SAN FRANCISCO (dpa) — Donald Trump will wieder ins Weiße Haus zurück — und kämpft um seinen Einfluss bei den US-Republi­ka­nern. Nun gibt ihm Tech-Milli­ar­där Elon Musk den einst so einfluss­rei­chen Twitter-Account zurück.

Twitter hat den seit Anfang 2021 gesperr­ten Account des frühe­ren US-Präsi­den­ten Donald Trump wieder freige­schal­tet. Der Republi­ka­ner bekommt damit kurz nach Ankün­di­gung seiner erneu­ten Präsi­dent­schafts­kan­di­da­tur erstmals wieder Zugang zu einer großen Online-Plattform.

Ob er davon Gebrauch machen wird, blieb zunächst unklar. Denn Trump hatte wieder­holt betont, er wolle lieber bei seinem hausei­ge­nen Dienst Truth Social bleiben — selbst wenn man ihm die Rückkehr zu Twitter erlau­ben sollte.

Der Ex-Präsi­dent war bei Twitter und anderen Online-Platt­for­men gesperrt worden, nachdem er Sympa­thie für seine randa­lie­ren­den Anhän­ger bekun­det hatte, die gewalt­sam das Kapitol in Washing­ton gestürmt hatten. Zuvor hatte er diese Kanäle monate­lang für die Verbrei­tung seiner Mär genutzt, ihm sei der Sieg gegen den Demokra­ten Joe Biden bei der Präsi­den­ten­wahl 2020 durch Betrug gestoh­len worden. Die Platt­form­be­trei­ber befürch­te­ten damals, dass Trumps Beiträ­ge zu weite­rer Gewalt führen könnten.

24-stündi­ge Umfra­ge unter Nutzern

Doch der neue Twitter-Besit­zer Elon Musk hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die damali­ge Entschei­dung für grund­falsch hält. Musk starte­te per Tweet eine 24-stündi­ge Umfra­ge unter Nutzern des Diens­tes, die darüber abstim­men konnten, ob Trumps Profil wieder­her­ge­stellt werden solle. Nur wenige Minuten nach Verkün­dung des Ergeb­nis­ses — eine knappe Mehrheit hatte für das Ende der Sperre votiert — war Trumps Profil wieder da. Der letzte Tweet dort stammt vom 8. Januar 2021. Trump gab darin bekannt, dass er nicht zur Amtsein­füh­rung von Joe Biden kommen werde.

Trumps Account der einst mehr als 80 Millio­nen Follower bei Twitter hatte und mit seinen unbere­chen­ba­ren Botschaf­ten mitun­ter die halbe Welt in Aufruhr versetz­te, wurde bei der Abonnen­ten­zahl auf null zurück­ge­setzt. Kurz nach der Freischal­tung folgten dem Profil «@realDonaldTrump» bereits wieder 1,4 Milli­on Twitter-Nutzer — dann waren es plötz­lich nur noch rund 700 000, anschlie­ßend ging es wieder allmäh­lich nach oben. Der Grund für die Schwan­kun­gen blieb zunächst unklar.

Trump verliert in den eigenen Reihen an Einfluss

Bei der Twitter-Kopie Truth Social brach­te es Trump zuletzt auf rund 4,6 Millio­nen Abonnen­ten. Eine größe­re Platt­form mit mehr Reich­wei­te kann er mit Blick auf die Kandi­da­ten­kür der Republi­ka­ner für die nächs­te Präsi­den­ten­wahl gut gebrau­chen. Denn zuletzt verlor der 76-Jähri­ge, der die Partei lange nach Belie­ben dominiert und Kriti­ker an den Rand gedrängt hatte, in den eigenen Reihen an Einfluss.

Bei den Parla­ments- und Gouver­neurs­wah­len am 8. Novem­ber lehnten die Wähler mehre­re Kandi­da­ten ab, die massiv von ihm unter­stützt worden waren. Auch insge­samt blieb der von vielen Demosko­pen erwar­te­te überwäl­ti­gen­de Triumph der Republi­ka­ner aus: Sie gewan­nen nur knapp die Mehrheit im Reprä­sen­tan­ten­haus und die Demokra­ten konnten die Kontrol­le über den Senat verteidigen.

Seitdem mehren sich die Stimmen auch promi­nen­ter Republi­ka­ner, die dazu aufru­fen, die Ära Trump endgül­tig zu beenden, um wieder anschluss­fä­hig bei modera­te­ren Wählern jenseits des harten Kerns seiner Anhän­ger­schaft zu werden. Als ein aussichts­rei­cher Rivale, der Trump im Rennen um die Kandi­da­tur der Republi­ka­ner bei der Präsi­den­ten­wahl 2024 gefähr­lich werden könnte, gilt etwa der frisch wieder­ge­wähl­te Gouver­neur von Flori­da, Ron DeSantis.

Just in diesem Moment gibt Musk, der seine Sympa­thien für die politi­schen Ansich­ten von Trumps Republi­ka­nern zuletzt sehr offen kundtat, dem politisch angeschla­ge­nen Ex-Präsi­den­ten den Twitter-Account zurück.

