Drei große Abräu­mer und eine Menge Politik: Die Emmy Awards konnten wegen der Corona-Pande­mie erstmals nur online verge­ben werden. Aus deutscher Sicht gab es Grund zum Jubeln — bei einer Serie mit Berlin-Bezug.

Schra­der erzählt darin die Geschich­te einer ultra-ortho­do­xen Jüdin, die vor ihrem Ehemann aus New York nach Berlin flüch­tet. Die 54-jähri­ge Schra­der hörte in einer Live-Schal­te, umgeben von Mitglie­dern des Teams, von ihrem Emmy. «Ich bin sprach­los», sagte sie.

In den vier Folgen auf Jiddisch, Englisch und Deutsch geht es um Esther («Esty»), eine Jüdin aus der Religi­ons­ge­mein­schaft der Satma­rer in Brook­lyn. Es ist eine Welt mit stren­gen Glaubens­re­geln: Frauen müssen sich zum Beispiel die Haare abrasie­ren und Perücken tragen. Während ihrer Periode dürfen sie nicht von ihren Männern berührt werden. Esty freut sich zunächst auf die Ehe, aber vieles ist anders als erwartet.

Die in New York spielen­den Szenen basie­ren lose auf dem 2012 erschie­ne­nen Buch «Unortho­dox» von Deborah Feldman. Der Handlungs­strang in Berlin ist dagegen fiktiv. Die Haupt­rol­le spielt die israe­li­sche Schau­spie­le­rin Shira Haas, das Drehbuch stammt von Anna Winger («Deutsch­land 83») und Alexa Karolin­ski («Oma & Bella»). Die aus der Region Hanno­ver stammen­de Schra­der ist sowohl als Schau­spie­le­rin («Aimée & Jaguar») als auch als Filme­ma­che­rin («Vor der Morgen­rö­te») bekannt. «Unortho­dox» wurde inter­na­tio­nal viel beach­tet — die «New York Times» nannte die Emanzi­pa­ti­ons­ge­schich­te «atembe­rau­bend».

Die drei großen Emmy-Abräu­mer waren am Sonntag­abend das Drama «Succes­si­on» um die kaput­te Familie eines Medien­mo­guls, die freund­li­che Toleranz-Comedy «Schitt’s Creek» und die auf einem realen Massa­ker an Schwar­zen im US-Süden beruhen­de Comic­ver­fil­mung «Watch­men».

In der Königs­ka­te­go­rie des Abends entschied sich dann der Produ­zent und Drehbuch­au­tor Jesse Armstrong für eine ungewöhn­li­che Rede. Er wolle einigen «Nicht­dank» ausspre­chen, sagte Armstrong bei der Bekannt­ga­be des Preises für die beste Drama­se­rie an «Succes­si­on». Ein «Nicht­dank» gehe an das Virus und an Donald Trump und Boris Johnson für deren «lausi­ge und unkoor­di­nier­te Antwort» darauf, sagte er. Ein «Nicht­dank» gehe auch an alle Natio­na­lis­ten auf der Welt und «an alle Medien­mo­gu­le, die sie an der Macht halten», erklär­te der Brite.

Seine opulent ausge­stat­te­te Serie handelt vom altern­den Patri­ar­chen Logan Roy und wie dessen Kinder um die Nachfol­ge in seinem Medien­kon­zern kämpfen. Sie wurde mit sieben Preisen ausge­zeich­net. Dass während der Verlei­hung des Haupt­prei­ses kurz im Hinter­grund das Telefon klingel­te, blieb eine der wenigen Pannen — «Zimmer­ser­vice, vermut­lich», witzel­te Armstrong.

Ansons­ten war deutlich häufi­ger der US-Präsi­dent das Thema vieler Gags und ernster Anspie­lun­gen. Zu Beginn sprach Modera­tor Jimmy Kimmel zunächst vor applau­die­ren­den Stars, gab dann aber preis, dass dies Aufnah­men der Vorjah­re waren und er nahezu allein auf der Bühne im Staples Center stehen werde. «Natür­lich haben wir kein Publi­kum», sagte der Komiker. «Das hier ist keine MAGA-Rally», ergänz­te Kimmel als Seiten­hieb auf die «Make Ameri­ca Great Again»-Wahlkampfreden, die US-Präsi­dent Donald Trump trotz Infek­ti­ons­ri­si­kos während der Corona-Pande­mie vor Tausen­den Anhän­gern hält.

Danach ging Kimmel hinter die Bühne in einen Raum voller Monito­re mit Schal­ten zu rund 100 Nominier­ten. Mit der Verga­be des ersten Preises begann dann der Sieges­zug von «Schitt’s Creek» in den Comedy-Katego­rien — mehr als 70 Minuten dauer­te es, bis überhaupt irgend­ei­ne andere Sendung einen Preis erhielt. Bis dahin gewann in allen sieben wichti­gen Sparten die warmher­zi­ge Serie über die extra­va­gan­te Familie Rose, die nach Proble­men mit den Steuer­be­hör­den in ein kleines Dorf zieht, das der Vater einst als Spaß dem Sohn geschenkt hatte.

«Im Kern handelt unsere Serie davon, welche Verän­de­run­gen Liebe und Akzep­tanz auslö­sen», sagte Daniel Levy, der Preise als Regis­seur, Autor und Neben­dar­stel­ler erhielt. «Und das ist etwas, das wir heute mehr als je zuvor brauchen», ergänz­te er, bevor er die Zuschau­er engagiert aufrief, am 3. Novem­ber wählen zu gehen. Außer ihm wurden auch Cathe­ri­ne O’Hara und Eugene Levy für ihre Haupt­rol­len und Annie Murphy für die beste weibli­che Neben­rol­le ausge­zeich­net. Inklu­si­ve der Preise für die beste Comedy­se­rie, sowie für bereits an den Voraben­den verge­be­nen Preisen für Casting und Kostü­me kam «Schitt’s Creek» auf neun Awards.

Bei den Emmys für Fernseh­fil­me und Minise­ri­en war «Watch­men» mit insge­samt elf Preisen der große Abräu­mer. In ihren Reden erinner­ten die Macher an ein dunkles Kapitel der US-Geschich­te, das der Serie zugrun­de liegt: Beim Massa­ker von Tulsa waren laut mancher Schät­zun­gen im Jahr 1921 bis zu 300 Schwar­ze umgebracht worden. «Dieses Land vernach­läs­sigt seine eigene Geschich­te oft zum eigenen Nachteil», sagten die Drehbuch­au­to­ren Damon Linde­l­of und Cord Jefferson.