BERLIN/FRIEDEWALD (dpa) — Seit Monaten hielten sich Speku­la­tio­nen, ob Nancy Faeser als Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin die Hessen-SPD in den Landtags­wahl­kampf führt. Jetzt herrscht Klarheit — mit gemisch­ten Reaktionen.

Lob vom Bundes­kanz­ler, Kritik von der Opposi­ti­on: Die Reaktio­nen auf die Ankün­di­gung von Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser, bei der Landtags­wahl in Hessen als SPD-Spitzen­kan­di­da­tin antre­ten zu wollen, sind gemischt.

Während sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) sicher gab, dass die Arbeit seiner Minis­te­rin nicht beein­träch­tigt werde, kriti­sier­ten Politi­ker anderer Partei­en die neue Doppel­rol­le für Faeser. Heute wird sich die Politi­ke­rin selbst öffent­lich bei einem Treffen der Landes­par­tei im im osthes­si­schen Friede­wald erklären.

«Ja, ich kandidiere»

Faeser hatte ihre Spitzen­kan­di­da­tur gestern angekün­digt. «Ja, ich kandi­die­re», schrieb sie ihren Mitar­bei­tern im Minis­te­ri­um in einem Brief. Die 52-Jähri­ge erklär­te, ihr Amt als Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin vorerst behal­ten zu wollen. Auch im Fall einer Wahlnie­der­la­ge in Hessen wolle sie im Bundes­ka­bi­nett bleiben.

Scholz sagte dazu bei einer Frage­run­de mit Bürgern in Marburg: «Von Nancy Faeser, von der ich weiß, dass es eine sehr, sehr pflicht­be­wuss­te Frau ist, kann ich sagen: Die wird jeden Tag alles tun für die Aufga­be, die sie hat.» Faeser sei «eine hochpro­fes­sio­nel­le, tolle Minis­te­rin, die großar­ti­ge Arbeit leistet.»

SPD-General­se­kre­tär Kevin Kühnert gab sich mit Blick auf ihre Chancen bei der Wahl optimis­tisch. «Mit der Mischung aus lokaler Boden­haf­tung und bundes­po­li­ti­scher Erfah­rung hat sie optima­le Chancen, Hessen als Minis­ter­prä­si­den­tin neue Impul­se zu geben», sagte er den Sendern RTL/ntv. Faeser sei das mit Abstand Hessens bekann­tes­tes Gesicht und ihre Kandi­da­tur daher folgerichtig.

Faeser: demokra­ti­sche Selbstverständlichkeit

Faeser hatte bei der Verkün­dung ihrer Entschei­dung betont, es sei eine demokra­ti­sche Selbst­ver­ständ­lich­keit, dass Amtsin­ha­ber bei Wahlen anträ­ten. «Ich handha­be das genau­so wie Olaf Scholz und Armin Laschet im Bundes­tags­wahl­kampf, wie Angela Merkel in vielen Wahlkämp­fen zuvor und wie alle Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und Minis­ter­prä­si­den­ten, die in diesem Jahr für Wahlen kandi­die­ren», sagte Faeser.

Der Bund Deutscher Krimi­nal­be­am­ter melde­te keine Einwän­de gegen die Kandi­da­tur. «Ich halte Frau Faeser für eine sehr fähige Innen­mi­nis­te­rin», sagte der Vorsit­zen­de Dirk Peglow dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). «Und es gab schon andere Konstel­la­tio­nen, in denen Politi­ke­rin­nen und Politi­ker bei Wahlen kandi­diert haben, ohne ihr Amt aufzu­ge­ben.» Er könne die Aufre­gung nicht nachvollziehen.

Opposi­ti­on gegen «Teilzeit­mi­nis­te­rin»

Kritik hagel­te es dagegen von der politi­schen Konkur­renz. Der innen­po­li­ti­sche Sprecher der Unions­frak­ti­on im Bundes­tag, Alexan­der Throm (CDU), warf Faeser vor, ihren Amtseid zu brechen. «Nancy Faeser wird dem Eid, den sie als Innen­mi­nis­te­rin dem deutschen Volk geschwo­ren hat, nicht gerecht. Ab jetzt ist Wahlkampf», sagte er der Medien­grup­pe Bayern. Das Amt vertra­ge keine «Teilzeit­mi­nis­te­rin».

Der nordrhein-westfä­li­sche Innen­mi­nis­ter Herbert Reul (CDU) sagte, dass ein Landtags­wahl­kampf viel Kraft und Zeit koste, die Faeser in ihrem Amt nicht aufbrin­gen könne. «Gleich­zei­tig darf das Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um nicht zur PR-Maschi­ne für die politi­schen Ambitio­nen von Nancy Faeser in Hessen werden.»

Auch die Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­re­rin der Grünen- Bundes­tags­frak­ti­on, Irene Mihalic, gab sich skeptisch. « Das Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um ist eins der größten Häuser der Bundes­re­gie­rung und braucht die volle Aufmerk­sam­keit», sagte sie dem RND.

Beim heuti­gen Hessen­gip­fel ist ein öffent­li­ches State­ment der Partei zur Spitzen­kan­di­da­tur geplant. Als Gäste werden bei dem Treffen am Freitag auch die Minis­ter­prä­si­den­tin­nen aus Rhein­land-Pfalz und dem Saarland, Malu Dreyer und Anke Rehlin­ger (beide SPD), erwar­tet. Am darauf­fol­gen­den Tag wollen die hessi­schen Sozial­de­mo­kra­ten dann hinter verschlos­se­nen Türen über ihre Schwer­punk­te für den Landtags­wahl­kampf diskutieren.