DORTMUND (dpa) — Viele Männer leben ungesün­der und risiko­rei­cher als Frauen. Von Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen und Krebs sind sie häufi­ger betrof­fen, sie leben kürzer. Um Arztpra­xen machen sie oft einen Bogen. Warum ist das so?

Männer sind von einigen ernst­haf­ten Erkran­kun­gen häufi­ger betrof­fen als Frauen. Ihr Leben fällt im Durch­schnitt in Deutsch­land um rund fünf Jahre kürzer aus. Und zugleich verhal­ten sie sich nach Exper­ten-Einschät­zung oft weniger gesund­heits­be­wusst und deutlich risikoreicher.

Mehre­ren Studi­en zufol­ge suchen Männer zudem selte­ner einen Arzt auf als Frauen, machen um Vorsor­ge­un­ter­su­chun­gen gerne einen Bogen. Zum Inter­na­tio­na­len Männer­tag (19. Novem­ber) an diesem Freitag sehen Exper­ten daher Handlungsbedarf.

Unter­su­chun­gen der Deutschen Gesell­schaft für Mann und Gesund­heit (DGMG) zeigen, dass gut 59 Prozent aller Frauen, aber nur 22 Prozent aller Männer eine Vorsor­ge­un­ter­su­chung wahrneh­men, wie Frank Sommer sagt. «Männer sind immer noch Vorsor­ge­muf­fel», so der DGMG-Präsi­dent. Aber immer­hin wiesen Langzeit­stu­di­en darauf hin, dass allmäh­lich mehr Männer zur Vorsor­ge­un­ter­su­chung gehen. Das sei ein langsa­mer, aber steti­ger Trend.

Zurück­hal­tung bei Arztbesuchen

Um Gründe für die Zurück­hal­tung bei Arztbe­su­chen zu ermit­teln, habe man rund 970 Männer befragt. Ergeb­nis: 78 Prozent gaben an, lange Warte­zei­ten schreck­ten sie ab, sagt der Profes­sor für Männer­ge­sund­heit am Unikli­ni­kum Hamburg-Eppen­dorf. Etwa jeder Vierte befürch­te eine unange­neh­me oder schlech­te Mittei­lung. Jeder Fünfte zeigte sich besorgt, eine Unter­su­chung könne schmerz­haft sein. Viele Männer seien auch unzurei­chend über ihre Risiko­fak­to­ren infor­miert, etwa Blutzu­cker- oder Blutfett­wer­te, schil­dert Sommer.

Grund für medizi­ni­sche Checks gebe es defini­tiv: Bei Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen sind Männer vor allem in der Gruppe der 40- bis 60-Jähri­gen signi­fi­kant häufi­ger betrof­fen als Frauen, wie der Urolo­ge sagt. «Teilwei­se fünfmal so viele Männer wie Frauen haben in dieser Alters­grup­pe einen plötz­li­chen Herztod.» Auch Krebs­er­kran­kun­gen treffen Männer in der Regel häufi­ger. Burnout komme vielfach vor.

Präven­ti­on sei wichtig, betont Sommer. Ein Beispiel: Kläre man die Ursache von Erekti­ons­stö­run­gen ab, könne man auf eine Gefäß­pro­ble­ma­tik stoßen, die manch­mal zugrun­de liege. Das wieder­um könne hinwei­sen auf eine genera­li­sier­te Gefäß­er­kran­kung und ein drohen­des Auftre­ten eines Herzin­farkts oder Schlag­an­falls mehre­re Jahre später. Decke man hier also frühzei­tig auf, habe man die Möglich­keit, geziel­te Präven­ti­on vor Herzin­farkt oder Schlag­an­fall zu betreiben.

Stiftung Männer­ge­sund­heit mahnt

Männer sollten motiviert werden, mehr Verant­wor­tung für ihre Gesund­heit zu überneh­men und das Bewusst­sein für spezi­fi­sche Risiken und einen achtsa­men Lebens­stil zu schär­fen, mahnt die Stiftung Männer­ge­sund­heit. Es brauche beson­de­re Präven­ti­ons- und Versor­gungs­an­ge­bo­te für ein physi­sches, psychi­sches und sozia­les Wohlbefinden.

Der Stiftung zufol­ge sterben etwa doppelt so viele Männer wie Frauen an Lungen­krebs. Und es sei davon auszu­ge­hen, dass Deutsch­land den europa­weit höchs­ten Anteil an depres­si­ven Männern habe.

Gesund­heit spiele für viele eine unter­ge­ord­ne­te Rolle. Etwa 62 Prozent der Männer seien überge­wich­tig. Gesund­heits­ge­fähr­den­der Alkohol- und Drogen­kon­sum komme bei Männern erheb­lich häufi­ger vor als bei Frauen. Zudem falle ihr Verhal­ten im Straßen­ver­kehr riskan­ter aus — bei rund 75 Prozent aller Sterbe­fäl­le durch Verkehrs­un­fäl­le hande­le es sich um Männer.

Wandel des Männer­bilds zeich­net sich ab

Es gebe noch immer ein Männer­bild, nach dem diese vor allen zu funktio­nie­ren haben. «Jedoch gerät dieses Männer­bild allmäh­lich ins Schwan­ken», sagt eine Spreche­rin der Stiftung. Beson­ders bei den Jünge­ren zeich­ne sich ein Wandel ab. Zwar hänge ein Teil «noch einem tradi­tio­nel­len Bild des starken, unver­letz­li­chen Mannes» an. Aber ein wachsen­der Anteil lasse eine «sensi­ble Wahrneh­mung» gesund­heit­li­cher Proble­me und eine tiefe­re Ausein­an­der­set­zung damit zu.

Und warum haben Männer eine gerin­ge­re Lebens­er­war­tung? Es gebe dazu ein Fülle von Theorien, die sich oft auf die Genetik und äußere Einfluss­fak­to­ren bezögen, erläu­tert Exper­te Sommer. Zur Genetik: Auf dem Y‑Chromosom des Mannes — Frauen besit­zen zwei X‑Chromosomen, Männer hinge­gen X und Y — sind deutlich weniger geneti­sche Infor­ma­tio­nen kodiert als auf dem X‑Chromosom. Wenn das X‑Chromosom des Mannes einen Schaden habe, könne das Y‑Chromosom daher nicht alle Funktio­nen überneh­men. Im Gegen­satz zum vielzi­tier­ten Spruch, Männer seien das stärke­re Geschlecht, betont Sommer: «Wir Männer sind aus gesund­heit­li­cher Sicht wirklich das schwä­che­re Geschlecht.»

Von Yuriko Wahl-Immel, dpa