WEINGARTEN — Die ältes­te Narren­ver­ei­ni­gung im deutsch­spra­chi­gen Raum feiert 2024 ihr 100-jähir­ges Bestehen. Das Jubilä­ums­jahr wird am Gründungs­tag, dem 16. Novem­ber 2023, eröff­net. Heraus­ra­gen­des Ereig­nis wird das Große Narren­tref­fen vom 19. bis 21. Januar 2024 in Weingar­ten (Württem­berg) sein.

Zur Geschich­te der Verei­ni­gung: Narren in Baden und Württem­berg wagen den Schul­ter­schluss „Dem deutschen Michel das frohe Lachen wieder beizu­brin­gen“ – dieses Ziel setzte sich die heuti­ge Verei­ni­gung Schwä­bisch-Aleman­ni­scher Narren­zünf­te in ihrer ersten Satzung. Denn die Umstän­de, die zur Verbands­grün­dung führten, waren bitter­ernst. Die letzte groß gefei­er­te Fasnet gab es im Frühjahr 1914. Wenige Monate später, im August, begann Deutsch­land den Ersten Weltkrieg. Er sollte Europa bis 1918 in Atem halten.

Nach den Kriegs­wir­ren ging es mit dem holpri­gen demokra­ti­schen Neube­ginn, der um sich greifen­den Infla­ti­on und der pande­mi­schen „Spani­schen Grippe“ nur langsam aufwärts: Fastnacht war für viele undenk­bar. Und erlaubt war sie auch nicht – höchs­tens Kinder durften sich verklei­den und „heischen gehen“, also Fasnets­ga­ben erbet­teln. Und auch das nicht überall und nicht in jedem Jahr. So gab es also 1924 Kinder, die zehn Jahre alt waren, und noch nie eine Fastnacht gesehen haben. Allmäh­lich schwand in der südwest­deut­schen Bevöl­ke­rung das Verständ­nis für die Verbo­te. Man sah die Narre­tei nun nicht mehr als staats­ge­fähr­dend, sondern als Teil eines (wieder) norma­len Lebens an. Doch die Obrig­keit sah das anders. 

Seitens der badischen und der württem­ber­gi­schen Staats­re­gie­run­gen gab es Fasnets­ver­bo­te. „Gerade in Notzei­ten ist das Bedürf­nis wenigs­tens einmal im Jahr zu Feiern beson­ders groß“, erklärt VSAN-Präsi­dent Roland Wehrle. Die Narren begehr­ten auf. So trafen sich am 16. Novem­ber 1924 auf Einla­dung der Histo­ri­schen Narro­zunft Villin­gen Zunft­ver­tre­ter aus 13 Orten aus Baden und Württem­berg. Sie gründe­ten jenen länder­über­grei­fen­den „Gauver­band badisch-württem­ber­gi­scher althis­to­ri­scher Narren­zünf­te“, der schon kurz darauf in Verei­ni­gung Schwä­bisch-Aleman­ni­scher Narren­zünf­te umbenannt wurde. Schon bald bewähr­te sich der Zusam­men­schluss: In Offen­burg und Gengen­bach wollte das Innen­mi­nis­te­ri­um das Fastnachts­trei­ben unter­bin­den – erst auf Inter­ven­ti­on des Verban­des kam es zur Erlaub­nis. Schon im ersten Proto­koll wurde festge­hal­ten, dass sich die Narren auch an der Fastnacht treffen wollen. 

