BERLIN (dpa) — Seit Mitter­nacht stehen Bahnen und Busse in den Depots, Flugzeu­ge sind am Boden geblie­ben. Mit einem bundes­wei­ten Warnstreik machen die Gewerk­schaf­ten EVG und Verdi Druck in ihren Tarifverhandlungen.

Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeu­gen in Deutsch­land ist weitge­hend zum Erlie­gen gekom­men. Seit Mitter­nacht läuft ein großer Warnstreik der Bahnge­werk­schaft EVG und von Verdi.

Von dem 24-stündi­gen Arbeits­kampf sind Millio­nen Berufs­pend­ler und Reisen­de sowie weite Teile des Güter­ver­kehrs betrof­fen. Größe­re Staus im Straßen­ver­kehr über die üblichen Behin­de­run­gen im Berufs­ver­kehr hinaus wurden am Morgen nur verein­zelt von der Polizei gemel­det. Teils war von stocken­dem Verkehr die Rede, aber ohne größe­re Einschrän­kun­gen in Folge des Großstreiks. Viele Pendler seien wohl im Homeof­fice geblie­ben, hieß es.

Auf der Schie­ne ist der Fernver­kehr komplett und der Regio­nal­ver­kehr zunächst größten­teils einge­stellt. Bestreikt werden nahezu sämtli­che deutsche Flughä­fen. Wasser­stra­ßen und Häfen sowie die Autobahn­ge­sell­schaft sind ebenfalls betrof­fen. In sieben Bundes­län­dern wird zudem der öffent­li­che Nahver­kehr bestreikt.

Mit den ganztä­gi­gen Warnstreiks wollen die Gewerk­schaft Verdi und die Eisen­bahn- und Verkehrs­ge­werk­schaft (EVG) den Druck in ihren Tarif­ver­hand­lun­gen erhöhen. Paral­lel zum Ausstand kommen an diesem Montag Gewerk­schaf­ten und Arbeit­ge­ber im öffent­li­chen Dienst wieder zu Gesprä­chen zusam­men. Bei der EVG stehen weite­re Verhand­lun­gen mit der Deutschen Bahn und anderen Bahnun­ter­neh­men erst später an.

Verdi-Chef Frank Werne­ke beton­te: «Mit dem Streik­tag im Verkehrs­be­reich soll den Arbeit­ge­bern noch einmal unmiss­ver­ständ­lich klarge­macht werden, dass die Beschäf­tig­ten eindeu­tig hinter unseren Forde­run­gen stehen.» Zu Vorwür­fen der Arbeit­ge­ber­sei­te, die Warnstreiks belas­te­ten die Verhand­lun­gen, sagte Werne­ke: «Als Belas­tung empfin­den die Beschäf­tig­ten des öffent­li­chen Diens­tes bis hin in die mittle­ren Einkom­mens­grup­pen vor allem die enormen Preis­stei­ge­run­gen für Strom, Gas und Lebensmittel.»

Die Präsi­den­tin der Verei­ni­gung der kommu­na­len Arbeit­ge­ber­ver­bän­de, Karin Welge, kriti­sier­te den Ausstand. «Wir haben uns im vergan­ge­nen Jahr schon darauf verstän­digt, in drei Verhand­lungs­run­den zuein­an­der zu kommen. Und deswe­gen erstaunt diese Massi­vi­tät der Streiks vor der dritten Verhand­lungs­run­de schon deutlich», sagte sie im Radio­sen­der Bayern 2. Sie würde sich auch einen Abschluss wünschen, sagte Welge. «Ich gehe zum jetzi­gen Zeitpunkt davon aus, dass das gelingt.»

