Die dritte Welle der Corona-Infek­tio­nen ist bei den Klini­ken im Südwes­ten voll angekom­men. Erste Häuser verschie­ben erneut planba­re Opera­tio­nen. Bei den Inten­siv­me­di­zi­nern macht sich Frustra­ti­on breit.

LUDWIGSBURG/ULM (dpa/lsw) — Weil die Zahl der Corona-Patien­ten auf den Inten­siv­sta­tio­nen im Land stark steigt, berei­ten sich Klini­ken im Südwes­ten zuneh­mend auf eine dritte Welle vor. Erste Kranken­häu­ser verschie­ben wegen der Zunah­me auf den Inten­siv­sta­tio­nen bereits geplan­te Opera­tio­nen, sagte der Koordi­na­tor der inten­siv­me­di­zi­ni­schen Versor­gung von Corona-Patien­ten in Baden-Württem­berg, Götz Geldner, am Mittwoch.

Das Klini­kum Mittel­ba­den habe an seinen drei Stand­or­ten in Rastatt, Baden-Baden und Bühl alle verschieb­ba­ren Opera­tio­nen abgesagt, um die Kapazi­tä­ten zu bündeln, teilte eine Spreche­rin mit. Ausge­nom­men davon seien Notfäl­le und dring­li­che Fälle wie Tumor-Opera­tio­nen. «Die dritte Welle übertrifft an Heftig­keit leider alle bishe­ri­gen Corona-Wellen», sagte der medizi­ni­sche Geschäfts­füh­rer, Thomas Iber. Die Zahlen am Klini­kum Mittel­ba­den liegen über denen von Ende Dezem­ber, wie es hieß.

Auch am Unikli­ni­kum Ulm würden bereits seit vergan­ge­nem Diens­tag gut planba­re Opera­tio­nen wieder verscho­ben, da die Belas­tung durch Corona-Patien­ten so stark zugenom­men habe, sagte eine Spreche­rin der Klinik. Die Zahl der Covid-19-Patien­ten sei inner­halb einer Woche um rund ein Drittel gestiegen.

Am Klini­kum Stutt­gart sind die Einschrän­kun­gen durch Corona-Patien­ten nach Angaben des medizi­ni­schen Vorstand Jan Steffen Jürgen­sen noch überschau­bar. Das Problem könne jedoch in den kommen­den Tagen wachsen, teilte er mit. In 23 der 115 regulä­ren Inten­siv­bet­ten lägen derzeit Covid-19-Patienten.

Beim Blick aufs Bundes­land zeigt sich laut Geldner, dass die Zahl der Corona-Patien­ten im Vergleich zur Vorwo­che um 20 Prozent gestie­gen ist. Landes­weit sei bereits ein Drittel der Inten­siv­bet­ten mit Corona-Patien­ten belegt, so der Ärztli­che Direk­tor der Ludwigs­bur­ger RKH-Klini­ken. «Wenn die Zahl der Inten­siv­pa­ti­en­ten weiter steigt, haben wir in ein bis zwei Wochen ein Problem», sagte Geldner. Sobald die Belegung in Richtung der 40 Prozent gehe, müssten in größe­rem Maße Opera­tio­nen verscho­ben werden.

Seit Mitte März steigt die Zahl der Corona-Patien­ten in Inten­siv­be­hand­lung im Südwes­ten stark an. Lag sie am 10. März noch bei 236, wurden am Diens­tag bereits 458 Menschen wegen einer Covid-19-Erkran­kung inten­siv­me­di­zi­nisch behan­delt, wie aus den Daten des Divi-Inten­siv­re­gis­ters hervor­geht. Von den rund 2400 betreib­ba­ren Inten­siv­bet­ten im Land sind rund 88 Prozent belegt. Seit wenigen Tagen übersteigt zudem die Zahl der Klini­ken, die ihren Betrieb als einge­schränkt bezeich­nen, die der Klini­ken mit regulä­rem Betrieb.

Die Kranken­häu­ser im Land sind in sechs sogenann­te Cluster einge­teilt. In diesen Regio­nen helfen sich die Klini­ken etwa bei Überlas­tung mit Patien­ten gegen­sei­tig aus. Insbe­son­de­re das Cluster Stutt­gart-Ludwigs­burg sei derzeit sehr belas­tet, sagte Geldner, der die Cluster koordi­niert. In der Region um Tübin­gen sei dagegen derzeit noch etwas Luft.

Seine Progno­sen gingen aktuell noch von einer sinken­den Zahl der Inten­siv­pa­ti­en­ten aus, sagte Geldner. Doch das liege allein an den gerin­gen gemel­de­ten Fallzah­len über Ostern. Weil auch nach einem Jahr Pande­mie noch Melde­lü­cken bestün­den, seien die Zahlen nicht aussa­ge­kräf­tig. Mit Blick auf mögli­che Maßnah­men zeigte sich der Inten­siv­me­di­zi­ner resigniert. «Was soll anders sein als in der Welle davor? Jeder weiß, was jetzt passiert.» Politi­ker und Bürger trügen nun gleicher­ma­ßen Verant­wor­tung. Es fehle weiter ein Konzept, um der Pande­mie Herr zu werden. Das jetzi­ge Vorge­hen nannte Geldner ziel- und planlos.

Ein wichti­ger Weg aus der Krise ist für den Inten­siv­me­di­zi­ner das Impfen. Doch für den jetzi­gen starken Anstieg der Corona-Fallzah­len verspricht er sich davon keine Hilfe. Die Beschäf­tig­ten auf den Inten­siv­sta­tio­nen hätten seit der zweiten Welle nicht mehr durch­at­men können, die Arbeit sei für sie sehr belas­tend. «Wir versu­chen, das Beste daraus zu machen», sagte Geldner.