MÜNCHEN (dpa) — Löws Plan geht auf: Die Flügel­zan­ge Gosens und Kimmich sticht. Die deutsche Offen­siv­dy­na­mik überfor­dert die portu­gie­si­sche Defen­si­ve. Als Initi­al­zün­dung sieht der Bundes­trai­ner den klaren Sieg aber nicht.

Fragen an Bundes­trai­ner Joachim Löw in der Video-Presse­kon­fe­renz nach dem 4:2 der Fußball-Natio­nal­mann­schaft im zweiten EM-Gruppen­spiel am Samstag­abend in München gegen Portugal.

Frage: Wie fällt ihr Fazit aus, wie sind Ihre Pläne aufgegangen?

Joachim Löw: Das war insge­samt ein sehr starkes Spiel gegen technisch und konter­star­ke Portu­gie­sen. Wir haben gerade nach dem Rückstand sehr viel Moral bewie­sen und einen wirklich guten Spirit gezeigt. Wir haben auch nach dem 0:1 nicht den Faden verlo­ren, Ruhe und Dynamik gut aufrecht erhal­ten. Wir haben uns echt viele gute Möglich­kei­ten heraus­ge­spielt und hatten ein sehr gutes Tempo. Damit haben wir die Portu­gie­sen in der Defen­si­ve einige Male überfor­dert. Der Sieg geht auch in der Höhe absolut in Ordnung.

Die beiden Außen­spie­ler waren viel offen­si­ver, Robin Gosens war an allen vier Toren betei­ligt. Was sagen Sie dazu?

Löw: Das war natür­lich unser Ansin­nen und unser Plan, dass wir gerade über die Außen­po­si­tio­nen für mehr Gefahr sorgen. Beide haben bewusst höher gespielt in der Offen­si­ve als gegen Frank­reich. Deswe­gen sind wir oft in den Rücken der Abwehr gekom­men, mit sehr guten Pässen da rein, mit Spiel­ver­la­ge­run­gen. Deshalb waren wir gefähr­li­cher. Beide haben das super­gut gemacht: Kimmich und Gosens in der Torvor­be­rei­tung. Und bei Robin Gosens weiß man, dass er Stärken im Abschluss hat, wenn er im gegne­ri­schen Sechzeh­ner ist. Das war sicher ein wichti­ger Aspekt, um so Druck zu machen.

Man hat nach dem Abpfiff Spieler zu ihren Famili­en und Kindern gehen sehen, sie konnten sich da austau­schen. Mit wem können Sie so eine Erleich­te­rung nach dem Sieg teilen?

Löw: Selbst­ver­ständ­lich habe ich Kontakt zur Familie und einigen Freun­den. Man beschränkt es ein bisschen auf das Minimum. Klar gibt es Kontak­te und Nachrich­ten. Für uns ist es wichtig, dass wir wieder in Ruhe das Spiel aufar­bei­ten, dass wir die Spieler regene­rie­ren lassen. Dann geht es schon weiter, man ist ja in diesem Tunnel drin bei einem Turnier. Es gibt ja keine Tage, in denen man völlig runter fährt als Trainer. Der nächs­te Gegner steht an. Und die Ungarn haben mit dem 1:1 gegen Frank­reich gezeigt, dass sie nicht ungefähr­lich sind. Sie haben inzwi­schen eine sehr gute Klasse erreicht. Wir haben jetzt mal einen Sieg einge­fah­ren. Das ist schön. Wir haben es selber in der Hand. Jetzt müssen wir gegen Ungarn nachlegen.

Thomas Müller hat als Antrei­ber gekämpft und gearbei­tet. Wie zufrie­den waren Sie mit ihm?

Löw: Thomas hat sehr viele Wege gemacht, ist unheim­lich viel gelau­fen. Er kam nicht so in Abschluss­po­si­tio­nen. Aber er hat sehr viele Räume aufge­macht, hat auch defen­siv sehr viel gearbei­tet, die Mannschaft mit nach vorne gezogen. Das war wichtig, dass wir früh den Gegner stören. Auf seiner Positi­on ist er mit verant­wort­lich, das Pressing auszu­lö­sen. Er hat sich extrem viel bewegt.

War der stürmi­sche Beginn so geplant?

Löw: Der Auftrag war, dass wir in der Offen­si­ve eine ganz andere Kraft erzeu­gen. Wir haben die Dinge noch einmal aufge­zeigt. Genau das ist sehr gut umgesetzt worden. Dass die richti­gen Räume bespielt worden sind und vorne nicht das Tempo rausge­nom­men wurde. Natür­lich war geplant, den Portu­gie­sen zu zeigen, dass wir nicht gewillt sind, das Spiel abzuge­ben und wir in den Zweikämp­fen absolut präsent sind, die Portu­gie­sen nicht ins Spiel kommen lassen.

Inwie­weit kann dieser Sieg zu einer Initi­al­zün­dung für das weite­re Turnier werden?

Löw: Weiß ich nicht. Das hat mit Initi­al­zün­dung nicht so viel zu tun. Natür­lich gibt so ein Erfolg eine gewis­se Stärkung. Wir haben ja nicht gezwei­felt, auch wenn wir gegen den Weltmeis­ter mal verlo­ren haben. Bei einem Turnier heißt es, Schritt für Schritt zu gehen. Das nächs­te Spiel wird vielleicht noch zäher, weil Ungarn tiefer steht, mit acht, neun Leuten vertei­digt und auf ein paar einzel­ne Konter hofft. So wie heute müssen wir arbei­ten, so müssen wir den Gegner unter Druck setzen. Dann können wir Schritt für Schritt voran­kom­men. Es gibt genug starke Mannschaf­ten in dem Turnier. Und die, die in den ersten ein, zwei Spielen perfekt spielen, haben in den seltens­ten Fällen ein Turnier gewin­nen können.

Wie sehen Sie Robin Gosens als Typ und wann sind Sie zum ersten Mal auf ihn aufmerk­sam geworden?

Löw: Als Typ schät­zen wir ihn sehr, weil er sehr offen ist, sehr aktiv in der Kommu­ni­ka­ti­on. Er hat einen sehr guten Draht zu allen Spielern, ist klar im Kopf, sehr gerad­li­nig. Er ist so ein Typ wie auch sein Spiel ist: Immer klare Kante zeigen, alles in die Waagscha­le werfen. So wie er spielt mit unbän­di­gem Einsatz, so kämpft er auch für Dinge, die ihm wichtig sind. Er hat bei Atalan­ta Berga­mo in jeder Saison einige Tore erzielt. Vor zwei Jahren haben wir ihn schon beobach­tet. Er hat sich schnell bei uns behaup­tet und sehr gut Fuß gefasst in der Mannschaft.

Mats Hummels musste frühzei­tig raus? Was war der Grund? Machen Sie sich Sorgen?

Löw: Wir hatten in einer Phase des Spiels mehre­re Meldun­gen von Spielern mit kleinen Proble­men. Mats hat die Patel­la­seh­ne wieder gespürt, Robin Gosens bisschen die Adduk­to­ren. Ilkay Gündo­gan hatte nach einem Schlag musku­lä­re Proble­me in der Wade. Da wollten wir kein Risiko einge­hen. Der eine oder andere Wechsel war anders geplant. Aber ich glaube, es ist nichts Drama­ti­sches. Wenn alles gut läuft, wird man das wieder hinkrie­gen bis nächs­te Woche. 

Aufge­zeich­net von Jens Mende, dpa