Der Chef des Beamten­bunds dbb, Ulrich Silber­bach, warnte vor einer Auswei­tung der Arbeits­kämp­fe. «Entwe­der wir hauen den Knoten durch und finden eine Einigung, oder wir stehen vor einer weite­ren Eskala­ti­ons- und Streik­wel­le», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Von der Deutschen Bahn kam erneut Kritik. «An diesem überzo­ge­nen, übertrie­be­nen Streik leiden Millio­nen Fahrgäs­te, die auf Busse und Bahnen angewie­sen sind», sagte ein Bahnspre­cher. «Nicht jeder kann vom Homeof­fice aus arbei­ten.» Nachtei­le hätten auch Tausen­de Unter­neh­men, die ihre Güter über die Schie­ne empfin­gen oder versen­de­ten: «Gewin­ner des Tages sind die Mineralölkonzerne.»

Bahn

Die EVG bestreikt den Fern‑, Regio­nal- und S‑Bahn-Verkehr. Der Fernver­kehr wurde einge­stellt, der Regio­nal­ver­kehr größten­teils zumin­dest seit Streik­be­ginn. Ob am Nachmit­tag im Regio­nal­ver­kehr einzel­ne Linien aufge­nom­men werden, hängt laut Deutscher Bahn vom Streik­ver­lauf ab. Auswir­kun­gen dürften auch am Diens­tag zu spüren sein. Auch nicht bestreik­te Privat­bah­nen waren betrof­fen, weil Beschäf­tig­te in den Stell­wer­ken der DB Netz streikten.

Flughä­fen

Die Flughä­fen werden von Verdi weitge­hend bestreikt. 380.000 Geschäfts- und Privat­rei­sen­de müssen laut Flugha­fen­ver­band ADV am Boden bleiben. Betrof­fen ist auch der größte Airport in Frank­furt sowie der Flugha­fen München, der bereits am Sonntag den Betrieb einge­stellt hat. Der Haupt­stadt­flug­ha­fen BER war nicht in den Warnstreik einbe­zo­gen. Da aber fast alle anderen deutschen Flughä­fen bestreikt werden, waren dort alle inner­deut­schen Flüge gestri­chen. Die Flughä­fen rechnen mit einer stärke­ren Auslas­tung am Dienstag.

Nahver­kehr

Erneut wird der Nahver­kehr in den Bundes­län­dern bestreikt, die direkt an den Tarif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst angebun­den sind. Das sind Baden-Württem­berg, Hessen, Nieder­sach­sen, Nordrhein-Westfa­len, Rhein­land-Pfalz und Sachsen. Gestreikt wird zudem in Bayern, wo ein Tarif­ver­trag Nahver­kehr verhan­delt wird. Aus mehre­ren Ländern hieß es, Schüle­rin­nen und Schüler dürften zuhau­se bleiben, wenn sie nicht zur Schule kommen können.

Streik­tag zum Start von dritter Tarifrunde

Verdi und der Beamten­bund dbb wollten in Potsdam mit dem Bund und den Kommu­nen heute die Verhand­lun­gen für 2,5 Millio­nen Beschäf­tig­te wieder aufneh­men. Vor der dritten Runde lagen beide Seiten noch weit ausein­an­der, eine Einigung in den nächs­ten Tagen ist aber möglich.

Weite­re Tarifverhandlungen

Hinter­grund der Arbeits­kämp­fe sind verschie­de­ne Tarif­kon­flik­te. Bei der EVG stehen weite­re Gesprä­che mit verschie­de­nen Bahnun­ter­neh­men ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiter­ver­han­delt werden. An Flughä­fen sind Kommu­nal­be­schäf­tig­te des öffent­li­chen Diens­tes einbe­zo­gen, es geht aber auch um örtli­che Verhand­lun­gen für Boden­ver­kehrs­diens­te sowie bundes­wei­ten Gesprä­che für die Luftsi­cher­heit. Bei Arbeit­ge­bern stieß das koordi­nier­te Vorge­hen auf hefti­ge Kritik — als reiner Warnstreik seien die Ausstän­de für die Bevöl­ke­rung so nicht mehr zu erkennen.