Zum ersten dieser „Narren­tref­fen“ kam es 1929 in Villin­gen. Sie wurden insbe­son­de­re nach dem zweiten Weltkrieg zum Schau­fens­ter der Fastnacht. Und sind es heute – mehr als 30 Jahre nach der ersten Live-Übertra­gung eines Narren­tref­fens im Fernse­hen – immer noch. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten, wenn die Aufnah­me­kom­mis­si­on sie für würdig hielt, immer mehr Zünfte der VSAN bei. 68 Mitglieds- und acht Partner­zünf­te zählt sie heute. Schät­zungs­wei­se 70.000 aktive Narren aus den Zünften sind jedes Jahr an der Fastnacht auf der Straße. Aus heuti­ger Sicht inter­es­sant ist ein Gesuch des damali­gen VSAN-Präsi­den­ten Albert Fischer aus dem Jahr 1949. Er wollte den Innen­mi­nis­te­ri­en in Freiburg und Tübin­gen einen gewis­sen „Schutz“ der alten Fastnachts­bräu­che garan­tiert bekom­men. Jahrzehn­te später wurde der Fastnacht tatsäch­lich von höherer Stelle ihre kultu­rel­le Bedeu­tung zugespro­chen und sie so für schüt­zens­wert erklärt: 2014 nahm die deutsche Unesco-Kommis­si­on die schwä­bisch-aleman­ni­sche Fastnacht auf Betrei­ben der VSAN in ihr Verzeich­nis des natio­na­len Immate­ri­el­len Kultur­er­bes auf. 

Inzwi­schen hat die VSAN das Ziel erklärt, gemein­sam mit den bedeu­ten­den rheini­schen Karne­vals­städ­ten Köln, Aachen, Düssel­dorf und Bonn die Unesco in Paris auf das närri­sche Kultur­er­be aufmerk­sam zu machen. VSAN-Präsi­dent Roland Wehrle gibt zu: „Mehr als 70 Jahre lang haben wir versucht uns möglichst deutlich vom Karne­val abzugren­zen. Heute wissen wir: Wenn wir bundes­po­li­tisch etwas für alle, die in Deutsch­land die „fünfte Jahres­zeit“ feiern, errei­chen wollen, müssen wir zusam­men­ar­bei­ten. Gemein­sam wollen die VSAN und das Festko­mi­tee des Kölner Karne­vals den UNESCO-Weltkul­tur­er­be­sta­tus für Fastnacht & Karne­val erreichen.“

Narren feiern gemein­sam: Das Große Jubilä­ums­nar­ren­tref­fen in Weingar­ten vom 19. bis 21. Januar 2024 Seit mehr als zwei Jahren laufen die Vorbe­rei­tun­gen für das nur alle vier Jahre statt­fin­den­de Große Narren­tref­fen der VSAN. „Wir sind gut vorbe­rei­tet und haben mit der Stadt Weingar­ten einen total starken Partner an der Seite“, erklärt die Zunft­meis­te­rin der Plätz­ler­zunft Altdorf-Weingar­ten 1348 e.V., Susan­ne Franken­hau­ser. Ihre Zunft richtet das Treffen aus. 4.000 Übernach­tun­gen in Massen­quar­tie­ren und Hotels von Bad Waldsee bis Fried­richs­ha­fen und Wangen im Allgäu sind bereits gebucht. „Die Narren werden in der ganzen Region unter­ge­bracht“, erklärt die Zunft­meis­te­rin. Es gibt ein eigenes Netz aus Sonder­bus­sen und Zügen. 

In Weingar­ten sollen sie alle verpflegt werden: 27 Zelte von Verei­nen in der Region, dazu 50 Bewir­tungs­stän­de und die gesam­te Gastro­no­mie werden Platt­for­men zum Feiern bieten. Die Veran­stal­ter rechnen mit rund 25.000 Besuchern pro Tag, zwei große Narren­sprün­ge sind geplant. Der Umzug am Sonntag wird live im SWR-Fernse­hen übertra­gen, 10.000 bis 12.000 aktive Narren werden erwar­tet, plus zig Musik­ka­pel­len. „Wir wollen aber die Fasnet nicht auf diesen einen riesen Umzug konzen­trie­ren, sondern das ganze Wochen­en­de über aus erleb­bar machen“, erklärt Franken­hau­ser. Bräuche aus dem ganzen Land werden am Samstag in Weingar­ten erleb­bar sein. Für Kinder- und Famili­en wird ein „Närri­scher Markt“, also „eine Art Jahrmarkt der Narren“ im Stil wie er schon vor 100 Jahren an vielen Jahren häufig Thema war, geboten. Aktives Mitma­chen an Spiel­sta­tio­nen wird möglich sein, Masken­schnit­zer, Häsma­ler und Metzger zeigen ihr Handwerk rund um alles, was man zum Fastnacht feiern braucht. Am Freitag­abend wird das Narren­tref­fen mit einem kleinen Umzug von Zünften der Region, sowie einem Wirts­haus-Fasnet-Abend in der Innen­stadt eröff­net. VSAN-Präsi­di­um und Plätz­ler­zunft sind sich sicher: „So viel Fasnet aus dem ganzen Land an einem Wochen­en­de, das wird ein einma­li­ges Erleb­nis.“ Auch Weingar­tens Oberbür­ger­meis­ter Clemens Moll fiebert dem Narren­tref­fen schon entge­gen. Seine Stadt­ver­wal­tung unter­stützt die ausrich­ten­de Zunft, wo sie kann. „Das ist eine große Ehre“, erklärt der OB, der sich persön­lich vor allem auf die Fülle an Bräuchen freut, die in Weingar­ten erleb­bar werden.

