PARIS (dpa) — Man City behält bei Paris Saint-Germain die Nerven und hat gute Aussich­ten, erstmals ein Champi­ons-League-Finale zu errei­chen. Vorher könnte die Guardio­la-Elf schon die engli­sche Meister­schaft feiern.

Trainer Pep Guardio­la übt sich derzeit im briti­schen Under­state­ment, also in vorneh­mer Zurück­hal­tung. Am Wochen­en­de könnte Manches­ter City mit Schüt­zen­hil­fe des FC Liver­pool Meister werden.

Guardio­la aber spricht nur von «einem wichti­gen Schritt in der Premier League» im Auswärts­spiel bei Crystal Palace. Mit dem 2:1 (0:1) bei Paris Saint-Germain stieß seine Mannschaft die Tür zum Champi­ons-League-Finale weit auf. Der Trainer warnte jedoch: «Im Rückspiel kann alles passie­ren.» Wie schnell die Dinge in die falsche Richtung laufen können, hatte die erste Halbzeit in Paris gezeigt.

«Ich war froh in der Kabine, dass die Spieler still waren», sagte Guardio­la nach dem Auswärts­sieg. «Kein Jubel, nur Stille.» Zunächst hatte es im Prinzen­park nicht danach ausge­se­hen, dass es für seine Elf überhaupt einen Grund zum Jubeln geben würde. Denn die Gastge­ber mit ihren Super­stars Neymar und Kylian Mbappé waren nach einer starken Viertel­stun­de verdient in Führung gegan­gen. Marquin­hos köpfte den Ball nach einer Ecke von Angel di Maria ins Netz.

Seine Citizens hätten in der ersten Hälfte des Halbfi­nals-Hinspiels zu vorsich­tig gespielt, fand Guardio­la. «Ich habe zur Halbzeit gesagt, ich verste­he, warum sie das machen, aber wir müssen versu­chen unser Spiel zu machen. Geht raus und versucht das!» Franz Becken­bau­er hätte gesagt: «Geht’s raus und spielt’s Fußball.» Und tatsäch­lich — nach der Pause bestimm­te Man City auf einmal das Spiel.

Der überra­gen­de Kevin De Bruyne (64.) erziel­te den Ausgleich. Den Freistoß, der zum 2:1 führte, überließ er seinem Teamkol­le­gen Riyad Mahrez (71.). «Er hat mich gefragt, ob er das machen könnte», berich­te­te De Bruyne. «Ich habe volles Vertrau­en in meine Mannschaft, und er hat das Tor gemacht, wie könnte ich also etwas dagegen sagen?» Sicht­lich erfreut sprang Pep Guardio­la an der Seiten­li­nie auf und ab. «Sie waren fantas­tisch», schwärm­te er später.

PSG-Coach Mauricio Pochet­ti­no entglit­ten derweil die Gesichts­zü­ge, und seine Stars verlo­ren die Nerven. Neymar fiel allen­falls noch durch Unsport­lich­kei­ten auf. Mittel­feld­spie­ler Idris­sa Gueye sah Rot für ein hartes Foul an Ilkay Gündo­gan. Nach einer Schreck­mi­nu­te, in der der deutsche Natio­nal­spie­ler schmerz­ver­zerrt am Boden lag, gab es Entwar­nung. Gündo­gan, der sich in der Form seines Lebens befin­det, konnte weiter­spie­len. «Alles gut», twitter­te er am späten Abend.

Natio­nal ist Man City, das gerade zum vierten Mal in Serie den Ligapo­kal gewann, das Maß aller Dinge. Wenn der Spitzen­rei­ter der Premier League am Samstag bei Palace gewinnt und Liver­pool am Sonntag den Tabel­len­zwei­ten Man United schlägt, ist City zum sechs­ten Mal engli­scher Meister. Ein inter­na­tio­na­ler Titel — abgese­hen vom Europa­po­kal der Pokal­sie­ger 1970 — fehlt noch auf dem Briefkopf.

Entspre­chend groß ist die Sehnsucht nach dem Henkel­pott — und die Angst vor einem erneu­ten Schei­tern. Für briti­sche Medien war die Champi­ons-League-Partie von Paris nun aller­dings ein Meilen­stein, der Hoffnung macht. «Es fühlte sich an, als wäre Manches­ter City endlich erwach­sen gewor­den», brach­te es der «Telegraph» auf den Punkt.

Enttäu­schung dagegen in Frank­reich und beson­ders in Paris — vor allem über den krassen Einbruch von PSG. «Mit dem Rücken zur Wand», titel­te die große Sport­zei­tung «L’Équi­pe» am Donners­tag. Für «Le Parisi­en» steht PSG in der Königs­klas­se vor dem Aus, wobei es noch ein Fünkchen Hoffnung gebe: «Es bleibt noch ein Spiel, eine mögli­che Wende».

«Der Kampf geht weiter», twitter­te auch Neymar trotzig nach seiner durch­wach­se­nen Vorstel­lung. Und Pochet­ti­no forder­te seine Mannschaft auf, in Manches­ter «etwas ganz Beson­de­res» zu zeigen. Dass Paris Saint-Germain es schaf­fen kann, glaubt auch Pep Guardio­la. «Das wird noch hart im Rückspiel», warnte er und verwies auf die vermeint­lich mangeln­de Erfah­rung seiner City-Spieler. «Für viele von den Jungs ist es das erste Halbfi­na­le in der Champi­ons League», sagte der Spani­er. Das klang dann doch wieder nach briti­schem Understatement.

Von Philip Dethlefs und Chris­ti­an Böhmer, dpa