BERLIN (dpa) — Öffnet die CDU der AfD die Tür für eine Zusam­men­ar­beit auf kommu­na­ler Ebene? Äußerun­gen von Partei­chef Merz im ZDF-Sommer­in­ter­view wurden von vielen so verstan­den. Nun versucht er, die Debat­te einzufangen.

Nach deutli­cher Kritik auch aus den eigenen Reihen an seinen AfD-Äußerun­gen hat der CDU-Vorsit­zen­de Fried­rich Merz eine Koope­ra­ti­on mit den Rechts­po­pu­lis­ten in den Kommu­nen klar abgelehnt. Er schrieb auf Twitter: «Um es noch einmal klarzu­stel­len, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschluss­la­ge der CDU gilt. Es wird auch auf kommu­na­ler Ebene keine Zusam­men­ar­beit der CDU mit der AfD geben.» Äußerun­gen von Merz am Tag zuvor im ZDF-Sommer­in­ter­view waren anders inter­pre­tiert worden.

Der Opposi­ti­ons­füh­rer im Bundes­tag teilte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin zudem mit, die Union sage den Wähle­rin­nen und Wählern ganz klar, dass jede Stimme für die AfD eine verlo­re­ne Stimme sei, weil sie am Ende Rot-Rot-Grün oder Ampel-Regie­run­gen möglich mache. «Richtig ist aber auch: In den Kommu­nen fällt die Umset­zung nicht überall so leicht wie in den Landta­gen, im Bundes­tag oder im Europa­par­la­ment.» Allein darauf habe er im Sommer­in­ter­view hingewiesen.

Dort sagte Merz am Sonntag, Kommu­nal­po­li­tik sei etwas anderes als Landes- und Bundes­po­li­tik. Wenn jetzt in Thürin­gen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürger­meis­ter von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokra­ti­sche Wahlen. «Das haben wir doch zu akzep­tie­ren. Und natür­lich muss in den Kommu­nal­par­la­men­ten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemein­sam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.»

Deutli­che Kritik und Distan­zie­rung bei CDU und CSU

Für sein Sommer­in­ter­view zog sich Merz Kritik auch in den eigenen Reihen zu — etwa bei den Wahlkämp­fern in Hessen und Bayern, wo im Oktober neue Landta­ge gewählt werden. «Für die CDU Hessen kann ich sehr klar sagen, dass die Brand­mau­er ganz klar steht. Das sind keine Partner von uns, mit denen arbei­ten wir nicht zusam­men», sagte Hessens Minis­ter­prä­si­dent Boris Rhein (CDU) im ZDF-«Morgenmagazin».

Eine ähnli­che Ansage kam von der CSU aus München: «Wir sind ganz klar gegen jede Form der Koope­ra­ti­on mit der AfD, egal ob auf europäi­scher, auf Bundes‑, auf Landes- oder gar auf kommu­na­ler Ebene», sagte Partei­chef Markus Söder nach einer Vorstands­sit­zung. Er beton­te: «Ein Nein heißt ein Nein.» Da gebe es keine Relativierung.

Die Vizeprä­si­den­tin des Bundes­ta­ges, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsi­di­um angehört, schrieb auf Twitter: «Ob Ortschafts­rat oder Bundes­tag, rechts­ra­di­kal bleibt rechts­ra­di­kal. Für Christ­de­mo­kra­ten sind Rechts­ra­di­ka­le IMMER Feind!» Berlins Regie­ren­der Bürger­meis­ter Kai Wegner (CDU) twitter­te: «Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAM­MEN­ar­beit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusam­men­ar­bei­ten, deren Geschäfts­mo­dell Hass, Spaltung und Ausgren­zung ist.»

Saarlands Ex-Minis­ter­prä­si­dent Tobias Hans (CDU) warnte auf Twitter: «Das hier ist die schlei­chen­de Verwäs­se­rung von Partei­tags­be­schlüs­sen nach Wahler­fol­gen der extre­men Rechten.» Während NRW-Regie­rungs­chef Hendrik Wüst schwieg, sagte sein Innen­mi­nis­ter Herbert Reul im Deutsch­land­funk, der Grund­satz der CDU, nicht mit der AfD zusam­men­zu­ar­bei­ten, sei «richtig, zwingend und notwen­dig». Der CDU-Politi­ker beton­te: «Es muss da ein klarer Strich gezogen werden.»

In einem Beschluss des Partei­vor­stands von 2019 heißt es: «Jeder, der in der CDU für eine Annähe­rung oder gar Zusam­men­ar­beit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechts­extre­mes Gedan­ken­gut, Antise­mi­tis­mus und Rassis­mus in ihren Reihen bewusst duldet. (…). Die CDU lehnt jegli­che Koali­tio­nen oder ähnli­che Formen der Zusam­men­ar­beit mit der AfD ab.»

AfD-Chef sieht Steine aus schwarz-grüner Brand­mau­er fallen

Der AfD-Vorsit­zen­de Tino Chrup­al­la schrieb zu der Debat­te auf Twitter: «Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brand­mau­er. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemein­sam nieder­rei­ßen. Gewin­ner werden die Bürger sein, die Wohlstand, Freiheit und Sicher­heit durch inter­es­sen­ge­lei­te­te Politik wiedergewinnen.»

Auch SPD, Grüne und Linke über Merz irritiert

SPD-General­se­kre­tär Kevin Kühnert werte­te die Äußerun­gen des CDU-Chefs als «Tabubruch». Er sprach im ZDF-«Morgenmagazin» von einem Kurswech­sel, den Merz offen­sicht­lich für die CDU anstre­be. Es sei jetzt Zeit für einen «Richtungs­streit in der CDU».

Die Grünen-Vorsit­zen­de Ricar­da Lang sagte in der ARD: «Erst reduziert er diese Partei auf eine besse­re Alter­na­ti­ve für Deutsch­land und jetzt baut er die Brand­mau­er — die ja selbst von der Union immer wieder beschwo­ren wurde — ein kleines Stück ab.»

Linken-Chef Martin Schir­de­wan warf Merz einen «offenen Flirt mit der extre­men Rechten» vor. «Der Vorsit­zen­de der CDU öffnet den Feinden der Demokra­tie die Tür in diesem Land», sagte er in Berlin. «Ich halte das für völlig inakzeptabel.»

Linne­mann vertei­digt Merz

Der neue CDU-General­se­kre­tär Carsten Linne­mann vertei­dig­te Merz dagegen: Für die CDU sei klar, dass es «keine Zusam­men­ar­beit mit der AfD» gebe, «egal auf welcher Ebene», sagte er der «Bild». «Das sieht auch Fried­rich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwie­ri­ge Umset­zung vor Ort hinweist. Denn wenn es im Kommu­nal­par­la­ment etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechts­ra­di­ka­len nicht abhängig.»

Die vom Verfas­sungs­schutz als rechts­extre­mis­ti­scher Verdachts­fall einge­stuf­te AfD legt seit Monaten in den Meinungs­um­fra­gen zu. Eine Insa-Umfra­ge für die «Bild am Sonntag» sah sie soeben bundes­weit bei 22 Prozent. Zudem feiert die AfD Erfol­ge in der Kommu­nal­po­li­tik. In Thürin­gen stellt sie seit kurzem erstmals einen Landrat, in Sachsen-Anhalt einen haupt­amt­li­chen Bürgermeister.