Rahmen­pro­gramm mit Jubilä­ums­aus­stel­lung: Ein Jahr im Sinne des Kultur­guts Fastnacht „NARRENZEIT– Kultur­er­be Fastnacht im Wandel“, heißt der Titel der Wander­aus­stel­lung, die durch das Jahr 2024 in Weingar­ten, Singen am Hohent­wiel, Rotten­burg a.N. und Offen­burg gezeigt wird. Sie setzt an in den Gründungs­jah­ren der VSAN: Kinder standen zunächst im Mittel­punkt der Bräuche. Das Vertei­len von Brezeln durch die Narren hatte damals einen ganz anderen sozia­len Hinter­grund. Weite­re Themen sind die wechsel­vol­le Bezie­hung zwischen Fastnacht & Karne­val. Und die Narren­tref­fen: Heute ein Merkmal der Fasnet, sind sie noch gar nicht sehr alt. „Früher hat man Fastnacht nur daheim im eigenen Ort gemacht. Dass Narren sich treffen und gemein­sam feiern, hat erst im Nachgang der Verei­ni­gungs­grün­dung begon­nen“, erklärt Roland Wehrle. Über VR-Elemen­te soll die Emotio­na­li­tät der Fastnacht trans­por­tiert werden. Neben der Ausstel­lung gibt es weite­re Jubilä­ums­fei­er­lich­kei­ten: Mit dem Gründungs­tag der Verei­ni­gung, dem 16. Novem­ber, soll das Jubilä­ums­jahr begin­nen und enden. Noch im Jahr 2023 soll an diesem Tag eine Erinne­rungs­ta­fel an die Initia­to­ren des Museums Narren­schopf in Bad Dürrheim enthüllt werden. 

Dort soll das Festjahr auch wieder beschlos­sen werden. Für das gesam­te Jubilä­ums­jahr hat Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann die Schirm­herr­schaft übernom­men. Ein Großteil der Festver­an­stal­tun­gen wird – wie könnte es anders sein – zwischen dem Dreikö­nigs­tag und Ascher­mitt­woch statt­fin­den: etwa ein gemein­sa­mes Treffen der Gründer­zünf­te am Gründungs­ort, dem Stifts­kel­ler in Villin­gen, der Festakt für gelade­ne Gäste in Bad Saulgau. Die Termin­über­sicht: 16. Novem­ber 2023: Enthül­lung der Jubilä­ums­ta­fel im Narren­schopf in Bad Dürrheim 5. Januar 2024: Festgot­tes­dienst im Villin­ger Münster mit Erzbi­schof Dr. Stephan Burger 7. Januar 2024: Anbrin­gen der Erinne­rungs­ta­fel am Gründungs­ort in Villin­gen 13. Januar 2024: Festakt für gelade­ne Gäste anläss­lich 100 Jahre VSAN in Bad Saulgau 20.–21. Januar 2024: Großes Narren­tref­fen in Weingar­ten (grosses-narrentreffen.de) 31. Januar 2024: Verlei­hung der Golde­nen Narren­schel­le im Europa­park in Rust 4.–5. Mai 2024: Sammler­bör­se und Museums­nacht im Narren­schopf in Bad Dürrheim 16. Novem­ber 2024: Abschluss des Festjahrs & Stifter­ver­samm­lung in Bad Dürrheim

Weite­re Infor­ma­tio­nen unter www.vsan.de