STUTTGART (dpa/lsw) — Narri! Narro! Na was denn nu? Lange war unklar, ob die Fasnet­fans endlich wieder durch die Straßen ziehen dürfen. Nun, kurz vor dem «Schmot­zi­gen Dunsch­tig», wird klar: Sie dürfen. Aber nicht richtig.

Die Narren im Land dürfen erstmals seit zwei Jahren wieder Fastnacht in den Straßen feiern — aller­dings unter sehr einge­schränk­ten Bedin­gun­gen. Veran­stal­tun­gen seien unter Beach­tung der 3G-Regel möglich, erklär­te Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) am Freitag im Landtag. Veran­stal­tun­gen und Umzüge würden in diesem Jahr wieder statt­fin­den können, sofern sie überschau­bar und kontrol­lier­bar sind, berich­te­te der Präsi­dent der Verei­ni­gung Schwä­bisch-Aleman­ni­scher Narren­zünf­te (VSAN), Roland Wehrle, nach einem Gespräch mit dem Gesundheitsministerium.

Am kommen­den Donners­tag (24.2.) beginnt mit dem «Schmot­zi­gen Dunsch­tig» die Hochpha­se der närri­schen Saison. Eine Woche lang zelebrie­ren die Narren oft je nach Region indivi­du­el­le Brauch­tü­mer. Bei den Narren­tref­fen soll neben der 3G-Regel auch eine FFP2-Masken­pflicht gelten, berich­te­te Wehrle. Narren dürften aber auf die Corona-Maske verzich­ten, wenn sie selbst kunst­voll geschnitz­te Masken («Larven») tragen. Ordnungs­äm­ter, Polizei und Zunft sollen gemein­sa­me Kontroll­teams bilden.

Für die meisten Verei­ne komme die Nachricht der Landes­re­gie­rung aber zu spät, kriti­sier­te Wehrle — es sei schwie­rig, so kurzfris­tig noch etwas auf die Beine zu stellen. «Es werden deshalb wohl nur kleine­re Veran­stal­tun­gen.» Manche Zünfte hätten sich eine frühe­re Ansage der Landes­re­gie­rung gewünscht. «Aber ich habe dafür auch Verständ­nis. Die Dynamik dieses Virus war nicht abzusehen.»

In der Tat hatte Minis­ter­prä­si­dent Kretsch­mann zuletzt wider­sprüch­li­che Signa­le an die Fasnet­fans gesen­det. Noch am Donners­tag hatte er erklärt, dass Fastnachts­um­zü­ge nicht erlaubt sein werden. Am Freitag im Landtag dann erklär­te er im Plenum: «Als leiden­schaft­li­cher Fastnachts-Narr möchte ich noch ein Wort zur Fasnet sagen: Veran­stal­tun­gen zur Pflege des örtli­chen Fasnet-Brauch­tums sind in Abspra­che mit den zustän­di­gen Behör­den unter der 3G-Regel möglich.»

Bedeu­tet: Solan­ge sicher­ge­stellt werden kann, dass Narren und Zuschau­er geimpft, genesen oder getes­tet sind, dürfen sie dieses Jahr durch die Straßen ziehen. Die Narren in Rottweil hatten bereits verkün­det, ihren tradi­tio­nel­len Narren­sprung unter Beach­tung der 2G-plus-Regel und FFP2-Masken­pflicht in einem abgesperr­ten Bereich in der Altstadt veran­stal­ten zu wollen. Das heißt, es dürfen nur Geimpf­te und Genese­ne mit einem aktuel­len Schnell­test dabei sein. Die Zuschau­er­zahl wird auf 6000 begrenzt.

Ob man einen solchen Narren­sprung in einem beschränk­ten Bereich als Umzug bezeich­net, bleibt dem Beobach­ter überlas­sen. Die Opposi­ti­on jeden­falls hält Kretsch­mann — wie so oft zuvor in dieser Pande­mie — einen Schlin­ger­kurs und Planlo­sig­keit vor. Die FDP spricht mit Blick auf die Fastnacht von einem «Eiertanz», die SPD von einem Schun­kel­kurs und «Kretsch­manns Fasnet-Karus­sell». «Dass der Minis­ter­prä­si­dent nun schon von einem Tag auf den anderen vollkom­men wider­sprüch­li­che Signa­le abgibt, ob und wie die Fastnacht erlaubt sei, ist das Gegen­teil von Liebe zum Brauch­tum», meint der gesund­heits­po­li­ti­sche Sprecher der SPD-Frakti­on, Flori­an Wahl. Die Landes­re­gie­rung schie­be den schwar­zen Peter an die Kommu­nen ab und missach­te die vielen Ehren­amt­li­chen in den Fasnachtsvereinen.

