FRIEDRICHSHAFEN (dpa) — Am Boden­see reden die Gesund­heits­mi­nis­ter von Bund und Ländern über den Aufbau einer völlig neuen Kranken­haus­land­schaft in Deutsch­land. Doch bei wesent­li­chen Punkten gibt es noch Streit. Vor der Tür wird lautstark demonstriert.

Die Gesund­heits­mi­nis­ter von Bund und Ländern wollen bei ihrer Konfe­renz am Boden­see wesent­li­che Streit­punk­te aus dem Weg räumen. Es geht um die Quali­tät der Versor­gung vor Ort und um die Finan­zie­rung wirtschaft­lich teils sehr gebeu­tel­ter Klini­ken. Der Vorsit­zen­de der Gesund­heits­mi­nis­ter­kon­fe­renz, Manne Lucha, sagte zum Auftakt der Konfe­renz am Mittwoch, dass er guten Mutes sei, dass man eine Einigung hinbe­kom­me. Der Streit um die vom Bund gefor­der­te Eintei­lung von Klini­ken in Level werde aber «nicht mehr so ganz groß nach vorne gezogen werden», sagte Lucha. Es gehe darum, dass die Kranken­häu­ser, auf die man sich dann am Ende verstän­di­ge, gut arbei­ten könnten.

Die Konfe­renz in Fried­richs­ha­fen geht über zwei Tage. Die Kranken­haus­re­form überschat­tet dabei alle anderen Themen. Lucha nannte als wesent­li­chen offenen Punkt die Gestal­tung der sogenann­ten Leistungs­grup­pen, die für die Quali­tät an den Klini­ken verant­wort­lich seien. Zudem sei den Ländern wichtig, dass die Kranken­haus­pla­nung in ihrer Verant­wor­tung bleibe und dass ausrei­chend finan­zi­el­ler Spiel­raum geschaf­fen werde, damit Klini­ken nicht vor der Umset­zung der Reform pleite­gin­gen. Das Gesetz soll den Plänen nach am 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Im Rahmen der Reform werde sich nach Worten des GMK-Chefs die Versor­gung der Bürge­rin­nen und Bürger aber keines­falls verschlech­tern. «Leistun­gen sollen nicht wegfal­len, sondern sie sollen weiter­hin für die Bevöl­ke­rung zur Verfü­gung stehen», sagte Lucha. «An welchen Stand­or­ten die dann angebo­ten werden, das ist jetzt die Aufga­be der Umsetzung.»

Der Bund pocht bei der Reform auf einheit­li­che Quali­täts­vor­ga­ben, das Leistungs­ni­veau der Klini­ken soll trans­pa­ren­ter werden, nicht mehr jede Klinik soll alles anbie­ten. Die Klinik­re­form soll nicht nur zu einer Spezia­li­sie­rung von Kranken­häu­sern führen, sondern auch zu einer parti­el­len Abkehr vom Fallpau­scha­len-Prinzip. Das Vergü­tungs­sys­tem mit Pauscha­len für Behand­lungs­fäl­le soll geändert werden, um die Kranken­häu­ser von wirtschaft­li­chem Druck zu befrei­en. Lucha sagte, für diesen Bereich sehe er momen­tan das größte Einigungspotenzial.

Gegen diese geplan­ten Vorhal­te­bud­gets protes­tier­te am Mittwoch der Verband der Priva­ten Kranken­ver­si­che­rung. «Diese Kranken­haus­re­form unter Zeitdruck birgt ein großes Gefah­ren­po­ten­zi­al», sagte Verbands­di­rek­tor Flori­an Reuther. «Es drohen massi­ve Mehrkos­ten, somit steigen­de GKV-Beitrags­sät­ze und Lohnzu­satz­kos­ten. Und es gibt keiner­lei Gewähr, dass die Quali­täts­zie­le der Reform durch Vorhal­te­bud­gets überhaupt zu errei­chen sind.» Eine Vorhal­te­fi­nan­zie­rung sollte nur dort gezahlt werden, wo sie bedarfs­not­wen­di­ge Struk­tu­ren siche­re, die sich nicht aus dem regulä­ren Betrieb finan­zie­ren könnten.

Der GKV-Spitzen­ver­band wirft den Ländern vor, Trans­pa­renz zu blockie­ren. «Für Patien­tin­nen und Patien­ten wäre es eine echte Verbes­se­rung, wenn die gleiche Versor­gungs­qua­li­tät in Kranken­häu­sern von Nord bis Süd schnell und einfach zugäng­lich und zu erken­nen wäre», sagte Stefa­nie Stoff-Ahnis aus dem Verbands­vor­stand. «Es ist verwun­der­lich, dass sich die Länder gegen die vom Bund geplan­te Quali­täts­trans­pa­renz so massiv wehren, statt die Versor­gung zu verbessern.»

Vor dem Kongress­zen­trum demons­trier­ten am Mittwoch Hunder­te Menschen für einen Kurswech­sel in der Gesund­heits­po­li­tik. Auf ihren Bannern stand etwa «Gemein­wohl statt Profit», «Jugend verdient gute Ausbil­dung» oder «Genug gespart». Die Gewerk­schaft Verdi hatte dazu aufge­ru­fen — zum Teil sollten auch Protes­tie­ren­de mit dem Fahrrad aus Dresden anrei­sen. Lucha wollte am Nachmit­tag zu den Demons­trie­ren­den sprechen.