STUTTGART/BADEN-BADEN (dpa/lsw) — Die Impfbe­reit­schaft in Baden-Württem­berg steigt viel langsa­mer als erhofft, nach wie vor sind zu viele Menschen nicht geimpft. Das Land will deshalb den Druck auf Impfgeg­ner erhöhen. Aber es regt sich auch Kritik an den neuen Ideen.

Das Land will den Druck auf Impfver­wei­ge­rer weiter erhöhen. Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne) schließt auch schär­fe­re Eingrif­fe ins Privat­le­ben der Menschen nicht aus, die sich nicht impfen lassen wollen. Inzwi­schen gebe es eine «Pande­mie der Ungeimpf­ten», sagte Lucha im Radio­sen­der SWR Aktuell. Die Sieben-Tages-Inzidenz bei Geimpf­ten liege bei 13, die der Ungeimpf­ten dagegen bei knapp 150. Sollten sich die Zahlen nicht verbes­sern, sei auch eine sogenann­te 2G-Regel der «richti­ge Schritt», sagte er. Das würde bedeu­ten, dass nur noch Geimpf­te oder Genese­ne etwa Restau­rants besuchen dürften.

Im Moment gilt in Baden-Württem­berg die 3G-Regel. Danach stehen bestimm­te Berei­che des öffent­li­chen Lebens neben den Geimpf­ten und Genese­nen auch den negativ auf das Corona­vi­rus Getes­te­ten offen.

Scharf schoss Lucha (Grüne) gegen Kriti­ker der Impfun­gen. Jeder, der sich nicht impfen lasse, gefähr­de die gesamt­me­di­zi­ni­sche Versor­gung, sagte er dem SWR am Diens­tag. Herzin­fark­te oder Schlag­an­fäl­le könnten dann unter Umstän­den wegen der Überlas­tung des Perso­nals nicht mehr behan­delt werden. «Wir haben es aufge­braucht, wir haben es “verbrannt”, um es mal drastisch zu sagen, nur weil manche zu bequem sind, zum Impfen zu gehen», sagte der Grünen-Minister.

Firmen soll nach dem Willen des Landes auch erlaubt werden, ihre Beschäf­tig­ten nach dem Impfsta­tus zu fragen. Dies geht Daten­schüt­zern aber viel zu weit. Für den Landes­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten Stefan Brink wäre eine solche Abfra­ge «ein massi­ver Eingriff in die Privat­sphä­re». Er habe Verständ­nis dafür, dass es für Arztpra­xen und Kranken­häu­ser die recht­li­che Möglich­keit gibt, den Impfsta­tus ihrer Beschäf­tig­ten abzufra­gen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es sei auch denkbar, das auf Pflege­ein­rich­tun­gen auszu­wei­ten. «Aber das muss die Ausnah­me bleiben», forder­te der Daten­schüt­zer. Er halte wenig von einer pauscha­len Lösung.

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn zeigt sich dagegen offen für eine solche Abfra­ge. Er sei gerade hin- und herge­ris­sen, ob man diese den Arbeit­ge­bern zumin­dest für die nächs­ten sechs Monate gesetz­lich ermög­li­chen solle, sagte der CDU-Politi­ker am Montag­abend in der ARD-Sendung «Hart aber fair». So werde es ja im Restau­rant auch gemacht. Auf die Frage, wie seine Haltung dazu sei, sagte Spahn: «Ich tendie­re zuneh­mend zu ja.» Er argumen­tier­te: «Wenn alle im Großraum­bü­ro geimpft sind, kann ich damit anders umgehen, als wenn da 50 Prozent nicht geimpft sind.»

Das Sozial­mi­nis­te­ri­um in Stutt­gart hat den Bund aufge­for­dert, bei der Neufas­sung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes eine Rechts­grund­la­ge für die Abfra­ge in weite­ren Berei­chen zu schaf­fen — insbe­son­de­re solchen, «in denen aufgrund eines erhöh­ten Publi­kums­ver­kehrs oder dem Kontakt mit vulner­ablen Gruppen ein höheres Infek­ti­ons­ri­si­ko besteht». Brink bemän­gel­te, aus dem Brief an das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um gehe nicht klar hervor, ob die Regie­rung in Stutt­gart auch priva­ten Unter­neh­men die Abfra­ge erlau­ben möchte.

So hatte der Arbeit­ge­ber­ver­band Südwest­me­tall den Brief des Sozial­mi­nis­te­ri­ums zum Anlass genom­men, die Abfra­ge für alle Unter­neh­men zu fordern. Das kommt aber aus Sicht des Daten­schüt­zers nicht infra­ge. Bisher habe man erfolg­reich dafür gesorgt, dass Gesund­heits­da­ten für Arbeit­ge­ber tabu bleiben, erklär­te Brink. Wenn jemand krank zu Hause bleiben muss, muss er seinem Arbeit­ge­ber zwar eine Krank­schrei­bung oder ein Attest zukom­men lassen. «Aber die Diagno­se ging den Arbeit­ge­ber noch nie etwas an», sagte Brink. «Dieses Fass aufzu­ma­chen, wäre ein Tabubruch.» Hinzu komme, dass die Arbeits­schutz­ver­ord­nung den Unter­neh­men verbie­te, ihre Beschäf­tig­ten aufgrund solcher Infor­ma­tio­nen unter­schied­lich zu behan­deln — also Ungeimpf­te etwa nach Hause zu schicken.