Nicht nur die Narren dürfen ein Stück in die Norma­li­tät zurück­keh­ren, das ganze Land wagt nach monate­lan­gen Einschrän­kun­gen ab kommen­der Woche deutli­che Locke­run­gen. Minis­ter­prä­si­dent Kretsch­mann verkün­de­te am Freitag im Landtag die geplan­ten Öffnungs­schrit­te raus aus den Corona-Aufla­gen. Clubs und Disko­the­ken dürfen unter bestimm­ten Bedin­gun­gen wieder öffnen, die Zugangs­re­geln für Restau­rants werden gelockert, Messen sind wieder erlaubt und bei Veran­stal­tun­gen werden deutlich mehr Zuschau­er zugelas­sen. Hinter­grund ist, dass wegen der etwas milde­ren Omikron-Varian­te das Gesund­heits­sys­tem nicht mehr so stark belas­tet ist wie bei Delta.

Was wird sich konkret ändern?

Bisher gilt im Südwes­ten die sogenann­te Alarm­stu­fe I, doch die Grenz­wer­te für das Errei­chen dieser Stufe werden nun angeho­ben — genau­er gesagt die Zahl der Corona-Infizier­ten, die inner­halb einer Woche und pro 100 000 Einwoh­ner auf eine Normal­sta­ti­on in eine Klinik kommen. Mit den neuen Grenz­wer­ten dürfte ab nächs­ter Woche die Warnstu­fe wieder in Kraft treten. Dann gilt für viele Veran­stal­tun­gen — für Gastro­no­mie, Kultur, Freizeit, Messen — die 3G-Regel statt der 2G-Regel. Auch Ungeimpf­te haben also dann mit einem aktuel­len Test wieder Zugang. Für Ungeimpf­te gilt zudem, dass sich künftig ein Haushalt mit zehn Perso­nen treffen darf statt nur mit zwei.

Kretsch­mann veror­tet sich trotz der geplan­ten Locke­run­gen weiter im «Team Vorsicht». Lockern ja, aber «nicht mit einem großen Knall», sagte er in seiner Regie­rungs­er­klä­rung. Noch immer seien etwa mehr als zehn Prozent der Über-60-Jähri­gen nicht geimpft. Der Minis­ter­prä­si­dent forder­te deshalb erneut einen Instru­men­ten­kas­ten für die Zeit nach dem 20. März, um zur Not gegen eine erneut aufflam­men­de Pande­mie durch­grei­fen zu können. Ab dann sollen nach dem Beschluss von Bund und Ländern nämlich «alle tiefgrei­fen­de­ren Schutz­maß­nah­men» wegfal­len. Zudem müsse man bereits jetzt für den kommen­den Herbst und Winter vorsor­gen. Man müsse mit weite­ren Corona-Varian­ten und einer weite­ren Welle im Winter rechnen. Kretsch­mann sprach sich daher erneut für eine allge­mei­ne Impfpflicht und ein Impfre­gis­ter aus.

Nur wider­wil­lig sei Kretsch­mann vom «Team Sturheit» ins «Team Freiheit» gewech­selt, sagte FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke. Die SPD warf Kretsch­mann Strate­gie­lo­sig­keit vor. Gerade zwei Wochen sei es her, da habe der Regie­rungs­chef noch Exit-Debat­ten bis Ostern ausge­schlos­sen, sagte SPD-Frakti­ons­chef Andre­as Stoch. Die jetzi­gen Öffnungs­schrit­te stünden dazu in krassem Wider­spruch. Der Beschluss von Bund und Ländern zeige nun aber einen Weg aus der Pande­mie auf. Nun müsse Kretsch­mann nicht mehr stolpern und auf Sicht fahren. Der Regie­rungs­chef müsse das Land hinge­gen nun für den Herbst vorbe­rei­ten, sagte Stoch. «Legen Sie nicht die Füße hoch!»

Von Nico Point­ner und Tatja­na Bojic, dpa