«Das Volk hat gespro­chen», begrün­de­te der Tech-Milli­ar­där seine Entschei­dung nach Ablauf der Umfra­ge. Für Trumps Rückkehr sprach sich dabei eine knappe Mehrheit von 51,8 Prozent aus. Die Erhebung war aller­dings nicht reprä­sen­ta­tiv: An der von Musk auf 24 Stunden angesetz­ten Umfra­ge nahmen rund 15 Millio­nen Nutzer teil, während der Dienst nach jüngs­ten verfüg­ba­ren Angaben auf mehr als 230 Millio­nen täglich aktive Nutzer kommt.

Musk hat eigene Proble­me, bei denen eine Rückkehr Trumps helfen könnte. Nach der kostspie­li­gen Twitter-Übernah­me brachen seinen Worten zufol­ge die Anzei­gen­er­lö­se ein. Denn Unter­neh­men befürch­ten, dass die Werbung für ihre Marken angesichts der unein­ge­schränk­ten Redefrei­heit, die Musk in Aussicht gestellt hat, neben anstö­ßi­gen Tweets landen könnte. Die chaotisch verlau­fe­ne Einfüh­rung eines neuen Abo-Systems wurde nach dem Wirbel um lauter täuschend echt ausse­hen­de Accounts von Marken und Promi­nen­ten gestoppt. Nun aber steigert allein die Kontro­ver­se um die Wieder­her­stel­lung von Trumps Account die Aufmerk­sam­keit für Twitter.

Twitter war für Trump zentra­ler Kommunikationskanal

Trump hatte Twitter in seinem siegrei­chen Wahlkampf 2016 so inten­siv genutzt wie kein Kandi­dat vor ihm. Und auch während der Zeit im Weißen Haus war die Platt­form sein zentra­ler Kommu­ni­ka­ti­ons­ka­nal, auf dem er ein ums andere Mal mit den Usancen staats­män­ni­schen Auftre­tens brach und biswei­len deutlich unter die Gürtel­li­nie rutsch­te. Trump regier­te, förder­te Günst­lin­ge und schass­te in Ungna­de gefal­le­ne Kabinetts­mit­glie­der per Twitter: Legen­där ist, dass etwa sein Außen­mi­nis­ter Rex Tiller­son aus einem Tweet des Präsi­den­ten von seiner Entlas­sung erfuhr.

Damit war nach dem Sturm seiner Anhän­ger auf den Sitz des US-Parla­ments am 6. Januar 2021 Schluss. Im Kapitol sollte an jenem Tag der Wahlsieg von Joe Biden offizi­ell besie­gelt werden. Wegen der gewalt­sa­men Erstür­mung des symbol­träch­ti­gen Gebäu­des geschah dies erst Stunden später.

Trump hatte bei seinen Anhän­gern falsche Hoffnun­gen genährt, dass Vizeprä­si­dent Mike Pence im Kongress die Bestä­ti­gung des Wahler­geb­nis­ses verwei­gern könnte. Noch während des Angriffs twitter­te Trump, dass Pence nicht den Mut gehabt habe, das Richti­ge zu tun. Danach riefen Leute in der Menge: «Hängt Mike Pence!» Dieser Tweet mit der Spitze gegen Pence — und mehre­re andere, die für Trump proble­ma­tisch werden könnten — fehlen nun auf dem reakti­vier­ten Profil. Trumps wider­leg­te Behaup­tun­gen über eine gestoh­le­ne Wahl sind weiter­hin mit Warnhin­wei­sen versehen.

Truth Social gefällt Trump viel besser

Bis zur Übernah­me durch Musk hatten Twitter-Manager stets gesagt, dass kein Weg zur Rückkehr des Ex-Präsi­den­ten vorge­se­hen sei. Musk hatte dagegen schon vor Monaten betont, dass es bei dem Dienst aus seiner Sicht keine lebens­lan­gen Sperren geben sollte. Er erwähn­te dabei ausdrück­lich auch Trump als Beispiel.

Vor drei Wochen kündig­te Musk dann zwar an, dass vor der Wieder­her­stel­lung bedeu­ten­der Accounts ein Rat zum Umgang mit kontro­ver­sen Inhal­ten gebil­det werden solle. Doch nun ging es auch ohne ein solches Gremi­um. Quasi im Allein­gang — ein Modus, in dem Musk und Trump Übung haben.

Trump selbst hatte wieder­holt gesagt, er wolle gar nicht zu Twitter zurück­keh­ren. Ihm gefal­le es bei Truth Social viel besser. Und auch am Samstag empfahl er seinen Anhän­gern kurz vor Ablauf der Umfra­ge zwar noch die Teilnah­me daran, schrieb aber dazu: «Wir gehen nirgend­wo hin. Truth Social ist beson­ders!» Nach der Wieder­her­stel­lung des Accounts äußer­te sich Trump zunächst nicht über sein weite­res Vorgehen.

Facebook, wo Trump ebenfalls seit Januar 2021 gesperrt ist, will im kommen­den Januar entschei­den, ob dem Ex-Präsi­den­ten die Rückkehr angebo­ten werden könnte.

Von Andrej Sokolow, dpa