BAD WALDSEE – Der Ärger in den Pflege­ein­rich­tun­gen über die Maßnah­men des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes schwelt schon eine Weile, nun brach­te die St. Elisa­beth-Stiftung ihre Missstim­mung im Rahmen einer bundes­wei­ten Protest­ak­ti­on zum Ausdruck und forder­te ein Umden­ken der Politik. Einen Tag vor der Abstim­mung zum Infek­ti­ons­schutz­ge­setz im Bundes­tag versam­mel­ten sich zahlrei­che Mitar­bei­ter, Bewoh­ner, Mieter, Angehö­ri­ge und Nachbarn beim Wohnpark am Schloss in Bad Waldsee und beim Wohnpark St. Josef in Altshau­sen, um mit Reden und Plaka­ten auf die Mehrbe­las­tun­gen der Pflege­ein­rich­tun­gen durch Bürokra­tie aufmerk­sam zu machen.

Bei der Protest­ak­ti­on gegen das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz saßen und standen Pflege­rin­nen und Pfleger Seite an Seite mit Bewoh­nern und Mietern der Wohnparks. Sie hielten Plaka­te vor sich, die die verfah­re­ne Situa­ti­on in den Einrich­tun­gen darleg­ten: „Mehr Mensch­lich­keit und weniger Bürokra­tie“, „Pflegt nicht die Dokumen­te, sondern uns“, „Unsere Belas­tungs­gren­ze ist erreicht“ oder „Wir lieben unseren Beruf — wenn wir ihn ausüben dürfen“.

Konkret ging es um die Mehrbe­las­tun­gen, die durch das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz die Arbeit in den Pflege­ein­rich­tun­gen lahmle­ge. „Während Corona in der Mitte unserer Gesell­schaft keine Rolle mehr spielt und das sozia­le Leben wieder ohne Einschrän­kun­gen möglich ist, ist die Situa­ti­on bei uns in den Wohnparks und Pflege­hei­men unver­än­dert“, hader­te die Wohnpark­lei­te­rin in Bad Waldsee, Laura Heber, und führte aus: „Mitar­bei­ten­de und Besuchen­de müssen sich testen lassen und Nachwei­se müssen kontrol­liert und dokumen­tiert werden. All das ist mit erheb­li­chem bürokra­ti­schem Mehrauf­wand verbunden.“ 

Das überar­bei­te­te Infek­ti­ons­schutz­ge­setz, über das am 8. Septem­ber im Bundes­tag abgestimmt wird und das ab dem 1. Oktober gelten soll, sehe vor, dass die Schutz­maß­nah­men in den Einrich­tun­gen wie bisher bestehen bleiben sollen, diese aber teilwei­se bereits schon jetzt nicht mehr refinan­ziert werden. Die Politik forde­re daher von den Pflege­ein­rich­tun­gen, dass sie die Maßnah­men weiter­hin umset­zen und erheb­li­chen Mehrauf­wand leisten, ohne dafür eine finan­zi­el­le Erstat­tung zu bekommen. 

„Wir befürch­ten, dass für die Versor­gung unserer Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner künftig noch weniger Zeit bleibt, weil die Mitar­bei­ten­den für bürokra­ti­sche Maßnah­men wie beispiels­wei­se das Prüfen und Dokumen­tie­ren von Test und Impfnach­wei­sen einge­setzt werden müssen“, bringt Laura Heber die Proble­ma­tik auf den Punkt. Um diese aufwen­di­gen Kontrol­len zumin­dest bei der Protest­ak­ti­on zu vermei­den, haben sich die ca. 130 Teilneh­mer bewusst und symbo­lisch im Freien auf dem Rasen vor den Wohnparks getroffen. 

Laura Heber forder­te eine Entlas­tung der Pflege durch die dauer­haf­te und siche­re Refinan­zie­rung der Corona-Schutz­maß­nah­men. „Schaf­fen Sie die Rahmen­be­din­gun­gen, die wir brauchen, um den Beruf, den wir lieben, ausüben zu können“, sagte Heber, „wir wollen schlicht­weg die Zeit für unsere eigent­li­chen Aufga­ben verwen­den, nämlich die Pflege und Betreu­ung der uns anver­trau­ten Menschen.“ Denn der notwen­di­ge Schutz der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner sei schließ­lich nicht allei­ne Aufga­be der Pflege! Und so brauche es eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che und politisch geför­der­te Solidarität. 

Weiter­hin forder­te Heber Planungs­si­cher­heit in der Pflege durch die dauer­haf­te, auskömm­li­che und siche­re Refinan­zie­rung von Hygie­ne- bezie­hungs­wei­se Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men, entkop­pelt von der epide­mi­schen Lage von natio­na­ler Tragwei­te, damit Pflege-Einrich­tun­gen die Corona-Schutz­maß­nah­men weiter­hin umset­zen können und dem vertrag­lich festge­leg­ten Auftrag der Pflege und Betreu­ung ungehin­dert nachkom­men können. Zudem forder­te sie einheit­li­che Vorga­ben in allen Bundes­län­dern für Zutritts­be­rech­ti­gun­gen ohne Ausnah­me­re­ge­lun­gen zur Vermei­dung unnöti­ger Bürokra­tie. Testen, Impfen und Masken­pflicht dürfe nicht nur in der statio­nä­ren und teilsta­tio­nä­ren oder ambulan­ten Pflege gelten. Mit einem Appell an die Politi­ker in Berlin verlieh Laura Heber ihren Forde­run­gen nochmals Nachdruck: „Schaf­fen Sie die Rahmen­be­din­gun­gen, die wir brauchen, um unsere Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner gut pflegen und versor­gen zu können!“

„Wir wollen unseren Pflege­auf­trag erfül­len“, sagt auch Sandra Salditt, Leite­rin des Wohnparks St. Josef in Altshau­sen. „Bei uns werden alle Vorga­ben pflicht­ge­mäß umgesetzt. Wir haben Proble­me mit Perso­nal­man­gel und hohen Krank­heits­quo­ten. Die Mitar­bei­ten­den sind ausge­zehrt. Die zusätz­li­che Belas­tung durch die Eingangs­kon­trol­len macht es uns schwer, neue Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter zu gewin­nen. Dann sollte der Aufwand zumin­dest refinan­ziert werden.“ 

Große Begeis­te­rung löste Salditt bei den Zuhörern auf dem Rasen vor dem Wohnpark aus, als sie die Politi­ker in Berlin einlud, „mal die Eingangs­kon­trol­len für uns zu überneh­men oder mal eine Woche in der Pflege mitzu­ar­bei­ten.“ „Gern auch länger“, rief eine Mitar­bei­te­rin dazwi­schen. Der Auffor­de­rung „Ruft mal nach Berlin!“ kamen die rund 85 Teilneh­mer der Protest­ak­ti­on in Altshau­sen lautstark nach: Mit Stimmen, Trommeln, Schlag­höl­zern und Schellen.