BERLIN (dpa) — Omikron verbrei­tet sich in Windes­ei­le — und Politik und Behör­den versu­chen, die Regeln an die Corona-Varian­te anzupas­sen. Nun wurden die Vorga­ben für Genese­ne geändert.

Die Corona-Varian­te Omikron breitet sich in Deutsch­land immer mehr aus — auch mit Folgen für Alltags­re­ge­lun­gen wie den Genesenenstatus.

Als genesen gilt man nun nur noch drei und nicht mehr sechs Monate nach einer eigenen Infek­ti­on. Diese Festle­gung des Robert Koch-Insti­tuts (RKI) sei aus wissen­schaft­li­cher Sicht erfolgt, erläu­ter­te das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um am Montag in Berlin. Hinter­grund sei, dass wegen Omikron ein sehr viel größe­res Risiko bestehe, dann bereits erneut zu erkran­ken oder Überträ­ger zu sein. In der Debat­te um eine allge­mei­ne Impfpflicht wurden zudem Stimmen laut, die einen oft eher milde­ren Krank­heits­ver­lauf bei Omikron hervorheben.

Der Genese­nen­sta­tus

Je mehr Menschen sich mit der anste­cken­de­ren Omikron-Varian­te infizie­ren, desto mehr Genese­ne dürfte es bald auch geben. Festge­legt wurde nun eine kürze­re Zeitspan­ne dafür, wie lange man als genesen gilt. «Die Dauer des Genese­nen­sta­tus wurde von sechs Monate auf 90 Tage reduziert, da die bishe­ri­ge wissen­schaft­li­che Evidenz darauf hindeu­tet, dass Ungeimpf­te nach einer durch­ge­mach­ten Infek­ti­on einen im Vergleich zur Delta­va­ri­an­te herab­ge­setz­ten und zeitlich noch stärker begrenz­ten Schutz vor einer erneu­ten Infek­ti­on mit der Omikron­va­ri­an­te haben», schrieb das RKI.

In Kraft trat die neue Vorga­be am Samstag. Genesen­nach­wei­se gelten also seitdem nur noch für maximal drei Monate — laut Minis­te­ri­um formal auch schon bestehen­de Nachwei­se. Wie dies jetzt konkret zum Beispiel bei 2G- und 3G-Zugangs­re­geln zu bestimm­ten Einrich­tun­gen vor Ort gehand­habt wird, liegt demnach aber bei den Ländern. Unklar ist noch, wie die Änderung in den Apps zur Anzei­ge der Impfnach­wei­se technisch umgesetzt wird. In den Apps können Genese­nen­zer­ti­fi­ka­te angezeigt werden — bislang mit dem Gültig­keits­zeit­raum sechs Monate.

Die Änderung knüpft an eine vom Bundes­rat am Freitag besie­gel­te Verord­nung an, die auch den Rahmen für Quaran­tä­ne­re­geln neu fasste. Genese­nen­nach­wei­se müssen demnach Krite­ri­en entspre­chen, die das RKI auf einer Inter­net­sei­te bekannt macht. Dazu gehört: «Das Datum der Abnah­me des positi­ven Tests muss mindes­tens 28 Tage zurück­lie­gen». Und: «Das Datum der Abnah­me des positi­ven Tests darf höchs­tens 90 Tage zurückliegen.»

Das RKI erläu­ter­te zugleich: «Diese Vorga­ben werden regel­mä­ßig überprüft und können sich gemäß Stand der Wissen­schaft ändern.» Zuvor hatte in der Verord­nung als feste generel­le Regelung gestan­den, dass der Test «mindes­tens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurück­liegt». Der AfD-Fachpo­li­ti­ker Martin Sichert kriti­sier­te, Websei­ten könnten auch gehackt werden und böten damit weit weniger Rechts­si­cher­heit als eine in einem Gesetz klar definier­te Regelung.

