chung bedeu­tet, dass Hundert­tau­sen­de schwer krank werden und wir wieder viele Tausend Corona-Tote bekla­gen müssen.»

Der Virolo­ge Chris­ti­an Drosten sieht in der milder verlau­fen­den Omikron-Varian­te des Corona­vi­rus eine «Chance», in den endemi­schen Zustand zu kommen. Auf die entspre­chen­de Frage sagte der Virolo­ge dem «Tages­spie­gel am Sonntag»: «Es wäre eine Chance jetzt, breite Immuni­tät voraus­ge­setzt.» Drosten sagte, alle Menschen müssten sich früher oder später mit Sars-Cov‑2 infizie­ren. «Ja, wir müssen in dieses Fahrwas­ser rein, es gibt keine Alter­na­ti­ve», sagte er. «Wir können nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den Immun­schutz der ganzen Bevöl­ke­rung erhal­ten.» Das müsse das Virus machen. «Das Virus muss sich verbrei­ten, aber eben auf Basis eines in der breiten Bevöl­ke­rung veran­ker­ten Impfschut­zes» — sonst würden «zu viele Menschen sterben».

Die Kranken­häu­ser berich­ten bereits von mehr Patien­ten­auf­nah­men mit Covid-Erkran­kun­gen. «Wir sehen diesen Anstieg auf den Normal­sta­tio­nen bereits in manchen Regio­nen, so zum Beispiel in Bremen, Berlin, Hamburg und Schles­wig-Holstein», sagte der Präsi­dent der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft, Gerald Gaß, der «Augsbur­ger Allge­mei­nen» (Montag). «Im Unter­schied zu voran­ge­gan­ge­nen Wellen werden Patien­ten in den kommen­den Wochen aber wohl vermehrt in den Normal­sta­tio­nen ankom­men, da die Wahrschein­lich­keit, einen schwe­ren Verlauf zu haben, bei Omikron gerin­ger ist.»

Den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe sagte Gaß: «Wir werden elekti­ve Leistun­gen verschie­ben müssen.» Dies betref­fe ortho­pä­di­sche Opera­tio­nen genau­so wie Thera­pien für chroni­sche Erkran­kun­gen und Krebs­pa­ti­en­ten. «Wir können auch nicht ausschlie­ßen, dass das in vielen Fällen auch zu echten Schäden führt.»

Lauter­bach: Impflicht sollte drei Sprit­zen umfassen

Zur Debat­te über eine allge­mei­ne Impflicht sagte Lauter­bach der «Bild am Sonntag», diese sollte drei Sprit­zen umfas­sen. «Eine vollstän­di­ge Impfung besteht aus drei Dosen. Vollstän­dig Geimpf­te sind gegen alle Corona-Varian­ten — zumin­dest vor schwe­rer Krank­heit und Tod — geschützt. Daran muss sich die Impfpflicht orientieren.»

Die Mehrheit der Menschen in Deutsch­land vermisst derzeit einer Umfra­ge zufol­ge Führungs­stär­ke beim Bundes­kanz­ler und einen klaren Kurs in der Corona-Politik. 71 Prozent glauben, dass die Bundes­re­gie­rung keine klare Richtung in der Corona-Politik vorgibt, wie eine Umfra­ge des Insti­tuts Insa für die «Bild am Sonntag» ergab. 23 Prozent empfin­den das Gegen­teil, 6 Prozent machten keine Angaben. 61 Prozent der Befrag­ten sagen außer­dem, dass Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) zu wenig Führungs­stär­ke zeigt. 26 Prozent sehen das anders, 13 Prozent der Befrag­ten machten keine Angaben. Eine allge­mei­ne Impfpflicht befür­wor­ten 60 Prozent der Befrag­ten, 33 Prozent sind dagegen. Keine Angabe dazu machten 7 Prozent.