Joachim Löw startet unter schwie­ri­gen Vorzei­chen in sein 15. Jahr als Bundes­trai­ner. Die Corona-Krise beschäf­tigt die Natio­nal­mann­schaft auch vor dem Neube­ginn nach fast zehn Monaten Länder­spiel­pau­se. Erst nach negati­ven Tests kann die Vorbe­rei­tung beginnen.

Schon zur Mittags­zeit waren für Löw bei der Ankunft im Teamho­tel im noblen Stutt­gar­ter Vorort Deger­loch die gravie­ren­den Einschrän­kun­gen in Zeiten der Pande­mie deutlich spürbar gewor­den. Polizei patrouil­lier­te in den engen Straßen. Riesi­ge grüne Planen versperr­ten von der Waldsei­te den Blick auf das DFB-Quartier. Wo sich sonst Autogramm­jä­ger am Hotel­ein­gang drängen, verfolg­te diesmal nur rund ein Dutzend Fans die Ankunft der Natio­nal­spie­ler mit gehöri­gem Sicher­heits­ab­stand. Immer­hin ein Junge schaff­te es trotz der Corona-Regeln bis ganz nah ran und bekam ein Selfie mit Kai Havertz.

«Sie können sich alle vorstel­len, dass wir uns unglaub­lich freuen, dass auch wir wieder eingrei­fen können», sagte Löw. Noch vor dem ersten Training im ADM-Sport­park der in die Oberli­ga abgestürz­ten Stutt­gar­ter Kickers war aber zunächst die medizi­ni­sche Abtei­lung um Chefarzt Tim Meyer gefordert.

Für den Bundes­trai­ner und seine 22 Spieler stand gleich der erste Corona-Test an — erst nach den negati­ven Ergeb­nis­sen war Training und Gruppen­kon­takt erlaubt. Neben Schulz fehlte bei der Übungs­ein­heit auch Luca Waldschmidt, da er am Vorabend noch ein Testspiel für seinen neuen Club Benfi­ca Lissa­bon absol­viert hatte. Rund 40 Fans verfolg­ten die Trainings­ein­heit hinter einem Zaun gut 100 Meter vom Platz entfernt.

Auch Löw brauch­te das Go des Doktors, um die Vorbe­rei­tung auf die Spiele der Nations League gegen Spani­en am Donners­tag (20.45 Uhr/ZDF) in Stutt­gart und am Sonntag (20.45 Uhr/ZDF) in Basel gegen die Schweiz aufneh­men zu dürfen. Ungewöhn­lich langen redete er auf die im Halbkreis vor ihm postier­ten Akteu­re ein.

Auf dem Trainings­platz fehlten auch einige bekann­te Gesich­ter. Löw nominier­te die vier Münch­ner Champi­ons-League-Sieger Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretz­ka und Serge Gnabry nicht. Auch die Leipzi­ger Königs­klas­sen-Halbfi­na­lis­ten Lukas Kloster­mann und Marcel Halsten­berg bekom­men vom Bundes­trai­ner eine Pause.

«Da müssen wir einfach voraus­schau­end denken und handeln. Im nächs­ten Jahr an der EM werden wir alle gemes­sen», begrün­de­te Löw den freiwil­li­gen Verzicht auf die Stamm­kräf­te. Erstmals nach ihren Kreuz­band­ris­sen wieder im Aufge­bot sind hinge­gen die Münch­ner Leroy Sané und Niklas Süle. Vor ihrem Debüt im Natio­nal­tri­kot stehen Hoffen­heims Torwart Oliver Baumann, der Gladba­cher Flori­an Neuhaus und Robin Gosens von Atalan­ta Bergamo.

Das bislang letzte Länder­spiel bestritt die DFB-Auswahl am 19. Novem­ber 2019 beim 6:1 in der EM-Quali­fi­ka­ti­on gegen Nordir­land. Die geplan­ten EM-Tests im März in Spani­en und Itali­en fielen bereits wegen der Corona-Pande­mie aus.

Die Wieder­auf­nah­me des Spiel­be­triebs ist für DFB-Direk­tor Oliver Bierhoff eine große Erleich­te­rung. «Wenn wir keine Länder­spie­le haben, bedeu­tet dies natür­lich einen unglaub­li­chen wirtschaft­li­chen Verlust für den DFB», sagte er der ARD. «Wir haben in der Vergan­gen­heit gut gewirt­schaf­tet, so dass wir mögli­cher­wei­se nicht wie manche Unter­neh­men eine Finanz­sprit­ze brauch­ten, wir könnten ein, zwei Jahre schon auch mit Schwie­rig­kei­ten leben, aber das ist schon heftig gewesen», sagte Bierhoff.

Löw will nun allen sport­li­chen Schwie­rig­kei­ten mit einem Mammut-Programm von acht Spielen in elf Wochen bis Mitte Novem­ber trotzen und legt den Fokus auf den Sommer 2021. «Die aller­obers­te Priori­tät hat die EM im nächs­ten Jahr. Ich weiß, dass man nur siegen kann, wenn man geistig und körper­lich frisch in das Turnier gehen kann. Nächs­tes Jahr die EM steht über allem», sagte er.

Dennoch will Löw die Nations League natür­lich seriös bestrei­ten. Gerade nach dem Abstiegs­de­ba­kel vor zwei Jahren. «Die sport­li­che Wichtig­keit ist bei den Spielen natür­lich gegeben, wir spielen gegen Spani­en und die Schweiz. Die Nations League ist ein sehr guter Wettbe­werb, die Mannschaf­ten sind auf sehr hohem Niveau», beton­te der Bundes­trai­ner. Beim Premie­ren­wett­be­werb 2018 blieb die deutsche Auswahl gegen Frank­reich und die Nieder­lan­de ohne Sieg. Nur weil die A‑Liga von der UEFA von zwölf auf 16 Teams aufge­stockt wurde, startet die deutsche Mannschaft weiter in der höchs­ten Wettbewerbsklasse.