Die Impfpflicht

Omikron beein­flusst auch das Ringen um eine allge­mei­ne Impfpflicht. «Omikron ändert die Spiel­re­geln», sagte der Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der FDP im Bundes­tag, Stephan Thomae, der «Süddeut­schen Zeitung». Er forder­te, die Diskus­si­on müsse in Ruhe mit aktuells­ten Erkennt­nis­sen geführt werden: «Bevor wir in der Sommer­sai­son mit einem Impfstoff impfen, dessen Wirkung in der nächs­ten Winter­sai­son womög­lich schon wieder abklingt und/oder von einer neuen Varian­te unter­lau­fen wird, sollten wir uns fragen, ob es nicht sinnvoll ist abzuwar­ten, mit welcher Mutati­on wir es im nächs­ten Herbst zu tun haben.»

Thomae reagiert auf Äußerun­gen des Virolo­gen Chris­ti­an Drosten, der die wohl milde­ren Krank­heits­ver­läu­fe bei Omikron als Chance sieht, von der Pande­mie in einen endemi­schen Zustand zu kommen. Voraus­set­zung aller­dings sei eine breite Immuni­tät, hatte Drosten dem «Tages­spie­gel» gesagt. «Das Virus muss sich verbrei­ten, aber eben auf Basis eines in der breiten Bevöl­ke­rung veran­ker­ten Impfschut­zes» — sonst würden zu viele Menschen sterben.

Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) beton­te in Schwe­rin, er befür­wor­te eine Impfpflicht, da sonst im Herbst wieder eine Situa­ti­on drohe, in der über Einschrän­kun­gen disku­tiert werden müsse. Zu der Frage, ob die Impfpflicht angesichts von Omikron noch gebraucht wird, sagte er: «Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir das Problem lösen wollen, auf eine saube­re und siche­re Art und Weise, dann ist die Impfpflicht der beste Weg.»

Die Omikron-Lage

528,2 Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner und Woche — auch am Montag gab es bei der vom RKI angege­ben Inzidenz einen neuen Höchst­wert. Binnen eines Tages gab es 34.145 gemel­de­te Corona-Neuin­fek­tio­nen. Binnen 24 Stunden wurden 30 Todes­fäl­le verzeichnet.

Es sei wichtig, die laufen­de Omikron-Welle sehr ernst zu nehmen, sagte der stell­ver­tre­ten­de Regie­rungs­spre­cher Wolfgang Büchner. Es gebe keinen Grund, jetzt nachzu­las­sen bei Anstren­gun­gen für Impfun­gen und Auffrisch­imp­fun­gen. Büchner bekräf­tig­te das akute Ziel, die «Impflü­cke» zu schlie­ßen. Lauter­bach beton­te: «Omikron ersetzt Impfung nicht.» Der Ungeimpf­te, der jetzt eine Omikron-Infek­ti­on bekom­me, werde im Herbst gegen andere Varian­ten wenig Schutz haben, schrieb er auf Twitter.

Von den 79,2 Millio­nen Menschen ab 5 Jahren in Deutsch­land, die geimpft werden können, haben bisher mindes­tens 60,5 Millio­nen den vollen Grund­schutz mit der meist nötigen zweiten Impfung. Das entspricht 72,7 Prozent der Bevöl­ke­rung. Von den beson­ders von einem schwe­ren Verlauf bedroh­ten 24,1 Millio­nen Menschen, die mindes­tens 60 Jahre alt sind, sind 12,3 Prozent ungeimpft. Von den 45,3 Millio­nen 18–59-Jährigen sind 19,3 Prozent oder knapp jeder Fünfte ohne Impfschutz.

Mindes­tens eine Impfdo­sis erhal­ten haben bisher 62,4 Millio­nen Menschen (75,1 Prozent). Die Bundes­re­gie­rung strebt eine Quote von 80 Prozent Erstge­impf­ten bis Ende Januar an.

Von Sascha Meyer und Basil Wegener, dpa