BERLIN (dpa) — Die letzten deutsche AKW sind abgeschal­tet. Für CSU-Chef Markus Söder ist die Sache aber noch nicht erledigt. Für seine jüngs­te Idee erntet er auch bei Wohlmei­nen­den Kopfschütteln.

Bundes­um­welt­mi­nis­te­rin Steffi Lemke (Grüne) hat den Vorstoß von Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU), die Zustän­dig­keit für die Atomkraft den Ländern zu übertra­gen, zurück­ge­wie­sen. Bei der FDP, die sich vor der Abschal­tung der letzten Meiler in Deutsch­land für länge­re AKW-Laufzei­ten einge­setzt hatte, sorgte Söders Forde­rung für Verwun­de­rung und Kritik. Zuspruch bekam der CSU-Chef aus der CDU.

Die letzten drei verblie­be­nen deutschen AKW waren am späten Samstag­abend abgeschal­tet worden, darun­ter Isar 2 in Bayern. Söder forder­te in der «Bild am Sonntag», das Atomge­setz noch einmal zu ändern und den Ländern die Zustän­dig­keit zu geben, damit Bayern den Meiler in eigener Regie weiter­be­trei­ben kann.

Lemke pochte auf die Zustän­dig­keit des Bundes für die Atomkraft und verwies darauf, dass die Länder bei dem Thema im Bundes­auf­trag handel­ten. «Es ist gerade­zu bedrü­ckend, wie ein Minis­ter­prä­si­dent geneh­mi­gungs- und verfas­sungs­recht­li­che Fragen und Aspek­te der nuklea­ren Sicher­heit so leicht­fer­tig ignoriert», sagte die Grünen-Politi­ke­rin der «Süddeut­schen Zeitung» und der «Bild»-Zeitung (Montag). «Selbst wenn man den Reaktor, wie Herr Söder es offen­sicht­lich will, wieder ans Netz bringen möchte, reicht es dazu nicht, ihm eine neue Laufzeit recht­lich einzu­räu­men. Es bedürf­te quasi einer Neuge­neh­mi­gung des Reaktors.»

«Söder wechselt seine Positio­nen wie Unterhosen»

Der frühe­re Bundes­um­welt­mi­nis­ter Jürgen Trittin (Grüne) sagte der «Welt», Söder werfe sich «mit großer Geste hinter einen abgefah­re­nen Zug». Die Zustän­dig­keit für die Kernener­gie liege nach dem Grund­ge­setz beim Bund, die Länder führten diese ledig­lich im Auftrag des Bundes aus. «Das gilt auch für Bayern, selbst zu Wahlkampf­zei­ten», beton­te Trittin. Aus Sicht von Bundes­tags­vi­ze­prä­si­den­tin Katrin Göring-Eckardt hat Söder mit seinem Vorstoß impli­zit eine Zusage gegeben, Atommüll in Bayern zu lagern, wie sie in der ARD-Sendung «Anne Will» sagte.

FDP-Politi­ker zeigten sich verwun­dert über Söders Aussa­gen. General­se­kre­tär Bijan Djir-Sarai machte in der «Rheini­schen Post» nochmals deutlich, dass die FDP Sympa­thie für einen länge­ren AKW-Betrieb habe. Djir-Sarai sagte in Richtung Söder aber: «Bis ein Gesetz zur Födera­li­sie­rung der Strom­erzeu­gung aus Kernener­gie beschlos­sen wäre, hätte er seine Meinung vermut­lich wieder geändert.» Als bayeri­scher Umwelt­mi­nis­ter habe Söder den Atomaus­stieg auch noch vorangetrieben.

FDP-Vize Johan­nes Vogel äußer­te sich ähnlich. «Markus Söder wechselt seine Positio­nen ja wie Unter­ho­sen», sagte Vogel in der ARD-Sendung «Anne Will». «So jemand Errati­schem würde ich ungern die Verant­wor­tung für Energie­po­li­tik geben», fügte Vogel hinzu.

Spahn stärkt Söder den Rücken

Bei der CDU findet Söder hinge­gen Befür­wor­ter seiner Idee. Unions­frak­ti­ons­vi­ze Jens Spahn schrieb auf Twitter, es brauche jetzt pragma­ti­sche Lösun­gen. «Wenn Bayern bereit ist, die politi­sche und fachli­che Verant­wor­tung für den Weiter­be­trieb zu überneh­men, sollte der Bund dies ermög­li­chen», beton­te er. Der Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der Unions­frak­ti­on, Thors­ten Frei (CDU), sagte der «Rheini­schen Post», die Kernener­gie aufzu­ge­ben, sei eine Fehlent­schei­dung. «Es ist deshalb richtig und Ausdruck seiner Verant­wor­tung als Minis­ter­prä­si­dent, wenn Markus Söder alle Möglich­kei­ten in Betracht zieht, um diesen groben Fehler doch noch abzuwenden.»