Konstanz — Störungen in der Umwelt sind häufig, und Gemeinschaften, die aus mehreren Arten bestehen, scheinen sich in der Krise gut zurechtzufinden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Konstanz und der finnischen Universitäten Helsinki und Turku nutzten in einem Laborexperiment Bakterien als Beispiel.
Es galt, zu erforschen, wie Gemeinschaften, die sich aus mehreren Arten zusammensetzen, auf Störungen reagieren. Solche Störungen können beispielsweise im menschlichen Darm nach Einnahme von Antibiotika vorkommen und zu Durchfall führen.
Das interdisziplinäre Forschungsteam untersuchte in der Studie, deren Ergebnisse in Nature Ecology and Evolution vom 10. August 2020 nachzulesen sind, wie eine Gemeinschaft aus 34 Bakterienarten auf Antibiotikagaben reagiert.
Den Bakteriengemeinschaften wurden — laut Uni Konstanz — drei verschieden hohe Antibiotikakonzentrationen verabreicht, zusätzlich gab es eine antibiotikafreie Kontrollgruppe. Die Forschenden beobachteten, wie sich die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft nach der Antibiotika-Exposition veränderte und wie die Bakteriengemeinschaft reagierte, nachdem die Antibiotikagabe beendet wurde.
Es stellte sich heraus, dass sich einige Bakterienarten durch die Antibiotikagabe vermehrten, während andere dezimiert wurden. Die Veränderungen waren umso größer, je höher die Antibiotikakonzentration war. “Überraschenderweise stellten wir fest, dass die Zusammensetzung der Bakteriengruppen trotz des starken Effekts der Antibiotika auf das Bakterienwachstum bald wieder dem Ursprungszustand glich. Nur unter dem höchsten Antibiotikaspiegel in unserem Experiment erholten sich einige Bakterien nicht, und so konnte die Gemeinschaft ihren Ursprungszustand nicht mehr herstellen”, erklät Limnologe Prof. Dr. Lutz Becks von der Universität Konstanz.
Und weiter: “Aber sogar diese Gruppen erreichten wieder ihre ursprüngliche Zusammensetzung, nachdem wir in regelmäßigen Abständen eine kleine Mengen der Ausgangsgemeinschaft zugeführt hatten.”
Erstmalig verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine kontrollierte Laborbakteriengemeinschaft mit hohem Replikationsgrad. Bei den meisten früheren Studien zu diesem Thema handelte es sich um Beobachtungsstudien, die sich auf den Nachweis von Korrelationen beschränkten und störenden Umwelteinflüssen unterlagen.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Studie war, so die Universiät, dass die Reaktion replizierter Gemeinschaften unter denselben experimentellen Behandlungen relativ wiederholbar war. Dies könnte zum Teil mit den wichtigen, erblichen Merkmalen der Individuen, nämlich Wachstumsrate und Antibiotika-Empfindlichkeit, erklärt werden, die für jede Art in der Gemeinschaft separat gemessen wurden.
Lutz Becks: „Das deutet darauf hin, dass zukünftig in bestimmten Fällen die Reaktion der Gemeinschaft auf Störungen vorhersehbar sein kann, auch wenn wir in dieser Studie die Wiederholbarkeit noch nicht gut genug erklären konnten, um Vorhersagemodelle daraus zu entwickeln.”