STUTTGART (dpa/lsw) — Durch Bohrun­gen ausge­lös­te Erdbe­ben in Basel oder bei Straß­burg haben den Ruf der Tiefen­geo­ther­mie rampo­niert. Die Grünen halten die Alter­na­tiv-Energie aus den Tiefen der Erde aber für zukunfts­wei­send und machen Druck beim Ausbau. Schnel­ler soll es werden, mehr auch.

Die baden-württem­ber­gi­schen Grünen wollen die Geother­mie aus ihrem Schat­ten­da­sein führen und den Ausbau der Bohrun­gen in der Tiefe im Südwes­ten voran­trei­ben. Dabei sollte das Land aus Sicht der Regie­rungs­par­tei auch Flächen in Wasser­schutz­ge­bie­ten nicht prinzi­pi­ell ausschlie­ßen. «Wir wollen Baden-Württem­berg zu einem Tiefen­geo­ther­mie-Land machen», heißt es dazu in einem Positi­ons­pa­pier, auf das sich die Grünen verstän­digt haben.

Die Tiefen­geo­ther­mie könne verläss­lich klima­neu­tra­le Wärme liefern und damit die Wärme­ge­win­nung aus Kohle­kraft­wer­ken erset­zen. Notwen­dig sei es vor allem, den Oberrhein­gra­ben mit seinem zerklüf­te­ten Unter­grund zu nutzen, um Erdwär­me zu gewinnen.

Auch die grün-schwar­ze Landes­re­gie­rung hatte sich bereits auf den Ausbau der Tiefen­geo­ther­mie verstän­digt. Aus Sicht der Südwest-Grünen müssen dabei Rohstof­fe wie Lithi­um als «Neben­pro­dukt» des Einsat­zes der Tiefen­geo­ther­mie gewon­nen werden. Lithi­um wird unter anderem beim Bau von Elektro­fahr­zeu­gen benötigt.

Außer­dem müsse das Land Poten­zi­al­kar­ten erstel­len, damit Kommu­nen und ihre Stadt­wer­ke über eigene Tiefen­geo­ther­mie-Projek­te entschei­den können. Auch das Land stehe in der Verant­wor­tung: Es müssten landes­ei­ge­ne Flächen für den Bau von Anlagen identi­fi­ziert und in die Karten einge­tra­gen werden, fordert die Fraktion.

Ähnlich wie bei der Windkraft müssten auch Projek­te der Tiefen­geo­ther­mie deutlich schnel­ler geneh­migt werden, die Zahl der Mitar­bei­ten­den in Verwal­tung und Umwelt­mi­nis­te­ri­um muss aus Sicht der Frakti­on mit der steigen­den Zahl zunehmen.

Höchs­te Priori­tät müsse der Grund­was­ser­schutz haben, wenn es um Bohrung und Betrieb gehe. Bohrun­gen sollten auch in der erwei­ter­ten Schutz­zo­ne, der beson­ders oft ausge­wie­se­nen sogenann­ten Wasser­schutz­zo­ne III möglich sein. «Vorrang­flä­chen der Regio­nal­pla­nung für Wasser­schutz­ge­bie­te dürfen nicht zum Ausschluss von Tiefen­geo­ther­mie führen», heißt es im Positionspapier.

Applaus von den Natur­schüt­zern: Geother­mie könne vor allem entlang des Rheins helfen, vorhan­de­ne Fernwär­me­net­ze von Stein­koh­le und Erdgas auf klima­freund­li­che Techno­lo­gien umzustel­len, sagte Sylvia Pilars­ky-Grosch, die Landes­vor­sit­zen­de des Bunds für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land (BUND). Sie hofft durch die landes­wei­te Erkun­dung des Unter­grunds zudem auf wichti­ge Daten für die Wärmewende.

Der Landes­na­tur­schutz­ver­band, Dachver­band von 36 Natur­schutz­ver­ei­nen in Baden-Württem­berg, erinner­te zwar an die Ängste angesichts der Schäden zum Beispiel in Staufen im Breis­gau. Fachlich begrün­det seien diese aber nicht, sagte der LNV-Vorsit­zen­de Gerhard Bronner. Die Schäden und Erschüt­te­run­gen seien durch andere Bohrtech­ni­ken aufge­tre­ten, teilwei­se auch durch fahrläs­si­ges Vorge­hen. «Solche Schäden sind inzwi­schen in Baden-Württem­berg aufgrund der gesetz­li­chen Vorga­ben ausge­schlos­sen», zeigte sich Bronner überzeugt.

Die SPD forder­te vor allem mehr Tempo: Baden-Württem­berg sei bei dem Thema nicht spitze, sondern eher weit hinten, kriti­sier­te der SPD-Energie­ex­per­te Gernot Gruber. Dabei seien die Risiken der tiefen Geother­mie gut beherrsch­bar, die Alter­na­tiv-Energie sei eine ideale Quelle für kommu­na­le Wärme­net­ze. Es müsse schnel­ler geneh­migt, Perso­nal­eng­päs­se müssten besei­tigt werden.

Bei Geother­mie wird nach Erdwär­me gebohrt, um diese für Strom oder zur Wärme­er­zeu­gung zu nutzen. Nach Angaben des Landes­am­tes für Geolo­gie, Rohstof­fe und Bergbau in Freiburg unter­schei­det man die oberflä­chen­na­he Erdwär­me­nut­zung (bis zu 400 Meter Tiefe) und die Tiefen­geo­ther­mie. Bei dieser wird die Erdwär­me aus mehre­ren Kilome­tern Tiefe durch das Fördern von Thermal­was­ser gewon­nen. Die Tempe­ra­tur des heißen Wassers ist deutlich höher als bei der oberflä­chen­na­hen Geother­mie. Sie kann bis zu 160 Grad Celsi­us betragen.

Derart heißes Thermal­was­ser eignet sich für die Erzeu­gung von Strom und Versor­gung mit Wärme. Dazu wird das heiße Wasser aus der Tiefe in ein Kraft­werk gelei­tet. Dort verdampft es und der Dampf treibt Turbi­nen an. Aus der Bewegung entsteht wieder­um Strom.

Durch Bohrun­gen ausge­lös­te Erdbe­ben haben den Ruf der Techno­lo­gie zwar lange rampo­niert. Nach Überzeu­gung der Bergbe­hör­de lässt sich Tiefen­geo­ther­mie am Oberrhein aber vergleichs­wei­se sicher gewin­nen. Es findet sich dort heißes Wasser bereits in gerin­gen Tiefen.

Ab etwa zwei Kilome­tern unter der Erdober­flä­che hat das Wasser schon eine Tempe­ra­tur von bis zu 100 Grad Celsi­us. Das heißt, es muss nicht so tief wie an anderen Orten gebohrt werden, um heißes Wasser an die Oberflä­che zu beför­dern. Aus Sicht der Grünen sind bei dieser Art der Tiefen­geo­ther­mie Schäden praktisch ausgeschlossen.