BERLIN/MÜNCHEN (dpa) — Trotz Geldstra­fen, Gefäng­nis und schar­fer Kritik wollen die Klima­schüt­zer der «Letzten Genera­ti­on» ihre Protes­te auswei­ten. Die Politik ringt um den richti­gen Umgang damit. Ein bundes­wei­tes Lagebild soll helfen.

Die Klima­schutz-Gruppe «Letzte Genera­ti­on» hat ab kommen­der Woche weite­re und verstärk­te Störak­tio­nen angekün­digt. «Der Wider­stand wird stärker werden. Und er hört auch nicht an Weihnach­ten auf und auch nicht im neuen Jahr», sagte Spreche­rin Carla Hinrichs bei einer Pressekonferenz.

Die Politik will die Gruppe nun bundes­weit stärker in den Blick nehmen, wie bei einem Treffen der Innen­mi­nis­ter von Bund und Ländern am Freitag in München deutlich wurde. Auch im Bundes­tag stand das Thema am Freitag auf der Tagesordnung.

Bayerns Innen­mi­nis­ter Joachim Herrmann (CSU), derzeit Vorsit­zen­der der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz, sagte nach Gesprä­chen mit seinen Länder­kol­le­gen und Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser (SPD), es zeige sich offen­kun­dig, dass eine straf­fe Organi­sa­ti­on hinter den Aktio­nen stehe. Daher sei es wichtig, nun ein bundes­wei­tes Lagebild zu erstel­len. Einige wenige Aktivis­ten seien den Behör­den bereits aus der links­extre­mis­ti­schen Szene bekannt.

Bilden Klima­ak­ti­vis­ten eine krimi­nel­le Vereinigung?

Branden­burgs Innen­mi­nis­ter Micha­el Stübgen (CDU) zufol­ge will das Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um Anfang des kommen­den Jahres einen Lagebe­richt zu den Aktio­nen der Klima­ak­ti­vis­ten vorle­gen. Er sprach sich zudem dafür aus, bei den Ermitt­lun­gen den Verdacht der Gründung einer krimi­nel­len Verei­ni­gung zu prüfen. Hessens Innen­mi­nis­ter Peter Beuth (CDU) äußer­te sich ähnlich. «Jeden­falls sehen die unions­ge­führ­ten Innen­mi­nis­ter die Notwen­dig­keit, dass diesem Verdacht, der sich aufdrängt, nachge­gan­gen wird», sagte er.

Der Chef der Deutschen Polizei­ge­werk­schaft, Rainer Wendt, forder­te eine Beobach­tung durch den Verfas­sungs­schutz. «Natür­lich müssen die Aktivis­ten vom Verfas­sungs­schutz beobach­tet werden, sie wollen das demokra­ti­sche System schwä­chen», sagte er der «Augsbur­ger Allge­mei­nen». Verfas­sungs­schutz­chef Thomas Halden­wang hatte das kürzlich abgelehnt und gesagt, er erken­ne gegen­wär­tig nicht, dass sich die Gruppie­rung gegen die freiheit­lich demokra­ti­sche Grund­ord­nung richte.

Die «Letzte Genera­ti­on» hat in den vergan­ge­nen Monaten immer wieder Straßen blockiert, Kunst­wer­ke attackiert oder etwa in Berlin den Haupt­stadt­flug­ha­fen BER zeitwei­se lahmge­legt. In Berlin und München wurden inzwi­schen viele Blockie­rer zu Geldstra­fen verur­teilt. In Bayern kamen einige vorbeu­gend ins Gefäng­nis, weil sie weite­re Störun­gen angekün­digt hatten. Die Gruppe fordert unter anderem ein Tempo­li­mit von 100 Kilome­tern pro Stunde auf Autobah­nen und ein 9‑Euro-Bahnti­cket für ganz Deutschland.

Mit Blick auf das Unter­bin­dungs­ge­wahr­sam wäre es gut, wenn die Länder einheit­li­che Regeln hätten, forder­te Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Faeser nach der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in München. In Bayern können in Einzel­fäl­len Perso­nen etwa für bis zu 30 Tage in Präven­tiv­ge­wahr­sam genom­men werden. In den meisten anderen Bundes­län­dern ist die maxima­le Dauer wesent­lich kürzer.

Berlin und München im Fokus der «Letzten Generation»

Vor allem für Berlin und München haben die Klima­ak­ti­vis­ten nun ab der nächs­ten Woche verstärk­te Störak­tio­nen angekün­digt. Größe­re Aktio­nen soll es demnach schon am Montag­mor­gen geben. Man ziele erneut auf die «Adern der Gesell­schaft», etwa Verkehrs­ver­bin­dun­gen, und «dort wird es weiter an allen Ecken und Enden Unter­bre­chun­gen geben», sagte einer der Mitgrün­der der Gruppe, Henning Jeschke.

Spreche­rin Hinrichs nannte eine «vierte Welle» des Protests, die seit Oktober laufe. Zahlrei­che Menschen in ganz Deutsch­land würden sich derzeit anschlie­ßen, von denen viele für Aktio­nen trainiert würden. «Wir lassen uns nicht von Gefäng­nis­stra­fen davon abhal­ten, für eine gute Zukunft zu kämpfen.»

Debat­te im Bundes­tag — Empörung über AfD

Über das Thema debat­tier­te am Freitag auch der Bundes­tag. Die AfD hatte eine Aktuel­le Stunde beantragt. Deren Abgeord­ne­te Beatrix von Storch sprach von «Klima-Spinnern», einem «Terror der “Letzten Genera­ti­on”» und forder­te härte­re Strafen. «Es ist Zeit, dass der Rechts­staat endlich die Samthand­schu­he auszieht», sagte sie. Die SPD warf der AfD vor, die Debat­te für Diffa­mie­run­gen zu nutzen. Der SPD-Abgeord­ne­te Helge Lindh nannte von Storchs Rede «wider­lich» und verglich diese mit Rheto­rik «aus Reden des Reichs­pro­ga­gan­da­mi­nis­te­ri­ums im Dritten Reich».

Grund­sätz­lich zeigten Redner von SPD, Grünen und Links­par­tei eher Verständ­nis für den Hinter­grund der Protest­ak­tio­nen der «Letzten Genera­ti­on», kriti­sier­ten aber auch die Metho­den. So gewin­ne man keine Mitstrei­ter im Kampf gegen den Klima­wan­del, sondern bringe die Menschen gegen sich auf, sagte die SPD-Politi­ke­rin Peggy Schie­ren­beck. Die FDP rief zu konse­quen­ter Anwen­dung der Geset­ze auf. Die CSU-Politi­ke­rin Mecht­hil­de Wittmann sprach von «Extre­mis­ten», denen es darum gehe den Rechts­staat zu verhöh­nen und die Bürger vorzuführen.